LeserbriefeUnsere Heimat ist keine Müll-KippeZu den Beiträgen „Kakerlaken-Halle: RP-Kontrolleure zufrieden“ vom 12. Juli 2006 sowie „Kakerlaken-Plage am Ziehwerk“ vom 23. Juni 2006.
Eigentlich sollten doch die zahlreichen von Kakerlaken geplagten Anwohner der von den Kreiswerken Delitzsch als Abfalllager umgenutzten ehemaligen Ziehwerkhallen aufatmen können. Experten des Regierungspräsidiums (RP) Leipzig bescheinigen dem Betreiber in allen Punkten Genehmigungskonformität. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Das Ungeziefer lässt sich von den Aussagen der Kontrollprofis nicht beeindrucken. Während die Kontrolleure ihrer Arbeit nachgingen, liefen einige Schaben ungeniert in praller Sonne eine Hauswand in der angrenzenden Wohnbebauung empor. Andere Fachleute wissen, dass derartiges Verhalten der Schaben immer auf einen sehr starken Befall hindeutet. Die gezückte Trumpfkarte der RP-Sprecherin, „dass das RP sich nicht um die Kakerlaken kümmert, sondern ausschließlich um die immissionsschutzrechtlichen Belange“, erscheint besonders kurzsichtig. Unstrittig besteht ein kausaler Zusammenhang zwischen dem wohl nicht genehmigungskonformen Ablagern von penetrant stinkenden, also geruchsintensiven Abfällen ab Spätherbst des vergangenen Jahres und der jetzigen akuten Kakerlakenplage. Bereits am 12. Dezember 2005 unterrichtete ich den zuständigen leitenden Mitarbeiter im Bereich Umwelt des RP über die unhaltbaren Zustände und den nach verdorbenen Lebensmitteln auf der angrenzenden Straße wahrnehmbaren Gestank. Ich nehme sehr wohl an, dass die kurz zuvor erteilte Genehmigung, zur besagten Zwischenlagerung der Abfälle erinnerlich war. Diese Genehmigung schloss die Ablagerung „geruchsintensiver Abfälle“ kategorisch aus und damit wurde unter anderem der Weg für den am 30. September 2005 vom RP erteilten Bescheid zur Ablagerung der Abfälle erst geebnet. Das von der Geschäftsführung der Kreiswerke Delitzsch (KWD) ausgerufene Ziel, den Kakerlaken „zu 1000 Prozent den Garaus“ machen zu wollen, ist erfahrungsgemäß utopisch. Es handelt sich hierbei lediglich um markige Worte ohne inhaltliche Substanz. Darüber hinaus wird ausgeblendet, dass das hier angewandte permethrinhaltige Bekämpfungsmittel und eventuell auch die anderen eingesetzten Insektizide gesundheitsschädliche Nebenwirkungen haben und damit toxikologisch bedenklich sind. So hat beispielsweise die US-Umweltbehörde EPA Permethrin als möglicherweise krebserregend eingestuft. Wurden die Anwohner darüber informiert? Scheinbar gibt man in der Chefetage der KWD nur immer das zu, was unwiderlegbar an die Öffentlichkeit gelangt. Anders kann ich mir das Dementieren des stellvertretenden Geschäftsführers der Kreiswerke, Herrn Dr. Freitag, in der LVZ vom 23. Juni 2006 nicht erklären. Er erläuterte, dass es sich nicht um heizwertreiche Abfälle aus Cröbern handle, sondern um „Mischkunststoffe“. Was stimmt nun? In dem mir vorliegenden Schreiben vom 29. September 2005 erklärten die Kreiswerke-Geschäftsführung dem RP im Rahmen der Genehmigungsbeantragung: „(...) zwischengelagert werden ausschließlich HWRF (heizwertreiche Fraktionen), die aus der MBA in Cröbern stammen“. Das Problem ist bekannt: Derzeit bereitet man sich auf ein förmliches Genehmigungsverfahren zur Zwischenlagerung der in der MBA Cröbern anfallenden Abfälle auf der Deponie Spröda vor. Da passen die Kakerlaken nicht ins Konzept. Das 50-fache der im Ziehwerk liegenden Menge soll dort gestapelt werden können. Somit soll die Ablagerung von 200000 Tonnen Müll legitimiert werden. Laut Zeitungsberichten ist das Cröberner Lager bereits Ende Juli 2006 voll. Zu wenig Zeit also für die ordnungsgemäße aber langwierige Genehmigung mit Öffentlichkeitsbeteiligung. Notgedrungen entschloss man sich deshalb ein für höchstens ein Jahr nutzbares Lager mit einer Kapazität von 48300 Tonnen HWRF beim RP zu beantragen. Somit versucht man zunächst ohne umfassendes Genehmigungsprozedere auszukommen. Was muten die kommunalen „Müllbarone“ dem Abgaben-Volk noch alles zu? Warum wurde bisher kein schlüssiges Abfallwirtschaftskonzept für die Region erarbeitet? Fragen bleiben ohne überzeugende Antworten. Eines ist mir klar: Es geht schon lange nicht mehr um die Begrenzung von Müllgebühren, sondern möglicherweise um die Bedienung problematisch gewordener Verpflichtungen. Unsere Heimat ist keine Kippe für fremden Müll! Dietmar Mieth, LVZ, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, Leserbriefe, 22./23.07.2006 |