Akten werfen neues Licht auf LWB-Geschäft

Leipzig (jr). Zu einem Grundstückdeal der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB) in den Neunzigerjahren sind neue Fakten aufgetaucht, die dem Sinn der damaligen Investitionsvorrangverfahren widersprechen. Bei der Rückübertragung des Gründerzeithauses in der Riemannstraße 52 gab es etliche Ungereimtheiten. So stellte eine interessierte Rechtsanwältin mehrfach hintereinander Anträge auf Investitionsvorrang, bis sie schließlich den Zuschlag erhielt. Dabei hatte die Stadt Leipzig zuvor versichert, das Grundstück sei bereits rechtskräftig an Alteigentümer rückübertragen worden. Statt, wie bei den Anträgen versprochen, das Objekt zügig zu sanieren und Sozialwohnungen einzurichten, beantragte die Anwältin nach dem Zuschlag den Abriss des denkmalgeschützten Hauses. Auch richtete sie keine Sozialwohnungen ein. Der Vorgang spielt auch eine Rolle in laufenden Untersuchungen zum so genannten Sachsen-Sumpf.

Leipziger Volkszeitung, Titelseite, 15.08.2007


Die Akte Riemannstraße 52

Geschichte des Gründerzeithauses zeigt paradoxe Entscheidungen bei LWB-Eigentumsklärungen

Über die Riemannstraße 52, ein Gründerzeithaus in der Leipziger Südvorstadt, wurde schon öfter berichtet. Meist ging es um das Attentat auf Martin Klockzin, den erst kürzlich gefeuerten Chefjuristen der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB). Hinter dem brutalen Anschlag vor 13 Jahren, der mit dem Kampf um das Grundstück zu tun hatte, steckt aber noch eine andere, gleichfalls erschreckende Geschichte. Dies geht aus der Akte zur Eigentumsklärung für die Riemannstraße 52 hervor, die der LVZ nahezu vollständig vorliegt.

Akte Riemannstr. 52 Alles begann 1992. Damals kauften Josef Schmid und Manfred Schneider, zwei Immobilienmakler aus dem Allgäu, den Alteigentümern ihren Anspruch auf das 1877 erbaute Haus ab. Sie wollten dafür 680.000 D-Mark bezahlen und das Objekt sanieren, sobald die Rückübertragung gelaufen ist. Tatsächlich schickte das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen am 28. April 1994 den Rückübertragungsbescheid an Schmid und Schneider. Alles schien perfekt.

In den folgenden Monaten brach plötzlich große Betriebsamkeit in allerlei Ämtern und bei der LWB aus, die den Sinn des Investitionsvorranggesetzes (InVorG) fast ins Gegenteil verkehrten. Grund: Auch die aus München stammende Rechtsanwältin Sieglinde Buchner-Hohner wollte das Filetgrundstück erlangen. Dafür hatte sie schon 1993 einen InVorG-Antrag gestellt – jedoch erfolglos.

Buchner-Hohner ließ nicht locker. Im Sommer 2004 bestätigte ihr das Amt für Stadtsanierung, dass sie für die Riemannstraße 52 zinsverbilligte Kredite aus dem Förderprogramm „Sozialer Mietwohnungsbau“ erhalten kann. Nun stellte sie einen neuen „Dringlichkeitsantrag auf Investitionsvorrangbescheid“. Dies lehnte bei der Stadt Referatsleiter Ingolf Weitzmann strikt ab. Er schrieb am 26. Juli an den LWB-Abteilungsleiter Rainer Fornahl, dass das „Grundstück rückübertragen wurde und der Bescheid bestandskräftig ist“. Somit seien „keine Voraussetzungen für ein Verwaltungsverfahren nach InVorG mehr gegeben.

Trotzdem legte die LWB am 4. August – also mehr als drei Monate nach dem Zuschlag für Schmid und Schneider – Widerspruch gegen den Rückübertragungsbescheid ein. Eigentlich war die Frist dafür längst verstrichen. Dies übernahm LWB-Hauptabteilungsleiter Klockzin, der erst im Juni vom Grundstücksverkehrsamt der Stadt zum städtischen Großvermieter gewechselt war. Er begründete das späte Nachhaken so, dass der Bescheid vor Monaten nur den Alteigentümern und der Stadt zugestellt worden sei. Obwohl die Stadt für die Riemannstraße 52 im Grundbuch stand, sei nicht sie rechtmäßiger Eigentümer der Immobilie gewesen, sondern die LWB.

Was folgte, war ein erbitterter Kampf über Anwälte und Gerichte. Nachdem sich Klockzin bei seinen früheren Kollegen im Rathaus beschwerte, weshalb das InVorG-Ersuchen von Buchner-Hohner nicht bearbeitet wird, stoppte die Kommune ein seit sechs Wochen laufendes Verfahren zum Eintrag von Schmid und Schneider ins Grundbuch. Dann kam der 17. Oktober: Klockzin wurde zum Opfer eines Attentats, das bekanntlich Schmid und Schneider beauftragt hatten.

Buchner-Hohner war seinerzeit mit Jürgen Niemeyer, einem einflussreichen Richter am Landgericht, liiert. Auch dort wurde die Riemannstraße 52 verhandelt, Schmid und Schneider verloren den Prozess. Nach Aussagen eines früheren Schöffen soll es in Niemeyers Büro öfter „wie im Immobilienkontor“ zugegangen sein. Das heute verheiratete Juristenpaar bestreitet jede unsaubere Verquickung.

Ihren Antrag auf die Riemannstraße 52 begründete die Anwältin stets damit, dass sie das Objekt zügig sanieren und Sozialwohnungen schaffen wolle. Am 9. Februar 1995 erhielt sie ausgerechnet von Referatsleiter Weitzmann den Zuschlag, nun änderten sich die Pläne schnell. Bereits im September beklagte sich Buchner-Hohner beim Amt für Denkmalschutz, weshalb die Behörde ihren Antrag auf Abriss des denkmalgeschützten Hauses ablehnen will. Dabei habe sie zwei Gutachten vorgelegt, die nur den Abriss sinnvoll erscheinen lassen. Auch reichten ihr die in Aussicht gestellten 600.000 D-Mark Fördermittel nicht aus. Mit dem Hinweis darauf, dass sie doch Sozialwohnungen schaffen wolle, bat die Anwältin sogar um Erlass einer Verwaltungsgebühr über 1253 D-Mark sowie um das Streichen der Ablösesumme für nicht geschaffene Parkplätze (500.000 D-Mark). Diese Anstiftungen zur Rechtsbeugung, mitunter garniert mit netten Einladungen zum Cocktail, lehnten die Rathaus-Mitarbeiter ab.

Am Ende hat Buchner-Hohner das Haus für 350.000 D-Mark gekauft. Es gab erheblichen Bauverzug, Sozialwohnungen entstanden dort nicht. Ermittler des Landeskriminalamtes wunderten sich später, weshalb der erste InVorG-Antrag der Anwältin abgelehnt wurde, der zweite aber nicht. Die LWB musste den Alteigentümern 20.000 D-Mark nachzahlen, weil der Grundstückswert nach oben korrigiert wurde. Den Zusatzbetrag hätte eigentlich Buchner-Hohner begleichen müssen. Doch sie löste ihre Firma, die den Zuschlag der Ämter erhielt, rechtzeitig wieder auf.

Jens Rometsch

Leipziger Volkszeitung, Stadt Leipzig, LOKALES, Seite 15, 15.08.2007


Jens Rometsch

STANDPUNKT


Von Jens Rometsch

Nachholbedarf

Mancher wird angesichts der Akte zur Riemannstraße 52 sagen, dass seien doch alles alte Geschichten, mehr als zehn Jahre her. Und am Ende wurde das Haus ja nicht abgerissen, sondern saniert. Wozu also heute noch Aufhebens um die komplizierten Vorgänge bei der Eigentumsklärung in Nachwendezeiten machen? Dafür gibt es – mal abgesehen von so hehren Worten wie Recht und Ordnung – auch ganz pragmatisch wirtschaftliche Gründe. Die LWB hat in den Neunzigerjahren Hunderte von Millionen D-Mark versiebt. In ihren Wohnungsbeständen herrscht deshalb heute oft mehr Mangelverwaltung als zukunftsträchtige Entwicklung – die alten Schulden binden die Hände für neue Investitionen. Misswirtschaft gab es beileibe nicht nur in der Ära Trabalski, die bis 1993 andauerte. Sonst hätte die LWB in ihrer gesamten Geschichte nicht deutlich mehr Geschäftsführer als jedes andere kommunale Unternehmen verbraucht. Wer in Zukunft teure Fehler vermeiden will, der muss überkommene Strukturen offen analysieren und Konsequenzen ziehen. Im Fall der Riemannstraße 52 herrscht da nicht nur bei der LWB Nachholbedarf.

@j.rometsch@lvz.de

Leipziger Volkszeitung, Stadt Leipzig, LOKALES, Seite 15, 15.08.2007


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