Mehrheit gegen BürgerentscheidVon Dominic Welters und Karin RieckDelitzsch. Gegen Ende der Stadtratssitzung am Donnerstagabend gingen mit Bürgermeister Gerhard Denef (CDU), bis dahin um die moderaten Töne bemüht, ein wenig die Gäule durch. Es wurde persönlich. Auf die Frage von Sven Kasubek, einem der Vertretungsberechtigten des Bürgerbegehrens gegen den Verkauf von 37,375 Prozent der Anteile an den Technischen Werken Delitzsch (TWD), man sei über die prompte Umsetzung des Beschlusses vom 27. September 2007 bis zum Schluss im Unklaren gelassen worden, antwortete der Stellvertreter des Oberbürgermeisters vergleichsweise harsch und fast schon konsterniert: „Unsere Argumente standen in der Presse und wurden oft genug im Stadtrat erläutert. Wie hätten wir sonst jeden Bürger erreichen sollen? Über Flugblätter? Außerdem hatten wir keine Veranlassung, mit Leuten zu reden, die ihrem Hass gegenüber der Stadtverwaltung und dem Oberbürgermeister Ausdruck verleihen.“ Hass war weniger der Antrieb dafür, dass die Kritiker des Sechs-Millionen-Geschäfts mit Finanzinvestor H/H-Stadtwerkefonds Ende Oktober vorigen Jahres mit der Sammlung von mehr als 3400 Unterschriften begannen, von denen 3144 die Prüfung durch die Stadtverwaltung überstanden. „Wenn wir auch damit rechnen mussten, dass bereits während der Laufzeit des Bürgerbegehrens der Verkauf abgeschlossen sein könnte, so halte ich es für richtig, dass wir das Bürgerbegehren initiiert haben. Wir haben nahezu 5000 Delitzscher angesprochen und sie darüber aufgeklärt, was hier im Rathaus hinter verschlossenen Türen geschieht“, hatte Annelise Podsadny, Fraktionschefin der Linken und wie Kasubek Initiator der Aktion, vor der Abstimmung erklärt. Im Gegensatz zu Leipzig, wo der Stadtratsbeschluss zur Veräußerung der Anteile an den dortigen Stadtwerken einschließlich der Verträge und Konsortialvereinbarungen monatelang im Internet standen, seien die Kontrakte mit H/H und die Stadtratssitzungen in Delitzsch durchweg nicht öffentlich gewesen. „Dass Anteile in dieser Höhe verkauft werden sollen, wurde uns überhaupt erst am 3. September mitgeteilt. Damit standen den Mitgliedern des Stadtrates für die Prüfung der Verträge und die Suche nach anderen Lösungen nur dreieinhalb Wochen zur Verfügung.“ Dass die Abgeordneten und letztlich auch die Öffentlichkeit nicht genügend ins Bild gesetzt worden seien, das mochte Denef nicht auf sich sitzenlassen. Die Genesis der Umstrukturierungs- und Verkaufsbeschlüsse vom Juni und September 2007 hatte er schon vor Tagen sorgfältig zusammengetragen, sämtliche Sitzungen der zuständigen Gremien mit Beteiligung von Stadträten seit Januar 2006 hintereinander weg aufgeführt &nash; und mehr als 50 Veranstaltungen gezählt. Darunter auch die Information durch ihn, den Bürgermeister, an die Abgeordneten vom 29. November, dass am 23. November der Kaufpreis für die TWD-Anteile geflossen sei. Den Vorwurf, es mangele ihm und der Verwaltung am nötigen Demokratieverständnis, wies der Vize-OBM jedenfalls strikt zurück. „Es hat am 27. September eine eindeutige Entscheidung des Stadtrates gegeben, der von der Rechtsaufsicht genehmigt worden ist. Diesen hatten wir unverzüglich umzusetzen. Es ging schließlich darum, Verluste in Höhe von 5,3 Millionen Euro auszugleichen.“ Geld, das die Kommune zuvor an die inzwischen nicht mehr existente Stadtwerke Delitzsch GmbH ausgereicht hatte, damit die Holding ihre Verbindlichkeiten begleichen konnte. Die Kritik der Initiatoren, die Verwaltung habe während des laufenden Bürgerbegehrens vollendete Tatsachen geschaffen, sei also haltlos. Wie sich im Verlauf der anderthalbstündigen Debatte herausstellte, fanden am 26. Oktober gleich zwei bedeutende Ereignisse statt: Der Deal mit H/H wurde notariell beurkundet und somit rechtlich vollzogen und erstmals in der Geschichte Delitzschs startete ein Bürgerbegehren. Was jedoch vom ersten Tag an gegenstandslos gewesen sei, wie der Rechtsbeistand der Stadtverwaltung, die Leipziger Anwältin Gabriele Ondrusch, dem Plenum auseinanderlegte. Die Juristin war es auch, die kurz vor der Abstimmung auf die Frage von CDU-Mann Ralf Krippner, welche Auswirkungen denn ein erfolgreicher Bürgerentscheid für die Verträge haben würde, klipp und klar antwortete: „Keine.“ Unterm Strich stand eine mehr als eindeutige Entscheidung: 19 Stadträte lehnten die Zulässigkeit des Begehrens ab. Drei Räte enthielten sich der Stimme. Sechs votierten mit Ja und wollten den Bürgerentscheid: Annelise Podsadny, Monika Rauch, Wolfgang Herder, Albert Kunze und Siegfried Schuh (alle Fraktion Die Linke) sowie SPD-Mann Jörg Bornack. Fingerzeige: Alle Stadträte der CDU/FDP-Fraktion, die beiden Vertreter der Freien Wähler und zwei Sozialdemokraten stimmten am Donnerstagabend gegen die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens. Fotos: Manfred Lüttich
Leipziger Volkszeitung, DELITZSCH und UMGEBUNG, Seite 19, 02.02.2008 |