Czupalla ruft zu Mut und Optimismus aufLandrat von Nordsachsen blickt im Kreisszeitungs-Interview zurück und vorausNordsachsen. Die Kreisreform ist fünf Monate jung, die NPD sitzt auch in Nordsachsen im Kreistag, die Kreiswerke Delitzsch stehen im Dauerstreit mit dem Zweckverband Abfallwirtschaft (ZAW) und das Jahr 2009 wird in einem Satz mit den Worten Krise und Rezession genannt. Die Kreiszeitung sprach darüber mit Landrat Michael Czupalla (CDU). Frage: Wie sinnvoll erscheint Ihnen die Funktional- und Verwaltungsreform im sechsten Monat nach ihrer Einführung? Michael Czupalla: Für mich war es ein richtiger Schritt. Die Reform ist geglückt und richtig umgesetzt. Das eine oder andere steht noch auf dem Prüfstand, darüber beraten wir. Ist es gut, dass die Reform bisher ziemlich geräuschlos verläuft? Wir haben die Veränderungen zwei Jahre intensiv vorbereitet. Wenn wir heute von geräuschlos sprechen, ist das zweifellos ein flächendeckender Verdienst aller Beteiligten. Ich spüre ein breites Engagement unserer Oberbürgermeister und Bürgermeister. Es kommt immer darauf an, wie tief man in solche Prozesse eindringt. Woran lässt sich die von Ihnen angesprochene geglückte und richtige Reform messen? Wir sind sehr schnell zu konkreten Umsetzungsformen gelangt, haben uns auch über Pannen verständigt, die passieren könnten, die sind ausgeblieben. Wann folgen die nächsten Reformen und mit welchen Strukturen? Unsere Arbeit steht ständig auf dem Prüfstand. Jetzt haben wir Zeit zum Arbeiten. Die nächsten Etappen werden folgen. Was waren Ihre Höhen und Tiefen 2008? Auf der positiven Seite stehen sicherlich die Reformen und meine erneute Wahl zum Landrat. Ich bin mir dieser Aufgabe und Verantwortung bewusst. Negativ bleibt der Irrglaube in Erinnerung, wir seien bei einem stabilen wirtschaftlichen Wachstum angelangt. Also bleibt auch die Finanzkrise haften. Betonen möchte ich, dass die Sparkassen sicher sind. Die Sparkassen müssen keine staatlichen Hilfen in Anspruch nehmen. Sie bleiben die Banken des Mittelstandes. Straftaten mit rechtsradikalem Hintergrund nehmen zu. Deutschland diskutiert momentan über den Kampf gegen Rechts. Leipzigs OBM Burkhard Jung will die NPD im Stadtrat verhindern. Wie gefährlich ist die NPD in Nordsachsen? Extremismus ist immer gefährlich, dem muss an der Basis der Demokratie der Kampf angesagt werden. Darum haben wir eine Arbeitsgruppe gegen Extremismus gegründet. Wenn die NPD im Kreistag anregt, einen Ausländerrückführungsbeauftragten zu installieren, hat dann nicht auch die Aufklärung versagt? Müssen den Menschen nicht viel stärker die Augen geöffnet werden, müssen die Nordsachsen nicht mehr darüber aufgeklärt werden, was die Nazis mit solchen Parolen bezwecken? Aufklärung ist wichtig, natürlich brauchen wir sie. Mich stimmt optimistisch, wie die anderen Fraktionen und Kreisräte mit diesem Thema umgehen. Das ist eine gute Grundlage für unsere Arbeit. Wir brauchen aber auch ein breites Bündnis von Gewerkschaften, Kirchen, Bildungsträgern, Medien und anderen demokratischen Verantwortungsträgern, um zusammenzuarbeiten. Die Investitionsverschuldung des Kreises liegt bei 85 Millionen Euro. Der neue Verwaltungshaushalt umfasst knapp 200 Millionen Euro. Was lässt der Haushalt zu? Am 19. Januar wollen wir uns im Ältestenrat mit dem Beigeordneten für Finanzen, Kai Emanuel, über erste Vorstellungen verständigen. Ich bitte um Verständnis, dass ich diesem Termin nicht vorgreifen kann. Uns stehen ungefähr zehn Millionen Euro für sogenannte freiwillige Aufgaben zur Verfügung. Das Jahr 2009 wird vor allem mit vielen Befürchtungen und mit Wachstumsrückgang in Verbindung ebracht. Was befürchten Sie für Nordsachsen? Ich gehöre trotz aller Probleme, die wir haben und die auf uns zukommen, nicht zu denen, die in die Glaskugel schauen und Schlechtes prophezeien. Können Sie die Befürchtungen entkräften? Wir wissen, was auf uns zukommt. Die Wirtschaft ist gut aufgestellt. Wir sollten uns hier an anderen europäischen Ländern, die auch betroffen sind, ein Beispiel nehmen. Wir werden weiter investieren. Nordsachsen hat eine starke Wirtschaftsförderung, es deuten sich eine Reihe von Ansiedlungen an, die durchaus zu Optimismus berechtigen. Das Ende der Finanzkrise ist nicht absehbar. Ich gehe davon aus, dass wir ab 2010 erkennen werden, in welche Richtung es geht. Zukunft lebt von Ideen und Visionen, vielleicht schauen Sie für unsere Leser doch einmal in die Glaskugel? Ich habe mich sehr über die Vorgänge in der Landeshauptstadt gewundert. Da bemüht sich die Regierung um ein Unternehmen in Dresden (Im Ringen um eine Lösung für den angeschlagenen Dresdener Speicherchiphersteller Qimonda hat der Freistaat Sachsen ein Darlehen in Höhe von 150 Millionen Euro angeboten; Anm. d. Red.). Qimonda war in den vergangenen Jahren sicherlich ein Aushängeschild in Sachsen. Die Regierung ist nicht nur mit Worten und Wünschen an dieses Unternehmen herangetreten, sondern hat eine großzügige Unterstützung angeboten. Die Bereitschaft dieses Konzerns ist jedoch gleich null, das macht mir große Sorgen. Heißt das, dass der Freistaat das Geld noch hat. Richtig. Wenn so ein großer Konzern nicht will, muss der Mittelstand gefördert werden. In Dresden ging es um 1000 Arbeitsplätze. Aber um die geht es auch bei uns. Wir sind in Sachsen zehn Landkreise. Das wären für jeden Landkreis 15 Millionen Euro. Wofür würden Sie das Geld ausgeben? Für Infrastruktur, Bildung, Krankenhäuser, Kultur- und Sporteinrichtungen. Die Aufträge müssten ausschließlich an einheimische Firmen vergeben werden. Damit würden wir mehr als 1000 Arbeitsplätze retten. Burkhard Jung fordert den Landkreis Nordsachsen dazu auf, in den Zweckverband Abfallwirtschaft Westsachsen einzutreten. Wie beurteilen Sie die aktuellen Meinungsverschiedenheiten mit dem Verband und die Situation der Kreiswerke Delitzsch? Ich habe dem Leipziger Oberbürgermeister bereits im Oktober 2007 einen Brief geschrieben und darum gebeten, mir die Rahmenbedingungen für den Beitritt mitzuteilen. Eine Antwort habe ich bis heute nicht erhalten. Ansonsten sind wir in Gesprächen. Was soll dabei herauskommen? Wir brauchen ein gemeinsames Abfallwirtschaftskonzept für den Regierungsbezirk Leipzig. Bundestags- und Landtagswahlen sind getrennt, finden im August und im September statt. Wie sinnvoll ist das, bei der aktuellen Politikverdrossenheit, die Menschen mehrmals zum Urnengang aufzufordern? Ich begrüße das sehr, weil es die Bedeutung und Wertigkeit von Land und Bund unterstreicht. Was möchten Sie den Nordsachsen mit ins neue Jahr geben? Neben allen guten Wünschen vor allem Orientierung, Mut und Optimismus. Dass wir uns als starker Kern in der Bundesrepublik positionieren, im Bildungswesen weiter voranschreiten, unsere deutsche Sprache pflegen, dass wir stolz sein können auf unsere deutsche Sprache, unsere Fahne und unsere Nationalhymne. Ich möchte daran erinnern, dass wir auf 20 Jahre friedliche Revolution blicken. Der für viele unerwartete Erfolg der Währungseinheit Euro sollte uns veranlassen, die Einheit Europas weiter voranzutreiben. Wir benötigen dazu schnell eine gemeinsame Verfassung, Wirtschaftsund Verteidigungspolitik. Ich möchte auch dazu aufrufen, dass alle Nordsachsen wählen gehen und ihr Recht auf demokratische Mitbestimmung ausüben. Interview: Frank Pfütze Leipziger Volkszeitung, DELITZSCH LOKALES, Seite 15, 07.01.2009 |