Bürgerbegehren – Prüfung abgeschlossen

Delitzschs Verwaltung liegen deutlich mehr als 2350 gültige Unterschriften vor / Jetzt entscheidet Stadtrat über die Zulässigkeit

Delitzsch (kr). Wie schon so oft in den vergangenen Monaten liegt auch Ende Januar im Delitzscher Stadtrat wieder Spannung in der Luft. Am 31. des Monats müssen die Abgeordneten darüber befinden, ob es am Lober erstmals zu einem Bürgerentscheid kommt, der den Stadtratsbeschluss zum Verkauf von Anteilen an den Technischen Werken Delitzsch (TWD) vom 27. September 2007 rückgängig machen soll. Das Bürgerbegehren mit 3400 Unterschriften von Delitzschern, die einen solchen Entscheid fordern, ist inzwischen vom Einwohnermeldeamt der örtlichen Verwaltung geprüft worden. „Es war bei dieser Größenordnung – 2350 gültige Stimmen hätten ja gereicht – damit zu rechnen, dass das Begehren erfolgreich sein würde“, sagte Bürgermeister Gerhard Denef (CDU) auf Anfrage der Kreiszeitung. Die genaue Zahl der gültigen Unterschriften wollte er nicht nennen – mit Rücksicht auf die Sitzung des Verwaltungsausschusses am 17. Januar, der sich vor der nächsten öffentlichen Ratssitzung mit dem Thema beschäftigt. Bis dahin muss die Verwaltung dem Ausschuss und später dem gesamten Stadtrat detailliert darlegen, was seit dem umstrittenen September-Beschluss an Tatsachen bereits geschaffen wurde.

Mit zwölf Ja- und sechs Nein-Stimmen – letztere vornehmlich aus den Reihen von SPD und Linke – hatte der Stadtrat dafür plädiert, dass die Kommune ihre Mehrheit am Stromversorger TWD indirekt aufgibt. Es waren 49,9 Prozent der Anteile an der Zukunft in Delitzsch GmbH (ZiD) an den H/H-Stadtwerkefonds verkauft worden. Die ZiD fungiert seit kurzem als neuer Hauptgesellschafter der TWD anstelle der bisherigen Stadtwerke GmbH; was bedeutet, dass sich der städtische TWD-Anteil von bislang 74,9 auf 37,525 Prozent verringert. Die Initiatoren des Bürgerbegehrens pochen aber auf mindestens 51 Prozent und holten sich kompetenten Rat von Dorothea Hegele, Rechtsanwältin und freie Dozentin an der Fachhochschule für Sächsische Verwaltung in Meißen. Die Leipzigerin unterstützt das Anliegen, in Delitzsch städtische Mehrheiten an den TWD zu sichern, weil es die Aufgabe der Abgeordneten sei, Werte, die mit Steuergeldern geschaffen wurden, zum Wohle der Stadt einzusetzen. Die fehlgeschlagene TWD-Investition in ein Biomassekraftwerk, das inzwischen verkauft wurde, hatte ein Millionenloch gerissen, weshalb der Anteilsverkauf die Perspektive der kommunalen Betriebe und damit des städtischen Haushaltes sichern sollte. „Die nach dem Stadtratsbeschluss im September geschlossenen und von allen Beteiligten genehmigten Verträge beinhalten die Option, dass wir die Anteile nach zehn Jahren, wenn es der Stadt wieder besser gehen sollte, zurückkaufen können“, merkte Denef an. Er zweifelt nicht daran, dass am 31. Januar „eine Mehrheit in die Zukunft blicken und das bestätigen wird, was wir bereits im September rechtsgültig beschlossen haben“. Erklärt der Stadtrat das Begehren doch für zulässig, ist ein Bürgerentscheid zum Anteilsverkauf innerhalb von drei Monaten durchzuführen.

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch LOKALES, 04.01.2008, Seite 15


HINTERGRUND


§ 24 der Sächsischen Gemeindeordnung regelt den
BÜRGERENTSCHEID

  1. In Gemeindeangelegenheiten können die Bürger und die nach § 16 Absatz 1 Satz 2 Wahlberechtigten über eine zur Abstimmung gestellte Frage entscheiden (Bürgerentscheid), wenn ein Bürgerbegehren Erfolg hat oder der Gemeinderat mit einer Mehrheit von zwei Dritteln die Durchführung eines Bürgerentscheides beschließt.

  2. Der Bürgerentscheid kann über alle Fragen durchgeführt werden, für die der Gemeinderat zuständig ist. Ein Bürgerentscheid findet nicht statt über 1. Weisungsaufgaben, 2. Fragen der inneren Organisation der Gemeindeverwaltung, 3. Haushaltssatzungen und Wirtschaftspläne, 4. Gemeindeabgaben, Tarife und Entgelte, 5. Jahresrechnungen und Jahresabschlüsse, 6. Rechtsverhältnisse der Gemeinderäte, des Bürgermeisters und der Gemeindebediensteten, 7. Entscheidungen in Rechtsmittelverfahren, 8. Anträge, die gesetzwidrige Ziele verfolgen.

  3. Bei einem Bürgerentscheid ist die Frage in dem Sinne entschieden, in dem sie von der Mehrheit der gültigen Stimmen beantwortet wurde, sofern diese Mehrheit mindestens 25 Prozent der Stimmberechtigten beträgt. Ist die nach Satz 1 erforderliche Mehrheit nicht erreicht worden, hat der Gemeinderat zu entscheiden.

  4. Der Bürgerentscheid steht einem Beschluss des Gemeinderats gleich. Er kann innerhalb von drei Jahren nur durch einen neuen Bürgerentscheid abgeändert werden.

  5. Ein Bürgerentscheid entfällt, wenn der Gemeinderat die Durchführung der mit dem Bürgerbegehren verlangten Maßnahme beschließt.

Sollte sich der Delitzscher Stadtrat aufgrund der Mehrheitsverhältnisse – CDU/FDP als die größte Fraktion und der CDU-Oberbürgermeister vereinen 16 Stimmen auf sich – gegen die Zulässigkeit des Begehrens und damit gegen die Durchführung eines Bürgerentscheids zu der Frage „Sind Sie dafür, dass die Technischen Werke Delitzsch zumindestens 51 Prozent in kommunalem Eigentum verbleiben?“ aussprechen, droht ein juristisches Nachspiel vor dem Verwaltungsgericht Leipzig.

Rolle rückwärts wäre Kuriosum

Stadträtin Annelise Podsadny und Bürgermeister Gerd Denef sehen Bürgerentscheid differenziert

Von Karin Rieck

Delitzsch. Annelise Podsadny, eine der sieben Initiatoren des ersten Delitzscher Bürgerbegehrens, hat sicher mit keinem anderen Ergebnis gerechnet. Dennoch freut sich die Stadtverordnete der Partei Die Linke darüber, dass das städtische Einwohnermeldeamt an der Zahl der Unterschriften, die für ein solches Begehren notwenig sind, nichts zu beanstanden hat. Sie und drei weitere Stadträte, Podsadnys Fraktionskollegen Wolfgang Herder und Siegfried Schuh sowie Jörg Bornack von der SPD-Fraktion, darüber hinaus das SPD-Ortsvereinsmitglieder Sven Kasubek und Reinhard Zänker und Dietmar Mieth vom Verein Sauberes Delitzscher Land brachten ins Rollen, was 3400 Delitzscher Bürger veranlasste, ihre Adresse auf 392 Unterschriftenlisten zu setzen. „Diesen Bürgerwillen sollte der Stadtrat jetzt respektieren und am 31. Januar einem Entscheid zustimmen“, sagte Podsadny. Sie weist darauf hin, dass Paragraf 24 der Sächsischen Gemeindeordnung regelt, über welche Fragen ein Bürgerentscheid nicht stattfinden kann. Die Rätin: „Diese Ausschließungsgründe treffen auf unser Thema nicht zu.“ Bei der anstehenden Entscheidung des Gemeinderates über die Zulässigkeit des Entscheids könne es deshalb nur darum gehen, „ob die formelle Zulässigkeit gegeben ist und ob die Einschränkungen laut Gemeindeordnung zutreffen“. Denn sonst wäre ein Bürgerbegehren sinnlos, wenn der Rat den Entscheid so einfach als unzulässig erklären könnte.

In diesen Tagen, so Bürgermeister Gerd Denef (CDU), gehe die öffentliche Beschlussvorlage für die Ratssitzung am 31. Januar zu diesem Thema raus. Das Dokument ist überschrieben mit „Entscheidung des Stadtrates über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens nach Paragraf 24, Absatz 3, Satz 1 der Sächsischen Gemeindeordnung ,für den Erhalt der Unternehmen der Daseinsvorsorge im Eigentum der Stadt Delitzsch‘ mit dem Ziel der Durchführung eines Bürgerentscheids“. „Dort listen wir das Geschehen seit dem rechtsgültigen Beschluss des Rates vom 27. September in seiner Abfolge auf“, so Denef vorab. Das Vize-Stadtoberhaupt rechnet damit, dass der Rat seinen mehrheitlich gefassten Beschluss vom September durch einen Bürgerentscheid „nicht außer Kraft setzen wird und dies auch nicht darf“. Dabei beruft sich Denef auch auf die Sachverständige für Gemeinderecht, Dorothea Hegele. Die Leipziger Dozentin bescheinigte der Bürgerinitiative zwar das demokratisch verbriefte Recht einzuschreiten, wenn Kommunalpolitik in die falsche Richtung läuft – so durch den Verkauf von Mehrheitsanteilen an den Technischen Werken, was dann nicht mehr der Stadt, sondern privaten Profitinteressen diene. Sie stellte aber auch klar, dass bereits rechtswirksam geschlossene Verträge durch einen Entscheid nicht rückgängig gemacht werden könnten.

Die kommunalen Betriebe befinden sich wieder in ruhigerem Fahrwasser, wir sollten jetzt nach vorn schauen“, beschwichtigte Denef. „Eine Rolle rückwärts wäre im Stadtrat jetzt wirklich ein Kuriosum.

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch und Umgebung, 04.01.2008, Seite 17


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