Müll-Streit erreicht neue QualitätZweckverband verklagt Landkreis Nordsachsen – und verlangt sieben Millionen Euro SchadenersatzMonatelang schien es so, als sei der Ende 2005 aufgeflammte Streit zwischen den Kreiswerken Delitzsch (KWD) und dem Zweckverband Abfallwirtschaft Westsachsen (ZAW) beigelegt worden. Doch jetzt erreicht er eine neue Qualität: Der ZAW klagt gegen den Kreis Delitzsch, nunmehr Kreis Nordsachsen, auf mehr als sieben Millionen Euro Schadenersatz. Heute findet die Verhandlung im Verwaltungsgericht statt. Die Summe sei angefallen, weil die KWD sich nicht an die vertraglich vereinbarte Abnahme der sogenannten heizwertreichen Fraktion gehalten hätten, lautet die Begründung des ZAW. Zu ihm gehören die Stadt und der Landkreis Leipzig. 2002 wurde zwischen den beiden Partnern eine öffentlich-rechtliche Zweckvereinbarung unterzeichnet, 2004 die Kooperation auf privatrechtlicher Ebene geregelt. Der ZAW hält 51 Prozent der Anteile an der Westsächsischen Entsorgungs- und Verwertungsgesellschaft (WEV). Diese betreibt die Deponie Cröbern. Per Vertrag verpflichtete sich die WEV, Delitzscher Abfälle in der mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlage Cröbern zu sortieren, zu zerkleinern, zu verdichten und teilweise kontrolliert verrotten zu lassen. Diese Behandlung ist per 1. Juni 2005 gesetzlich vorgeschrieben. Zudem wurde innerhalb der Kooperation festgelegt, dass der Rest des behandelten Mülls, also die heizwertreiche Fraktion, retour geht – zu den KWD. Die verarbeiten das Material weiter zum Ersatzbrennstoff für die Zementindustrie. Doch weil die Qualität des Materials aus Cröbern zu wünschen übrig ließ, verweigerten die KWD die Abnahme der zugesicherten Mengen. ZAW-Geschäftsführer Holger Bauernfeind räumt heute die Anlaufschwierigkeiten der Behandlungsanlage sogar offen ein: „Was da in den ersten Wochen raus kam, konnte man nicht benutzen.“ Doch danach habe sich die Qualität deutlich verbessert. Der Abnehmer hielt jedoch weiter an seiner Kritik fest. Die Feuchtigkeitswerte seine zu hoch, hieß es. „In der Zweckvereinbarung steht aber nur der Heizwert drin und der stimmte“, so Bauernfeind. Weil Delitzsch sich weigerte, Material anzunehmen, hätte es „zu völlig anderen Konditionen abgestoßen“ werden müssen. Geplant gewesen sei, dafür 65 Euro pro Tonne zu löhnen. „Es waren dann bis 180 Euro.“ Zudem mussten Zwischenlager errichtet werden, die allein 1,7 Millionen Euro gekostet hätten. „Das Ganze hat uns an den Rand des Ruins gebracht.“ Immer wieder hatte es auch geheißen, die KWD bekämen ihre Ersatzbrennstoffe nicht los. Geschäftsführer Heinz Böhmer weist solche Vorwürfe zurück – und verweist auf eine neue 4,7 Millionen Euro teure Anlage, die erst kürzlich in Bernburg in Betrieb ging. In der Anfangsphase werden jährlich 60.000 Tonnen des Ersatzbrennstoffes Carbo light produziert, später sollen es 120.000 Tonnen sein. „Wir nehmen heute von Cröbern alles ab, was dort produziert wird. Wie vertraglich vorgesehen.“ so Böhmer. Die Klage wolle er nicht kommentieren und verweist auf den Beklagten, den Kreis. Aber auch Landrat Michael Czupalla (CDU) mochte sich gestern dazu nicht äußern: „Ich warte erst mal das Ergebnis ab.“ Sollte sich der Absatz der heizwertreichen Fraktion in Zukunft für den ZAW günstiger gestalten, derzeit bezahlt er laut Bauernfeind für die Tonne mehr als 84 Euro, dann hätte dies auch Auswirkungen auf die Müllgebühren. „Gleiches geschieht, wenn wir die mehr als sieben Millionen Euro bekommen. Dann dürften dies sich langfristig positiv bei den Gebühren niederschlagen“, so der ZAW-Chef. Peter Krutsch Leipziger Volkszeitung, LEIPZIG, Seite 10, 10.09.2008 |