Umweltinitiative warnt vor Zwischenlager

Sprecher von Bürgerverein schreibt an Regierungspräsident Steinbach / Kreiswerke-Chef: „Wir wissen genau, was wir tun

Von Dominic Welters

Delitzsch. Noch ist es nicht genehmigt, aber dem Bürgerverein Sauberes Delitzscher Land stößt das geplante Zwischenlager für sogenannte heizwertreiche Fraktionen (HWRF) der Kreiswerke Delitzsch GmbH (KWD) schon jetzt bitter auf. In einem Brief an den Leipziger Regierungspräsidenten Walter Christian Steinbach warnt der Sprecher der Umweltinitiative, Dietmar Mieth, vor den wirtschaftlichen Folgen einer Genehmigung. Das neue Zwischenlager in Spröda soll 200.000 Tonnen der laut Regierungspräsidium Leipzig (RP) „nicht gefährlichen Abfälle“ aufnehmen und bis zum Jahr 2010 betrieben werden. Der Bürgerverein spricht deshalb von einem „Langzeit-Zwischenlager“. Mieth unterstellt den Kreiswerken, sie verfolgten mit der angestrebten Genehmigung „vorrangig das Ziel, sich eine kurzfristig wirkende Liquiditätshilfe bis zum Jahr 2009/2010 zu sichern“.

Bekanntlich haben sich die Kreiswerke vertraglich verpflichtet, jährlich bis zu 120.000 Tonnen HWRF aus der Mechanisch-Biologischen Abfallbehandlungsanlage (MBA) der Westsächsischen Entsorgungs- und Verwertungsgesellschaft (WEV) in Cröbern bei Leipzig abzunehmen. Dafür kassieren die KWD momentan 90 Euro pro Tonne. Der Bürgervereinschef glaubt, „die genehmigungsrelevante Bedingung, diese zwischengelagerten heizwertreichen Fraktionen zu gegebener Zeit als Ersatzbrennstoff zu verwerten, ist mit massiven finanziellen Verlusten für die KWD verbunden“. Mieth befürchtet gar eine Existenzbedrohung für die Firma, deren Mehrheitsgesellschafter der Landkreis Delitzsch ist. „Diese negative Konsequenz sieht unser Bürgerverein mit großer Sorge, weil die daraus resultierenden volkswirtschaftlichen Folgen insbesondere die Bürger der Stadt Delitzsch tragen müssen“, schreibt er an Steinbach. Sein Lösungsvorschlag: Der Regierungspräsident möge der Genehmigung seine Zustimmung verweigern und damit „die Motivation des Managements von KWD und WEV stärken, als zielführende Alternative die bereits konzipierten Investitionen zur thermischen Verwertung der heizwertreichen Fraktionen direkt neben der MBA Cröbern schnellstmöglich zu realisieren. Dabei können vor allem die KWD profitieren, wenn es gelingt, die Geschäftsbeziehungen zwischen Kreiswerken und WEV auf eine neue Grundlage zu stellen.

Besagte Geschäftsbeziehungen waren im vergangenen Jahr arg strapaziert worden. Delitzsch hatte Cröbern nur noch eine geringe Menge HWRF abgenommen, weil das Material nach Ansicht der KWD nicht mehr der vereinbarten Qualität entsprach. Der Zweckverband Abfallwirtschaft Westsachsen (ZAW) als Mutter der WEV beteuerte damals, die Werte würden lediglich bei wenigen Parametern geringfügig abweichen. Nach heftigem Streit einigten sich beide Seiten schließlich auf einen neuen Vertrag - und forderten das RP gleichzeitig auf, Zwischenlager für die verwertbaren Müllreste zu genehmigen. In einem ersten Schritt ist dies bereits geschehen. Auf dem Areal der ehemaligen Deponie Spröda dürfen die Kreiswerke in einem bis November dieses Jahres befristeten Lager schon seit August 2006 bis zu 48000 Tonnen der energiereichen Bestände aus der MBA Cröbern bunkern. Diese werden für die Produktion des Alternativbrennstoffes Carbo light im Industrie- und Gewerbegebiet Delitzsch-Südwest benötigt, der unter anderem in Zementwerken, Papierfabriken und Kraftwerken herkömmliche Energieträger ersetzt.

Als nächstes will Carbo-light-Hersteller KWD am Standort der Ex-Bauschuttrecyclinganlage neben der seit 1. Juni 2005 geschlossenen Sprödaer Kippe weitere mit weißer Folie ummantelte HWRF-Ballen bunkern - wobei diesmal das Fünffache des ersten Zwischenlagers, bis zu 20 Meter aufgetürmt, vorübergehend unter einer Erdschicht verschwinden soll. Mieth und seine Mitstreiter halten beispielsweise den hierfür notwendigen, kostenverur- sachenden Müll-Tourismus aus dem Leipziger Südraum gen Spröda für ökonomisch uneffektiv. Dabei liege die Lösung so nah - „quasi 500 Meter um die Ecke, auf dem Areal der überdimensionierten Deponie Cröbern“, sagt der unabhängige Umwelt- und Abfallberater des Vereins, Sieghard Weck. Um bei der Ersatzbrennstoffproduktion, wie sie gegenwärtig vonstatten gehe, kostendeckend arbeiten zu können, „müssten die KWD 115 Euro pro Tonne und nicht 90 Euro bekommen“. Das Ganze könne also nur in einem wirtschaftlichen Desaster enden.

Das sieht KWD-Geschäftsführer Heinz Böhmer ganz anders. Er wundert sich sehr über die Behauptung des Bürgervereins, sein Unternehmen bewege sich in Sachen Carbo-light-Produktion geradewegs auf den Abgrund zu. „Wie kommen die Herren zu einer solchen Behauptung?“, fragt er sich. „Wir wissen sehr genau, was wir tun. Wir kalkulieren auch sehr genau, haben dafür exzellente Berater.

Leipziger Volkszeitung, LOKALES, Delitzsch-Eilenburg, Seite 17, 31.03./01.04.2007


Karin Rieck

STANDPUNKT


Vertrauen und Kontrolle

Von Karin Rieck

Vertrauen ist gut, Kontrolle besser. Dieses geflügelte Wort verteidigt die Bürgerinitiative für ein sauberes Delitzscher Land verbissener, als manchem lieb ist. In Behörden und bei den Kreiswerken beispielsweise. Denn es gibt wieder Differenzen - wegen der Ablagerung sogenannter heizwertreicher Fraktionen (HWRF) auf der früheren Deponie im Ortsteil Spröda. Wobei die Betonung auf „früherer“ liegt. Denn gut zu erkennen ist, dass die Ballen mit den Rückständen der mechanisch-biologischen Abfallbehandlung in Cröbern an den alten Deponiekörper angebaut und dort abgedeckt werden. So ist es kein Wunder, dass Zweifel daran aufkommen, dass diese gut verwahrten Ballen einmal wieder ausgebuddelt und dann ökonomisch sinnvoll zu Brennmaterial verarbeitet werden. Schließlich pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass der Markt mit diesen Stoffen momentan überfüllt ist. Als im vergangenen Jahr damit begonnen wurde, in Spröda HWRF zwischenzulagern, hieß es, man habe nichts zu verbergen. Und solange diese Art Müllgeschäfte Fragen aufwerfen, sind Antworten notwendig. Es reicht also nicht zu sagen: Wir wissen, was wir tun. Vertrauen ist zwar gut, Kontrolle aber besser.

@k.rieck@lvz.de

Leipziger Volkszeitung, LOKALES, Delitzsch-Eilenburg, 31.03./01.04.2007, Seite 17


Radlader

Ganze (Bagger-)Arbeit: So sieht es aus, wenn auf dem Gelände der einstigen Deponie Spröda mit Folie umwickelte Ballen, die aus heizwertreichen Abfallresten bestehen, gerade mit einer Erdschicht bedeckt wurden. Irgendwann buddeln die Kreiswerke sie wieder aus und machen aus ihnen den Ersatzbrennstoff Carbo light.
Foto: Manfred Lüttich

Zwei Lager in Sachen Zwischenlager

Umweltinitiative kritisiert Genehmigungsverfahren um Einbau von Abfallresten in Spröda

Von Dominic Welters

Delitzsch. Es ist schon ein paar Tage her, da führte das Regierungspräsidium Leipzig (RP) im Delitzscher Kultur- und Sportzentrum einen sogenannten Erörterungstermin im Rahmen eines immissionsrechtlichen Genehmigungsverfahren durch (wir berichteten). Aktenzeichen 6.1.4-8823.12-08.14-19.400-01: Errichtung und Betrieb einer Anlage zum Lagern von nicht besonders überwachungsbedürftigen Abfällen auf der Gemarkung Spröda, Flur 1a. Zugegen waren Vertreter des RP, der Antrag stellenden Firma - die Kreiswerke Delitzsch GmbH (KWD) -, weitere Experten und zwei Einwände vortragende Bürger. Für Dietmar Mieth, den Sprecher des Bürgervereins Sauberes Delitzscher Land, und den Berater der Initiative, den Sandersdorfer Sieghard Weck, ein zutiefst frustrierender Vormittag. Die beiden Umweltaktivisten sprachen hinterher von einem „Theaterstück in zwei Akten, bei dem die mündlichen Ausführungen unsererseits zwar Gehör fanden, jedoch nicht ernst genommen wurden“.

Und das hatten Mieth und Weck auf dem Herzen: Sie halten das von den KWD angestrebte Langzeit-Zwischenlager auf dem Areal der ehemaligen Bauschuttrecyclinganlage neben der einstigen Mülldeponie Spröda nicht nur aus ökonomischer Sicht für fragwürdig, sondern darüber hinaus noch aus zwei anderen Gründen: Der Bürgerverein befürchtet zum einen, dass die nach Angaben der KWD zwei Dutzend Mal mit einer weißen Folie umwickelten Ballen aus heizwertreichen Fraktionen (HWRF) nach der Zwischenlagerung für die Produktion des Ersatzbrennstoffes Carbo light im Gewerbegebiet Delitzsch-Südwest gar nicht mehr zu gebrauchen sind. Und zum anderen, dass die Brandgefahr bei dem Material unterschätzt wird.

Bei ihren Zweifeln gehen die Zweifler davon aus, dass die Schutzfolie entweder schon beschädigt ist, wenn die Ballen auf dem Deponie-Areal eingebaut werden, oder dass viele der Müllpakete irgendwann aufgrund des Stapelns bis zu einer Höhe von 20 Metern Risse erhalten. Denn, so Diplom-Chemiker Weck, auf die untersten Ballen drückt bei der genannten Stapelhöhe eine Last von 13 Tonnen pro Quadratmeter. „In der Anhörung wurden die biochemischen Reaktionen leichtfertig abgewiesen“, sagt Vereinsberater Weck. Bei den Zersetzungsreaktionen, denen das biologische Material wie Holz, Pappe, Papier oder Lebensmittelresten durch Bakterien und Pilzen unterliegt, würden sich beispielsweise Kohlendioxid und Methangas bilden. Es sei daher davon auszugehen, „zumal bei der besonderen Drucksituation“, dass Ballen platzen. „Dann dringt Sauerstoff ein, der weitere Reaktionen hervorruft.“ Diese könnten eine Selbstentzündung zur Folge haben. Insgesamt habe er den Eindruck, dass die speziellen Veränderungsmechanismen ob der hohen Drücke von den Kreiswerken nie oder nicht intensiv genug untersucht worden seien. Geradezu entsetzt sei er gewesen, dass das eingereichte Brandschutzgutachten von Zuständen wie bei einem Cröberner Zwischenlager ausgeht. „Dort aber herrschen relativ normale Bedingungen“, hält Weck dagegen. Eine solche Analogie ins Feld zu führen, sei nahezu unverantwortlich. Ähnlich verhalte es sich mit einem KWD-Gutachten zur Verwertbarkeit, dass von Erfahrungen in Schweden ausgeht, die auf Spröda ebenfalls nicht übertragbar seien.

Letztendlich, klagt auch Bürgervereins Chef Mieth, würden den Kreiswerken eigene praktisch gewonnene Erkenntnisse zum Langzeitverhalten der zwischenzulagernden Fraktionen fehlen - „und das, obwohl der Antragsteller seit längerem für all diese wichtigen Untersuchungen auf entsprechendes Material zurückgreifen kann“. Nämlich ebenfalls in Spröda, wo bekanntlich seit August 2006 ein erstes kleineres, bis November 2007 befristetes Zwischenlager für HWRF existiert.

In einer Stellungnahme des Regierungspräsidiums zu dem Erörterungstermin in der Sporthalle an der Karl-Marx-Straße heißt es moderat-ausgleichend, die Einwender hätten „in einer sachlichen Atmosphäre“ die Möglichkeit genutzt, ihre Bedenken gegen das Vorhaben vorzutragen. Die Ergebnisse des Termins würden Eingang in die Entscheidung des Regierungspräsidiums über Genehmigung oder Ablehnung finden. Für Heinz Böhmer, den Geschäftsführer der Kreiswerke, steht außer Frage, wie das RP befinden wird. „Wir rechnen fest mit der Genehmigung. Unsere eingereichten Unterlagen sind hieb- und stichfest.“ Die Gefahr eines Qualitätsverlustes bei den Fraktionen durch die Zwischenlagerung in zwei Schichten, die zusammen 20 Meter ergeben, hätten Sachverständige der Technischen Universität Dresden verneint. Und auch die Erfahrungen aus Skandinavien seien sehr wohl nützlich. „Wir wissen sehr genau, was wir tun“, betonte der KWD-Chef.

Jetzt muss nur noch das RP wissen, was es tut. Laut Sprecher Stefan Barton soll im zweiten Quartal dieses Jahres feststehen, wohin die Reise für Spröda und für die Tonnen von heizwertreichen Fraktionen aus der Mechanisch-Biologischen Abfallbehandlungsanlage in Cröbern geht. Bis 2010 sollen auf der ehemaligen Schuttrecyclinganlage 200.000 Tonnen gelagert werden.

Leipziger Volkszeitung, DELIZSCH und UMGEBUNG, Seite 19



Hintergrund


Fraktionen und Carbo light

Die heizwertreichen Fraktionen (HWRF) fallen bei bestimmten Verfahren der mechanisch-biologischen Abfallbehandlung an. In der Regel werden sie nach der mechanischen Behandlung und Sortierung, eventuell auch Trocknung, des Inputgemisches vor Eintritt in die biologische Aufbereitungsstufe abgetrennt. Sie haben einen durchschnittlichen Heizwert von 15.000 bis 18.000 Kilojoule pro Kilogramm und eignen sich zur thermischen Verwertung. Ein alternativer Brennstoff wie Carbo light, den die Kreiswerke Delitzsch aus den HWRF herstellen, soll einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgung leisten. Angesichts der angespannten Situation bei Öl und Gas sei die Ersatzbrennstoffproduktion „ein Zukunftsmarkt“, heißt es in der Branche. Abfall-Experten rechnen damit, dass weitere Kraftwerke gebaut werden, die für die Verarbeitung von Alternativbrennstoffen wie Carbo light geeignet sind.

Neben Spröda lagern die Kreiswerke Delitzsch (KWD) „Zutaten“ zur Carbo-light-Herstellung - in diesem Fall Mischkunststoffe - auf dem ehemaligen Ziehwerk-Gelände in Delitzsch. Die dortigen Abfallballen waren im vergangenen Jahr Ausgangspunkt einer Kakerlaken-Invasion durch ein angrenzendes Wohngebiet im Ortsteil Döbernitz gewesen (wir berichteten). Hinsichtlich dieses Zwischenlagers kündigte KWD-Geschäftsführer Heinz Böhmer jetzt an, sein Unternehmen habe gerade eine Verlängerung beantragt. Ursprünglich galt die Genehmigung nur bis Ende nächsten Monats. Böhmer hofft, dass das „operative Lager“ Ziehwerk nur noch bis Mitte des Jahres benötigt wird.

Aber auch außerhalb des Landkreises steuern Laster im Auftrag der KWD Plätze an, wo HWRF zwischengelagert werden; darunter das Gelände einer Firma im brandenburgischen Senftenberg. dom

Leipziger Volkszeitung, DELIZSCH und UMGEBUNG, Seite 19


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