Biotec-Chef wehrt sich erneut

Zu viel Blei in der Luft? Neue Vorwürfe gegen Pohritzscher Abfallbehandlungsanlage

Von Frank Pfütze

Pohritzsch. Seit Freitag liegen die kompletten Ergebnisse der Bodenproben in Pohritzsch vor. Das Büro Wessling und das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und Geologie bescheinigten durchweg Unterschreitungen der Richtwerte. Zuvor hatte Biotec-Geschäftsführer Jörg Schmidt von neun weiteren Messpunkten Proben nehmen lassen. Ergebnis: Auch hier liegen keine Überschreitungen der Grenzwerte vor. Inzwischen gibt es aber eine neue Mitteilung der Deutschen Umwelthilfe (DUH), wo- nach Staubniederschlagsmessungen eine bis zu 23-fache Überschreitung des Blei-Grenzwertes ausweisen (siehe Kasten). Das Unternehmen wehrt sich einmal mehr.

Die Umwelthilfe löste den Untersuchungs-Marathon in der Gemeinde vor zwei Wochen aus. Damals ging es jedoch um den Boden. Hochgiftiges Cadmium und Blei seien bei einer Bodenanalyse in einem Wohn- und Gewerbegebiet in der Nähe der Abfallbehandlungsanlage SDR Biotec Verfahrenstechnik in Pohritzsch gefunden worden (wir berichteten). Gleich zwei Ingenieur-Trupps waren daraufhin angereist, um im Erdmaterial nach Spuren von Arsen, Blei, Cadmium, Cyanide, Chrom, Nickel, Quecksilber und Thallium zu suchen.

Der Kreisverwaltung liegt jetzt die Bewertung der Bodenuntersuchungen des Landesamtes für Umwelt und Geologie vor. Gemäß dieser Untersuchung wird davon ausgegangen, dass die aktuellen Bodenbelastungswerte bei Blei und Cadmium – wie bereits mitgeteilt –, die festgesetzten Prüfwerte der Bundesbodenschutzverordnung nicht erreichen. Diese Bewertung untermauere die bereits am 14. Januar vom Landrats- amt Nordsachsen gegenüber Biotec angeordnete Bodenuntersuchung, heißt es in der am Freitag veröffentlichten Pressemitteilung der Behörde. Das Ergebnis ist für Geschäftsführer Schmidt eindeutig. Doch die Freude darüber währte nur kurz. Denn nun präsen- tiert die Deutsche Umwelthilfe Staubniederschlagsmessungen: Der Grenzwert für Blei werde um das 23-fache überschritten, fährt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch schwere Geschütze auf. Kreis-Umweltdezernent Ulrich Fiedler (SPD) sagte am Freitag auf Anfrage der Kreiszeitung dazu: „Es besteht die Notwendigkeit, die durch das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie gemessenen Staubemissionen der Anlage drastisch zu reduzieren. Die dazu erforderlichen Maßnahmen werden dem Unternehmen im Rahmen einer ergänzenden Anordnung durch das Landratsamt auferlegt. Darüber hinaus wird das Landratsamt weitere Untersuchungen im Umfeld der Anlage zur Abklärung eines möglicherweise bestehenden Restrisikos vornehmen.

Biotec-Chef Schmidt hatte weitere Aktivitäten der DUH erwartet: „Ich finde die Strategie der Umwelthilfe inzwischen unerträglich. Die Anlage unterliegt strengsten Kontrollmechanismen, die ich zusätzlich erweitert habe, um transparent und glaubwürdig zu sein. Seit 14 Jahren wurden bei uns keine Auffälligkeiten festgestellt. Ich bin davon überzeugt, dass dies so bleibt“, zeigte sich der 64-Jährige optimistisch – und veröffentlichte seinerseits eine Pressemitteilung. Die vom Anlagenbereich ausgehenden Staubkonzentrationen würden im unteren Bereich der Grenzwertanforderung nach den Technischen Anforderungen (TA) Luft liegen, welche mit 0,35 Gramm pro Quadratmeter und Tag festgelegt sei, heißt es darin. „Als höchste festgestellte Staubkonzentration wurde ein Wert von 0,113 und für alle weiteren Staubkonzentrationen Werte unter 0,1 Gramm pro Quadratmeter und Tag, also deutlich unter dem einzuhaltenden Grenzwert nach TA Luft, ermittelt. Die untersuchten Staubinhaltsstoffe Arsen, Blei, Nickel, Quecksilber, Thallium, Cadmium zeigen gemäß Grenzwertanforderungen der TA Luft für die Messperiode Dezember 2008 und Januar 2009 keine Auffälligkeiten. Die Staubinhaltsstoffe, vordergründig auch für die Parameter Blei und Cadmium, unterschreiten mehr oder weniger deutlich die Grenzwerte“, so der Geschäftsführer. Die vorgenannten Ergebnisse würden mit den jähr- lich durchgeführten arbeitsmedizinischen Untersuchungen der Anlagenmitarbeiter untersetzt, welche keine Auffälligkeiten hinsichtlich der biologischen Grenz- und Leitwerte für die gesundheitsrelevanten Parameter Arsen, Blei, Cadmium und Quecksilber im Blut und Urin dieser Mitarbeiter belegen.

Die Grenzwerte der TA Luft begründen sich auf einen Messzeitraum von einem Jahr. Deshalb haben die monat- lich ausgewerteten Staubniederschlagsproben diesbezüglich nur orientierenden Charakter. Ein Vergleich nach TA Luft ist erst nach einem Jahr korrekt. Die monatlich ausgewerteten Ergebnisse stellen keine Überschreitung der Grenzwerte der TA Luft dar“, teilte Diplom-Chemikerin Monika Schmidt, Außenstellenleiterin der Wessling-Laboratorien, Messstelle Lausitz, dazu mit. Diese Messstelle führt die Staub-Untersuchungen am Standort Pohritzsch durch.

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch-Eilenburg - LOKALES, Seite 17, 07./08.03.2009


Umwelthilfe fordert teilweise oder vollständige Stilllegung

Berlin (red). Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat in einer weiteren Pressemitteilung neue Untersuchungsergebnisse zu Biotec veröffentlicht und sofortige Schutzmaßnahmen für die Anwohner gefordert. Das sächsisches Umweltministerium habe der DUH amtliche Ergebnisse von Staubniederschlagsmessungen übergeben, die eine bis zu 23-fache Überschreitung des Grenzwertes für Blei ausweisen. DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch fordert deshalb den Stopp der Schwermetallemissionen durch eine teilweise oder vollständige Stilllegung der Anlage.

Die vom Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie und dem Anlagenbetreiber nach der ersten DUH-Veröffentlichung veranlassten Bodenanalysen bestätigten die Ergebnisse der Staubimmissionsmessungen im Grundsatz, heißt es. „Die Schwermetallkonzentration steigt mit der Nähe zur Anlage. Darüber hinaus liegen die festgestellten Schwermetallkonzentrationen im Oberflächenmaterial fast ausnahmslos höher als in tieferen Erdschichten.

Die DUH hatte in der Vorwoche eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den nordsächsischen Landrat Michael Czupalla (CDU) und den Präsidenten der Landesdirektion Leipzig, Walter Christian Steinbach (CDU), eingereicht und Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt. „Den Behörden lagen bereits im Oktober Messergebnisse vor, die in der Umgebung der Abfallbehandlungsanlage enorme Bleibelastungen im Staub auswiesen. Wir fordern eine lückenlose Aufklärung, wie es passieren konnte, dass die Behörden nicht sofort mit dem Ziel gehandelt haben, den nicht ordnungsgemäßen Betrieb der Anlage zu unterbinden“, erklärte Maria Elander von der DUH.

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch-Eilenburg - LOKALES, Seite 17, 07./08.03.2009


 »»» weitere Zeitungsartikel

 »»» zur Startseite