Delitzscher starten Bürgerbegehren

Initiatoren von „Stopp dem verlustreichen Verkauf von TWD-Anteilen“ sammeln ab sofort Unterschriften / Bürgermeister enttäuscht

Von Dominic Welters

Delitzsch. Die sogenannte Gruppe der Besorgten aus Delitzscher Stadträten und Bürgern macht ernst. Auch wenn die untere Rechtsaufsichtsbehörde im Landratsamt die jüngsten Stadtratsbeschlüsse zur Neustrukturierung des kommunalen Vermögens gerade samt und sonders absegnete, hat sie gestern das Bürgerbegehren zum Verkauf von Anteilen an den Technischen Werken Delitzsch (TWD) gestartet. Auf ihrer frisch installierten Internetseite www.buergerbegehren-delitzsch.de stellen die offiziellen Vertretungsberechtigten – Linke-Stadträtin Annelise Podsadny, SPD-Nachwuchsmann Sven Kasubek und Dietmar Mieth, Vorsitzender des Vereins Sauberes Delitzscher Land – die alles enscheidende Frage „Sind sie dafür, dass das kommunale Unternehmen Technische Werke Delitzsch GmbH der Stadt Delitzsch, welches der Daseinsvorsorge dient, weiterhin zu mindestens 51 Prozent in kommunalen Eigentum verbleibt?“ Soll das Begehren „Stopp dem verlustreichen Verkauf von TWD-Anteilen“ eine Chance haben, muss die Gruppe bis zum 12. Dezember mindestens 2350 Unterschriften von wahlberechtigten Delitzschern im Rathaus vorlegen. Die Hauptsatzung der Großen Kreisstadt sieht für ein erfolgreiches Bürgerbegehren ein Quotum von zehn Prozent all derer vor, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und seit mindestens drei Monaten in der Loberstadt wohnen. Ziel der Jagd nach den vielen Autogrammen ist, per Bürgerentscheid festzuschreiben, dass die Stadt bei einer Teilveräußerung von kommunalen Unternehmen grunsätzlich Mehrheitsgesellschafter bleiben muss. Geht der vom Stadtrat am 27. September beschlossene Verkauf von TWD-Anteilen an Finanzinvestor H/H-Stadtwerkefonds wie geplant über die Bühne, wäre die Kommune bei den Technischen Werken künftig nur noch 37,5-Prozent-Eigentümer. Damit, so die Erstunterzeichner, zu denen auch die Stadträte Wolfgang Herder, Siegfried Schuh (beie Die Linke) und Jörg Bornack (SPD) zählen, werden „der Goldesel der Stadt geschlachtet“ und „das Mitsprache- und Entscheidungsrecht der Stadt bei den TWD erheblich verringert“. Der Verkaufserlös – nach unbestätigten Informationen zahlt H/H-Stadtwerkefonds rund sechs Millionen Euro &ndash sei einmalig. „Die jährlichen Zuflüsse von den TWD zum Haushalt der Stadt aber werden für immer halbiert.

In einer Pressemitteilung vom Nachmittag stellten Podsadny, Herder und Bornack noch einmal klar, dass einmalige Einnahmen aus dem Verkauf der TWD-Anteile den Haushalt der Kommune „nicht dauerhaft sanieren können. Aus der Vergangenheit wissen wir, dass die Neugestaltung der Eilenburger Straße oder des Schlosses mit dem Barockgarten seinerzeit mit Unterstützung der TWD möglich war.

Die Initiatioren forderten interessierte und ähnlich besorgte Bürger auf, sich die Internet-Unterschriftenliste auszudrucken und das Begehren zu unterstützen. Für die nächsten Tage kündigten sie zudem Aktionen in der Innenstadt an.

Auf die kann Bürgermeister Gerhard Denef gut und gern verzichten. &bdqo;Ich bin maßlos enttäuscht. Die Stadtverwaltung hat dem Stadtrat Beschlussempfehlungen unterbreitet, mit denen Schaden von der Stadt Delitzsch abgewandt und die finanzielle Handlungsfähigkeit aufrecht erhalten werden konnten. Die Verwaltung nimmt die unterschiedlichen Ansichten der Fraktionen zu Kenntnis. Gleichwohl hat sie die parteiübergreifenden, deutlich mehrheitlich gefassten Beschlüsse des Stadtrates umzusetzen“ stellte der Vertreter des Oberbürgermeisters klar.

STANDPUNKT


Von Dominic Welters

Heiße Adventszeit

Die Frist läuft. Genau zwei Monate haben die Initiatoren des Bürgerbegehrens Zeit, 2350 Unterschriften von Delitzschern zusammenzubekommen, um gegen die vor wenigen Tagen öffentlich bekannt gemachten Stadtratsbeschlüsse zur Neuordnung der kommunalen Unternehmen vorzugehen. Sollten genügend Autogramme vorliegen, müsste letztlich die Versammlung der Abgeordneten über die Zulässigkeit des Begehrens und damit über einen Bürgerentscheid befinden. Es sind also noch einige Klippen zu umschiffen, bis möglicherweise der Wähler in einem Akt direkter Demokratie über den künftigen Umgang mit Stadt-Vermögen und die Aufgabe der Mehrheitsbeteiligung an den Technischen Werken entscheidet. Dass viele Bürger trotz der schwierigen Materie an Debatten über die Zukunft der kommunalen Daseinsvorsorge Anteil nehmen, zeigt das Beispiel Leipzig. Dem dortigen Oberbürgermeister wurden gerade 42.000 Unterschriften zum geplanten Verkauf der dortigen Stadtwerke übergeben. Sollten, weil Delitzsch nicht Leipzig ist, statt der erhofften 2350 Signaturen nur 1000 zu Buche stehen, bliebe der Gruppe der Besorgten immer noch Weg zwei. Die angekündigte Beschwerde beim Regierungspräsidium über die Genehmigung der umstrittenen Stadtratsbeschlüsse durch das hiesige Landratsamt läuft. Der Loberstadt steht eine heiße Adventszeit bevor.

@d.welters@lvz.de

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch, LOKALES, 15.11.2007, Seite 17


Bürgerbegehren – was die Initiatoren bewegt

Delitzsch. (dom). Sie wollen, dass jetzt die Bürger das Wort haben. Bei leidigen Thema Neustrukturierung des Delitzscher Vermögens, seit Monaten ihr Begleiter in etlichen Sitzungen und Beratungen, soll der Souverän direkt mitreden können. Die Gruppe besorgter Bürger ist zuversichtlich, dass es über den Verkauf von Unternehmen der kommunalen Daseinsvorsorge in Bälde zu einem Bürgerentscheid kommt. Das vom Gesetzgeber vorangestellte Bürgerbegehren haben sie gestern offiziell gestartet. Und in einer Pressemitteilung, unterzeichnet von den Abgeordneten Annelise Podsadny, Wolfgang Herder (beide Die Linke) und Jörg Bornack (SPD), auführlich begründet.

Das Trio führt gleich mehrere Punkte an. Am 15. Dezember 2005 habe der Stadtrat Oberbürgermeister Heinz Bienieck (CDU) beauftragt, „Vorschläge zum Erhalt des kommunalen Vermögens“ zu machen. Dem widerspreche „der plötzliche Verkauf“ von 37,375 Prozent der Anteile an den Technischen Werken Delitzsch (TWD) an Finanzinvestor H/H-Stadtwerkefonds. Zudem habe das Plenum am 28. Juni 2007 keinen Verkauf von Anteilen an den TWD beschlossen. Die Teilveräußerung vom September stelle „eine völlig neue Sachlage“ dar und sei eben keine Umsetzung des Umstrukturierungsbeschlusses vom Juni. „Noch vor der Beschlussfassung wurde von Stadträten auf die rechtlichen Unsicherheiten hingewiesen“, heißt es in der Pressemitteilung weiter. „Wir halten es für prinzipiell falsch, dass der Stadtrat hinter verschlossenen Türen über Eigentum der Bürger entscheidet. Das ist auch ein Verstoß gegen die Sächsische Gemeindeordnung. Mit einem erfolgreichen Bürgerbegehren wird erreicht, dass die Bürger zunächst unterrichtet werden. Danach können sie selbst entscheiden, was für sie richtig ist und ihren Interessen entspricht.“ Die Gemeindeordnung sehe ausdrücklich vor, dass die Bürger durch einen Bürgerentscheid einen Stadtratsbeschluss aufheben können.

Allerdings hat die Gruppe um Podsadny, Herder und Bornack dabei eine Acht-Wochen-Frist einzuhalten. Am 12.Dezember müssen die 2350 Unterschriften im Rathaus vorliegen. Von dort kam am frühen Abend ein harscher Kommentar: „Als langjähriger Kommunalpolitiker hoffe ich, dass mit der Initiierung des Bürgerbegehrens keine Erwartungen bei den Bürgern geweckt werden, die nicht erfüllt werden können“, sagte Bürgermeister und OBM-Vertreter Gerhard Denef (CDU) auf Anfrage der Kreiszeitung.

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch und Umgenung, 15.11.2007, Seite 19


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