TWD-Anteilsverkauf scheidet die Geister

Delitzsch. Vor der morgen im Stadtrat anstehenden Entscheidung, ob das Bürgerbegehren gegen den Verkauf von Anteilen an den Technischen Werken Delitzsch (TWD) zulässig ist, prallen Stadtverwaltung und Initiatoren-Gruppe mit ihren konträren Auffassungen aufeinander. Während das Rathaus den Abgeordneten aus formaljuristischen und inhaltlichen Gründen empfiehlt, die Unzulässigkeit des Begehrens festzustellen, bestehen die Initiatoren auf einen Bürgerentscheid. Letztere sehen den Deal mit Finanzinvestor H/H-Stadtwerkefonds vor allem deshalb kritisch, weil Delitzsch mit ihm Einfluss und Gewinne aufgibt. Zur Erinnerung: Am 27. September 2007 hatten 13 Stadträte für den Verkauf von 37,375 Prozent der TWD-Anteile und sechs dagegen gestimmt. Vier der 23 anwesenden Abgeordneten enthielten sich; acht Stimmberechtigte – darunter OBM Heinz Bieniek (CDU) – fehlten entschuldigt. Der Verkauf ist laut Stadtverwaltung bereits vollzogen. Die Kommune besitzt somit nur noch 37,525 Prozent der TWD-Anteile, da die Eon Thüringer Energie AG schon länger mit 25,1 Prozent im Spiel ist. Gegen die Veräußerung hatten sich im Rahmen des Bürgerbegehrens 3144 Delitzscher ausgesprochen.

Abstimmung über Begehren – das sagt die Stadtverwaltung

Abstimmung über Begehren – das sagen die Initiatoren

Es sind zwei Gründe, die das Rathaus ins Feld führt, um die Damen und Herren Abgeordneten bei der morgigen Abstimmung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens vom Herbst vorigen Jahres auf seine Seite zu ziehen. Gegen Ende der siebenseitigen Beschlussvorlage, in der häufig Bezug auf die Sächsische Gemeindeordnung und Urteile mehrerer Oberverwaltungsgerichte genommen wird, heißt es unter Punkt IV „Begründung der Unzulässigkeit“: „Ein Bürgerbegehren ist unzulässig, wenn es gesetzwidrige Ziele verfolgt oder gegenstandslos ist.“ Da das Delitzscher Begehren „kassatorischen Charakter“ habe – also die Aufhebung bestehender Verträge zum Ziel hat –, sei es gegenstandslos. Der Stadtratsbeschlusses vom 27. September 2007 sei nämlich schon vollzogen. Darüber hinaus verfolge das Begehren mit der Fragestellung „Sind Sie dafür, dass die TWD GmbH zu mindestens 51 Prozent in kommunalem Eigentum verbleibt?“ ein gesetzwidriges Ziel, „weil die Stadt bereits zum Zeitpunkt des Ratsbeschlusses kein direkter Gesellschafter der TWD GmbH mehr war“.

Rechtsamtsleiterin Beate Miketta, die die Vorlage ausgearbeitet hat, verweist in diesem Zusammenhang auf den Ratsbeschluss vom 28. Juni 2007, bei dem die Verschmelzung der einstigen Holding Stadtwerke Delitzsch (SWD) auf die Wohnungsgesellschaft Delitzsch (WGD) beschlossen worden war. Auf der Basis dieser Entscheidung habe der Stadtrat im September zunächst die Übertragung der Geschäftsanteile an den TWD von der SWD auf die Zukunft in Delitzsch (ZiD) und dann einen Anteilsverkauf von 49,9 Prozent der Geschäftsanteile an der ZiD an den H/H-Stadtwerkefonds beschlossen, heißt es in der Begründung des Rechtsamtes. Besagtes Beteiligungskonstrukt führt letztlich zu den 37,375 Prozent, die Finanzinvestor H/H inzwischen – indirekt – an den Technischen Werken hält.

Des Weiteren setzt sich die Verwaltung mit dem Kostendeckungsvorschlag auseinander, der jedem Bürgerbegehren beigefügt sein muss, durch das nennenswerte Kosten entstehen, sollte es am Ende erfolgreich sein. Den Vorschlag der Initiatoren hält das Rathaus für „unrealistisch“, da die ins Feld geführten Gewerbesteuermehreinnahmen im Jahr 2007 „zur Deckung anderer Ausgaben herangezogen werden“. Das zu erwartende Gewerbesteuerplus im Jahr 2008 stelle nur eine „Prognose“ dar. Ebenfalls lediglich Planungsgrößen seien die zu erwartenden Gewinne des Energieversorgers TWD. Diese seien überdies „vollkommen unrealistisch“.

Zum Schluss geht Miketta auf den Grund für den Anteilsverkauf ein: den Ausgleich von Verbindlichkeiten der aufgelösten Stadtwerke GmbH gegenüber der Kommune. Während die Begehren-Gruppe die bislang bekannte Summe von rund 4,3 Millionen Euro zur Grundlage ihres Kostendeckungsvorschlages macht, verweist die Amtsleiterin darauf, dass es damit nicht getan sei. Die Verbindlichkeiten beliefen sich nämlich auf 5,2 Millionen Euro...

Annelise Podsadny (Die Linke) und Jörg Bornack (SPD), zwei maßgebliche Initiatoren des Bürgerbegehrens, haben jetzt in einer Pressemitteilung auf die Beschlussvorlage der Stadtverwaltung reagiert. Zu den Angaben des Rathauses, dass Delitzsch zum Zeitpunkt des Verkaufsbeschlusses im September 2007 kein direkter Gesellschafter der Technischen Werke (TWD) mehr war, erklären Podsadny und Bornack: „Wir stellen dazu fest, dass die Stadt zu 100 Prozent Eigentümer der Stadtwerke Delitzsch GmbH ist. Diese ist zu 74,9 Prozent Eigentümer der TWD GmbH. Damit gehören 74,9 Prozent der TWD indirekt der Stadt.“ In der Sächsischen Gemeindeordnung heiße es, dass die Entscheidung über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens dem Gemeinderat vorbehalten ist. Mit der Entscheidung über die Zulässigkeit lege der Rat auch die endgültige Fragestellung fest. „Daher können auch Ungenauigkeiten oder sprachliche Missgriffe sachdienlich bereinigt werden, solange nur eindeutig ist, welches Begehren verfolgt wird.“ Da das Anliegen des Begehrens inhaltlich klar sei „und nicht gefordert ist, dass die Stadt direkter Eigentümer bleiben soll“, kann nach Ansicht der beiden Stadträte die Fragestellung für den Bürgerentscheid „entsprechend gesetzeskonform neu formuliert werden“.

Auch zum Vorwurf, der Kostendeckungsvorschlag sei unzureichend, äußern sich die Initiatoren. Hier-zu sei in einem Kommentar zur Gemeindeordnung ausgeführt: „Der Vorschlag muss die Höhe der Kos- ten wenigstens überschlägig beziffern, wenn die Umsetzung des Bürgerbegehrens Kosten verursachen würde. Dabei kommt es auf die Kenntnisse der Initiatoren, nicht auf die Fachkenntnisse eines Kämmerers an. Der Betrag muss daher nicht der objektiv ,richtige‘ sein.“ Das vorliegende Bürgerbegehren fordere, dass die Stadt zu 51 Prozent Eigentümer der Technischen Werke bleiben soll, so Podsadny und Bornack. Dies bedeute, dass 24,8 Prozent zum Verkehrswert an Eon – gemeint ist Mitgesellschafter Eon Thüringer Energie AG; Anm. d. Red. – verkauft werden könnten, „die ja durchaus diese Absicht bekundet hatten“. Außerdem sei der Haushalt der Stadt für das Jahr 2008 zum Zeitpunkt des Begehrens noch nicht beschlossen gewesen. „Die steuerlichen Mehreinnahmen und Erträge der TWD GmbH in den nächsten drei Jahren sind zur Deckung ausreichend.

Zur Argumentation des Rechtsamtes, der Ratsbeschluss vom 27. September 2007 sei bereits vollzogen, konstatieren die Verfechter eines Bürgerentscheids: „Inwieweit es der Verwaltung gelungen ist, während des laufenden Begehrens tatsächlich vollendete Tatsachen zu schaffen, ist noch zu klären.

Bornack erinnert zudem an die Vorgeschichte: „Wir haben ab 2005 zwei Jahre lang versucht, zu retten, was zu retten war. Mitte 2007 kam es zum Beschluss, das Biomassekraftwerk zu verkaufen. Da dachten wir, die TWD seien durch. Dann bekamen wir nur noch Vertragsentwürfe zu sehen. Und 13 von 30 Stadträten kauften die Katze im Sack.

Texte: Dominic Welters

Leipziger Volkszeitung, DELITZSCH und UMGEBUNG, Seite 19, 30.01.2008


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