Vermögen übersteigt Schuldenlast

Umstrukturierung der Stadt-Firmen: Kämmerer bricht Lanze für Verschmelzungs-Entscheidung

Von Dominic Welters
Michael Schmiech

Delitzsch. Die Mehrheit der CDU/FDP-Fraktion gab letztlich den Ausschlag: Die Umstrukturierung des kommunalen Vermögens – sprich: der städtischen Betriebe in Form unmittelbarer und mittelbarer Beteiligungen – sieht die Verschmelzung der Stadtwerke Delitzsch GmbH (SWD) in die Wohnungsgesellschaft Delitzsch (WGD) vor. Linke und SPD hatten im Stadtrat mit ihrem Votum, die SWD als vermögensverwaltende Holding zu erhalten, das Nachsehen. Michael Schmiech, der Kämmerer der Großen Kreisstadt, ist froh über die 15:10-Abstimmung, mit der die sogenannte Vorzugsvariante 3 abgesegnet wurde. „Sie ist nach wie vor für die beste Lösung, um wieder in ruhigeres Fahrwasser zu kommen“, sagt der Delitzscher Finanzminister. Der 44-Jährige ist im Rathaus am Markt nunmehr derjenige, der maßgeblich an der Umsetzung des Beschlusses arbeiten muss. Dieser sieht bekanntlich außerdem vor, dass die Technischen Werke Delitzsch (TWD), deren Beteiligung Gasversorgung Delitzsch und die in diesen Tagen unverzüglich zu gründende gemeinsame TWD Netz GmbH gleichsam Tochterunternehmen der WGD werden. Genauer: der aus der Taufe zu hebenden Sparte WGD-Vermögensverwaltung. Das Kerngeschäft der Wohnungsgesellschaft soll derweil künftig von der Sparte Wohnungswirtschaft betrieben werden. Über die Bühne gehen wird die Verschmelzung der SWD auf die WGD laut Schmiech zum 1. Januar 2008. „Voraussetzung dafür ist zunächst mal ein Kassensturz zum Stichtag 31. August 2007, denn das bisherige Vermögen der Stadtwerke, ihre Schulden und ihr Guthaben, also alle Rechte und Pflichten, gehen auf die Wohnungsgesellschaft über.“ Zudem müssten entsprechende Verschmelzungsverträge vorbereitet und notariell beurkundet werden, erläutert der Kämmerer. Da die Stadt zu 100 Prozent Gesellschafter der SWD ist, „muss der Stadtrat den Verträgen zuvor noch zustimmen“.

In Rage bringt den ansonsten stets ausgeglichen wirkenden Chef der Finanzverwaltung die unmittelbar nach der Stadtratsentscheidung von der SPD-Opposition geäußerte Kritik, die WGD mit ihren vielen Mietern in 2900 Wohnungen werde durch die Verschmelzung quasi zum Lastesel der Stadt Delitzsch. Sozialdemokrat Jörg Bornack habe diese Äußerung „wider besseres Wissen“ getan und trage so zur allgemeinen Verunsicherung der Bevölkerung bei. Bei den Mietern der WGD sei ihm dies schon gelungen, moniert der Amtsleiter. Was Bornack da sage, sei „schlichtweg falsch“. Die getroffene Entscheidung habe definitiv keine Auswirkungen auf das Kerngeschäft der Wohnungsgesellschaft. „Weder auf die Mietpreise, noch auf die Investitionstätigkeit des Betriebes“, betont Schmiech. Die WGD-Sparte Vermögensverwaltung werde separat behandelt. Natürlich verblieben die Schulden und Verbindlichkeiten der Stadtwerke zunächst bei der WGD; darunter auch der Besserungsschein in Höhe von 13,6 Millionen Euro zugunsten der Kommune, den Delitzsch mit der SWD GmbH seinerzeit aushandelte, damit diese 74,9 Prozent Anteile an den TWD erwerben konnte. „Aber die Wohnungsgesellschaft übernimmt im Gegenzug ja auch Vermögen. Und das übersteigt bei weitem die SWD-Schuldenlast.

Schmiech ist überzeugt davon, dass bei der Gesamtbilanz für die Wohnungsfirma „sogar eine Verbesserung der Vermögenssituation zu erwarten ist“. In dem Zusammenhang nennt der Kämmerer konkrete Zahlen: Das TWD-Vermögen beziffert er auf zirka zehn bis zwölf Millionen Euro, die Verbindlichkeiten der SWD auf 1,5 bis zwei Millionen Euro, die Schulden der bisherigen Stadtwerke-Tochter Zukunft in Delitzsch GmbH (ZiD), über deren Rückführung in den Haushalt der Kommune im September noch einmal extra debattiert wird, auf rund 2,3 Millionen Euro. „Sollten sich wider Erwarten finanzielle Engpässe aus der Verschmelzung ergeben, sehen wir uns als Stadt selbstverständlich in der Pflicht, für einen finanziellen Ausgleich zu sorgen“, beruhigt der oberste Rathaus-Finanzer.

Woher aber soll im Ernstfall die Kohle kommen, da der Delitzscher Haushalt so gut wie keinen Spielraum zulässt? Auch in diesem Punkt gibt sich Schmiech gelassen. „Es ist nach Ablauf des Geschäftsjahres 2006 damit zu rechnen, dass die Gasversorgung gegenüber den TWD ausschütten wird.“ Und überhaupt: Es deute sich an, dass auch die Technischen Werke nach den schweren Jahren der Krise ab 2007 wieder Gewinne abwerfen, die dann dem Stadt-Etat über die WGD GmbH zugute kämen. „Grundsätzlich: Ausschüttungen von TWD und GVD fließen in den Haushalt, nicht in die Wohnungsgesellschaft“, sagt der Kämmerer.

Da drängt sich die nächste Frage auf: Warum braucht es den Puffer WGD zwischen der Stadt und den Technischen Werken eigentlich, wenn doch die beiden Energiedienstleister in absehbarer Zeit wieder deutlich besser dastehen? Darauf Schmiech: Die TWD seien nun mal ein wirtschaftliches Unternehmen, das trotz des kommunalen Einflusses auf dem freien Markt operiert und einem harten Wettbewerb unterliegt. „Da muss oft sehr schnell gehandelt werden, etwa beim Strom-Einkauf. Gäbe es den Puffer WGD nicht, wäre der Stadtrat Hauptgesellschafter und müsste bei Entscheidungen, die hohe Flexibilität verlangen, mitunter erst noch abstimmen.“ Dies aber sei „beim besten Willen“ nicht praktikabel.

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch und Umgebung, 17.07.2007, Seite 19


BMKW – SPD fordert öffentliche Aufklärung

Delitzsch (dom). Der Landesparteitag der sächsischen SPD vom vorigen Wochenende hat auf den Delitzscher Ortsverein offenbar abgefärbt. Während die Sachsen-Genossen bei ihrem Treffen in Markneukirchen in einem Initiativantrag zur sogenannten Verfassungsschutzaffäre „konsequente Aufklärung“ forderten, haben die Sozialdemokraten vom Lober gestern auf lokalpolitischer Ebene nachgelegt. In einer Presseerklärung fordert das Präsidium der hiesigen SPD „öffentliche Aufklärung“ – und zwar zur „Biomassekraftwerksaffäre“, so die neueste Wortschöpfung der Genossen.

Im übertragenen Sinne gelte das, was auf Freistaat-Ebene gerade diskutiert wird, „vollumfänglich auch für unsere Delitzscher Verhältnisse, wo ein CDU-Oberbürgermeister den Stadträten und Bürgern kaum noch Fragen beantwortet und Beschlüsse des Stadtrates verschleppt“, heißt es in der Mitteilung. „Mysteriöse Verträge, fragwürdige Eilentscheidungen des OBM und die Duldung der Rechtsaufsicht haben zu einem zweistelligen Millionen-Verlust durch das Biomassekraftwerk geführt.“ Die Stadträte würden vermutlich nur die Spitze des Eisberges se- hen – „und das fast immer in nichtöffentlichen Sitzungen, wo die Bürger ausgeschlossen bleiben“. Leider verweigere sich CDU-Oberbürgermeister Heinz Bieniek bis jetzt – „und die Situation der kommunalen Unternehmen spitzt sich weiter zu“. Ohne öffentliche Aufklärung aber werde es keine Lehren aus der BMKW-Affäre geben.

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch und Umgebung, 17.07.2007, Seite 19


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