Bürgerverein Sauberes Delitzscher Land e.V. Zschepen, den 18. Juli 2006 Leipziger Volkszeitung LeserbriefSehr geehrter Herr Welters, ich bitte um die Veröffentlichung meines nachfolgenden Leserbriefes zu den LVZ-Artikeln „Kakerlaken-Halle: RP-Kontrolleure zufrieden“ vom 12. Juli 2006 sowie „Kakerlaken-Plage am Ziehwerk“ vom 23. Juni 2006. Mit freundlichen Grüßen Dietmar Mieth Die Spitze des „Eisberges“ ist gut zu sehen, leider auch zu riechenEigentlich sollten doch die zahlreichen von Kakerlaken geplagten Anwohner der von den Kreiswerken Delitzsch als Abfalllager umgenutzten ehemaligen Ziehwerkhallen aufatmen können. Experten des Regierungspräsidiums (RP) Leipzig bescheinigen dem Betreiber in allen Punkten Genehmigungskonformität. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Das Ungeziefer lässt sich von den Aussagen der Kontrollprofis nicht beeindrucken. – Während die Kontrolleure ihrer Arbeit nachgingen, liefen einige Schaben ungeniert in praller Sonne und vor laufender MDR-Kamera eine Hauswand in der angrenzenden Wohnbebauung empor. Andere Fachleute wissen, dass derartiges Verhalten der Schaben immer auf einen sehr starken Befall hindeutet. Die gezückte Trumpfkarte der RP-Sprecherin, „dass das RP sich nicht um die Kakerlaken kümmert, sondern ausschließlich um die immissionsschutzrechtlichen Belange“ erscheint besonders kurzsichtig. Unstrittig besteht ein kausaler Zusammenhang zwischen dem wohl nicht genehmigungskonformen Ablagern von penetrant stinkenden, also geruchsintensiven Abfällen, ab Spätherbst des letzten Jahres und der jetzigen akuten Kakerlakenplage. Bereits am 12. Dezember 2005 (15.43 Uhr) unterrichtete ich den zuständigen leiten den Mitarbeiter im Bereich Umwelt des RP Leipzig über die unhaltbaren Zustände und den nach verdorbenen Lebensmitteln auf der angrenzenden Straße wahrnehmbaren Gestank. Ich nehme sehr wohl an, dass die kurz zuvor, auch von ihm zur Kenntnis genommene Genehmigung, zur besagten Zwischenlagerung der Abfälle, erinnerlich war. Diese Genehmigung schloss die Ablagerung „geruchsintensiver Abfälle“ kategorisch aus und damit wurde u.a. der Weg für den am 30. September 2005 vom RP erteilten Bescheid zur Ablagerung der Abfälle erst geebnet. Die lapidare Antwort dieses Gesprächspartners lautete: „Na gut, da kann man sicher auch unterschiedlicher Ansicht sein.“ Am grünen Tisch ist es eben leicht, unterschiedlicher Ansicht zu sein. Vom Aussitzen wird das Problem nicht gelöst! Kreiswerke-Geschäftsführer Böhmer konstatierte gegenüber dem MDR „Erstmalig wurde es“(gemeint ist der Schabenbefall) „Anfang Mai festgestellt, bei der Kontrolle durch die Firma GSE. Diese haben an den Stellen, wo sie die Kakerlaken gefunden haben auch eine Barriere darumgelegt.“ Bei der weiteren zeitlichen Abfolge helfe ich gern weiter: Am 15. Juni 2006, also ca. 6 Wochen später ist die Plage unübersehbar und ein Anwohner informiert die zuständige Mitarbeiterin in der Gesundheitsbehörde des Landratsamtes. Frau Marlis Fischer, auch CDU-Stadtratsvorsitzende, erfährt über den massiven Befall seines Grundstückes. Der Ursprung der Plage ist unübersehbar. Die Kakerlaken liefen ungehindert Tag und Nacht zu Tausenden aus ihrer Brutstätte, dem Ziehwerk. Erst am 20. Juni 2006 wurde eine so genannte Barriere im Inneren der Hallen mittels Insektizidpulver errichtet. Leider viel zu spät, da das gesamte Umfeld bereits verseucht ist. Ist Frau M. Fischer die exorbitante Vermehrungsrate der Kakerlaken nicht bekannt? Die ersten Bekämpfungsmaßnahmen in Gärten und Wohnungen der Anwohner erfolgte am 24. Juni 2006, so die Aussage einer Betroffenen. Am 29. Juni 2006 erfolgt nach vorangegangener tagelanger Abdichtung die vollständige Begasung der Hallen. Das von der KWD-Geschäftsführung ausgerufene Ziel, den Kakerlaken zu 1000 Prozent den Geraus machen zu wollen, ist erfahrungsgemäß utopisch. Es handelt sich hierbei lediglich um markige Worte, ohne inhaltliche Substanz. Darüber hinaus wird ausgeblendet, dass das hier angewandte‚ permethrinhaltige Bekämpfungsmittel und eventuell auch die anderen eingesetzten Insektizide gesundheitsschädliche Nebenwirkungen haben und damit toxikologisch bedenklich sind. So hat z.B. die US-Umweltbehörde EPA Permethrin als möglicherweise krebserregend eingestuft. Wurden die Anwohner darüber informiert? Die Aussagen des Chefs des beauftragten Sicherheitsdienstes vor einem MDR-Team, wonach seit Dezember 2005 ständig nachts ein Wachposten zugegen wäre, kann von uns nicht bestätigt werden. Wieso bemerkte der ominöse Wachposten das im Juni auf einige Millionen Tiere angewachsene Kakerlakenheer nicht? Fotos beweisen, dass seine „Bauwagen-Unterkunft“ doch sichtbar neben dem in der Halle abgelagerten Müllberg stand. Eine zweifelhafte Behauptung, dass im Bedarfsfall Feuerlöscher ausreichend vorhanden wären, folgte. Fotos, die das Innere der Ziehwerkhallen dokumentieren, lassen an den benannten Stellen keine Feuerlöscher erkennen, obwohl die zwischengelagerten brennbaren Abfälle mit sehr hohem Brandpotential insbesondere unter dem Aspekt des vorbeugenden Brandschutzes bzw. der effektiven Brandbekämpfung jederzeit den Bedarfsfall begründen sollten, zumal bei analogen Zwischenlagerungen an anderen Orten in der Vergangenheit mehrfach problematische Brand ereignisse durch Selbstentzündung aufgetreten sind. Scheinbar gibt man in der Chefetage der Kreiswerke nur immer das zu, was unwiderlegbar an die Öffentlichkeit gelangt. Anders kann ich mir das Dementieren des stellvertretenden Geschäftsführers der Kreiswerke, Herrn Dr. Freitag, in der LVZ vom 23. Juni 2006 nicht erklären. Er erläuterte, dass es sich nicht um heizwertreiche Abfälle aus Cröbern handle, sondern um „Mischkunststoffe“. Was stimmt nun? In dem mir vorliegenden Schreiben vom 29. September 2005 erklärten die Kreiswerke-Geschäftsführung dem RP Leipzig im Rahmen der Genehmigungsbeantragung: „...zwischengelagert werden ausschließlich HWRF,“ (heizwertreiche Fraktionen) „die aus der MBA in Cröbern stammen“. Das Problem ist bekannt: Derzeit bereitet man sich auf ein förmliches Genehmigungsverfahren zur Zwischenlagerung der in der MBA Cröbern anfallenden Abfälle auf der Deponie Spröda vor. Da passen die Kakerlaken nicht ins Konzept. Das 50fache der im Ziehwerk liegenden Menge soll dort, bis zu 20 Meter hoch, gestapelt werden können. (Das ist technisch kaum zu verwirklichen, da die untersten Ballenlagen dem Druck nicht Stand halten!) Somit soll die Ablagerung von 200.000 Tonnen Müll legitimiert werden. Laut Zeitungsberichten ist das Cröberner Lager bereits Ende Juli 2006 voll. Zu wenig Zeit also für die ordnungsgemäße aber langwierige Genehmigung mit Öffentlichkeitsbeteiligung. Notgedrungen entschloss man sich deshalb ein für höchstens ein Jahr nutzbares Lager mit einer Kapazität von 48.300 Tonnen HWRF beim RP zu beantragen. Somit versucht man zunächst ohne umfassendes Genehmigungsprozedere auszukommen. Die Kreiswerke konnten zwar bis zum heutigen Tag der Öffentlichkeit noch keine Verwertungsstrategie für dieses Material aufzeigen, aber dennoch schloss man vermutlich grob fahrlässig einen Abnahmevertrag mit dem WEV Cröbern. Nach unserem Kenntnisstand lag die Verwertungsquote in den zurückliegenden Jahren in den werkseigenen Ersatzbrennstoffproduktionsanlagen in Delitzsch-Südwest und Radefeld u.a. für die gleiche Stoffklasse (AVV 191210) bei nur 14 Prozent. Den Rest, ca. 180.000 Tonnen, beseitigte man auf den bis zum 01. Juni 2005 geöffneten ‚Billigdeponien’ Spröda, Lochau und Holzweißig. Wann und wo will man die HWRF denn verbrennen? Zur Erklärung: Etwa 40 Prozent ihres Jahresumsatzerlöses machten die Kreiswerke mit diesem Verwertungsdeal. Hinzu kamen die Deponie-Umsatzerlöse von etwa 17 Prozent. Hausmüllentsorgung, das eigentliche Geschäftsfeld eines kommunalen Entsorgungsbetriebes, blieb mit etwa 8 Prozent weit abgeschlagen zurück (Angaben aus Jahresabschluss 2004). Nach den Deponieschließungen sollte man kaum noch darüber reden müssen. Nur soviel sei gesagt: Die Kreiswerke-Geschäftsführung und ihr Aufsichtsratsvorsitzender, Landrat M. Czupalla, brauchen den Cröberner Müll als rettenden finanziellen Anker. 90 Euro erbringt die Abnahme jeder einzelnen Tonne. 115.000 Tonnen sollen jährlich kommen. Der Vertrag wurde ohne öffentliche Ausschreibung paraphiert. Man benötigt also das mit dem Cröberner Müll verdienbare Geld, um die eventuellen Ausfälle aus früheren unrealistischen Gewinnerwartungen und allem Anschein nach verschwundenen Rücklagen für die Deponien der Kreiswerke zu kompensieren. Offensichtlich ist die Verwertbarkeit nur leidiges Beiwerk. Was muten die kommunalen „Müllbarone“ dem Abgaben-Volk noch alles zu? Warum wurde bisher kein schlüssiges Abfallwirtschaftskonzept für die Region erarbeitet? Fragen bleiben ohne überzeugende Antworten. Eines ist mir klar: Es geht schon lange nicht mehr um die Begrenzung von Müllgebühren, sondern möglicherweise um die Bedienung problematisch gewordener Verpflichtungen. Unsere Heimat ist keine Kippe für fremden Müll!Dietmar Mieth |