Korruption: Geheime Akten im InternetSachsens Verfassungsschutz sucht nach LeckVon ANDREAS FRIEDRICH
Leipzig. So ist das heutzutage mit geheimen Akten. Irgendwann tauchen sie im Internet auf. Dieses Schicksal trifft nun auch Teile des Geheimdossiers des sächsischen Verfassungsschutzes. Was bisher nur für den Dienstgebrauch bestimmt und maximal einem Dutzend Menschen zugänglich war, sickert derzeit ins Internet. Seit elf Tagen erscheint jeden Tag eine neue Seite eines Dossiers über angebliche Vernetzungen Leipziger Politiker, Justizbeamte, Immobilienmakler und Zuhälter auf der Homepage des Berliner Fernsehjournalisten Fred Kowasch (www.interpool.tv). Eine Fortsetzungsstory der dubiosen Art. Aber eine mit Bestseller-Format. Bisher sind es nur elf von über 15.000 Seiten. Dennoch sucht das Landesamt für Verfassungsschutz in Dresden hektisch nach der undichten Stelle. Es hält die Schriftstücke für echt. „Wir ermitteln intern und versuchen das Leck zu finden. Dann werden wir die nötigen Maßnahmen ergreifen“, sagt Amtssprecher Alrik Bauer. Für den Verfassungsschutz ist dies nach dem Bekanntwerden der Aktensammlung und der klammheimlichen Vernichtung einiger Teile eine weitere peinliche Schlappe. Nachdem Teile der Akten zunächst an Journalisten lanciert worden waren, kann nun jedermann einen Teil des vermeintlichen Geflechts nachlesen. Einfach so, trotz des Vermerks „geheim“. Es sind die Leipziger Fälle. Obwohl bei der Abschrift der Originalseiten die Namen fehlen, lassen sich die gemeinten Personen leicht zuordnen. Zumal alles in den letzten Wochen ausführlich publiziert wurde. Zentrale Figur ist wieder ein Leipziger Staatsanwalt, der sich der Verletzung von Dienstgeheimnissen schuldig gemacht haben soll, indem er Akten an die Medien weitergab, um einen Vorgesetzten wegen der Ermittlungen zur so genannten Paunsdorf-Affäre zu diskreditieren. Dabei ging es um Anschuldigungen, Sachsens damaliger Ministerpräsident Kurt Biedenkopf hätte mit Wissen von Finanzminister Georg Milbradt (beide CDU) Bau und Vermietung eines Behördenzentrums bei Leipzig durch einen Biedenkopf-Freund beeinflusst. Zum Nachteil des Freistaates. Des Weiteren geht es um die Einflussnahme des Leipziger Staatsanwalts auf Ermittlungen wegen Kindesmissbrauchs, seinen Besitz von Porno-Videos und entsprechende Verbindungen zu einem Gerichtspräsidenten und zu kriminellen Größen der Stadt. Auch über die angebliche Einflussnahme der Stadtverwaltung auf ein Grundstück in Markkleeberg und über angebliche Sexpartys im Rathaus wird berichtet. Der Verfassungsschutz sucht fieberhaft nach dem Ursprung der Akten. Doch die kommen diesmal nicht direkt aus dem Geheimdienst. Korruptionsexperte und Buchautor Jürgen Roth („Anklage unerwünscht“) hat sie an einer im Faksimile erscheinenden Seite als von ihm stammende erkannt. „Ich habe sie einem Politiker der Linkspartei überlassen, weil sie politisch umgesetzt werden sollten“, so Roth gegenüber dieser Zeitung. Dass das Papier im Internet landete, ist für ihn ein Vertrauensbruch. Obwohl das Interesse der Öffentlichkeit an Aufklärung für ihn höher ist als das Interesse an Geheimhaltung. Zudem ist die Veröffentlichung gefährlich für die Informanten. „Quellenschutz geht über alles“, erklärte Roth. Fernsehjournalist Kowasch beteuert auf seiner Homepage „Unsere Quellen schützen wir! Egal wo sie sitzen.“ Telefonisch war er gestern nicht zu erreichen. Für Autor Jürgen Roth sind die elf Seiten ein nun auch öffentlich zugänglicher Beweis, „dass die Informationen auf drei unterschiedlichen Quellen beruhen“. Vor einer Woche hatten Verfassungsschutz und Innenministerium einen Leipziger Polizeibeamten als illegalen Informanten enttarnt und eine völlige Neubewertung der Erkenntnisse als nötig erachtet. Immerhin kann Roth den Verfassungsschutz indirekt beruhigen: „Mehr als 15 Seiten erscheinen nicht im Internet. Denn mehr habe ich nicht herausgegeben.“ Leipziger Volkszeitung, Sachsen und Mitteldeutschland, Seite 5, 11.07.2007 »»» weitere Zeitungsartikel über die sächsische Korruptionsaffäre |