Akten zu OK-Affäre verschwunden

Dresden (J.K.). Ein Teil von Gerichtsakten im Zusammenhang mit der sächsischen Korruptionsaffäre ist unauffindbar. Das teilte Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) gestern im Innenausschuss des Landtags mit. Bei den Akten handelt es sich um Originale, aus denen der Verfassungsschutz Informationen zur Organisierten Kriminalität (OK) gewonnen hat.

Leipziger Volkszeitung, Titelseite, 22.06.2007


Plauener Wahl im Zeichen der Enthüllungen

Ex-Kripo-Chef wohl Spitze im Vogtland-Netzwerk

Von JÜRGEN KOCHINKE

Dresden. Wenn der Autor Jürgen Roth heute Abend in Plauen zur Buchlesung lädt, dürfte das Interesse groß sein. Schließlich sind am kommenden Sonntag in der FDP-Hochburg Oberbürgermeisterwahlen, und die Stadt im Vogtländischen steht im Mittelpunkt des Roth-BuchsAnklage unerwünscht“. Dabei ist bekannt, dass Plauen – neben Leipzig, Chemnitz und ein wenig auch Dresden – im Mittelpunkt der sächsischen Korruptionsaffäre rund um Verbandelungen von hohen Politikern sowie Beamten aus Justiz und Polizei mit der Rotlichtszene steht. Bis zu 100 Personen sollen dort ins Visier der Ermittlungsbehörden geraten sein, rund die Hälfte aus den Bereichen Polizei und Justiz (diese Zeitung berichtete). Hinzu kommen ganz offenbar auch alte Stasi-Seilschaften und Immobilenmakler.

Eine der Zentralfiguren im Netzwerk in Plauen scheint der ehemalige Kripo-Chef Karlheinz Sporer zu sein. Der Beamte wurde Ende der neunziger Jahre als vermisst gemeldet und im Dezember des Jahres 1999 schließlich in einem Wald erhängt aufgefunden. Nach offizieller Lesart handelte es sich dabei um Selbstmord – bis heute aber kursieren Zweifel an dieser Variante – bis hin zu Mord.

Das hat mit der Vorgeschichte des hohen Polizeibeamten zu tun, der nach der Wende aus dem Fränkischen ins Vogtland gekommen war. So gab es schon Jahre zuvor erste Vorwürfe, der Kripo-Chef könnte anstehende Razzien der Ermittler an die Szene verraten haben. Dabei soll es sich unter anderem um Kontrollen im Baubereich gehandelt haben. Und wie in anderen Fällen in Sachsen auch heizen Thesen über mögliche Koppelgeschäfte – Schmiergeldzahlungen, aber auch preiswerte Besuche in einem Bordell – die Plauener Gerüchteküche an. Und nicht zuletzt geht aus den Akten des sächsischen Verfassungsschutzes offensichtlich hervor, dass auch im Vogtland Kinderprostitution im Spiel gewesen sein soll.

Doch nicht nur Polizisten scheinen belastet, sondern auch Immobilienmakler und Juristen. Ins Visier der Ermittler geraten ist hier ganz offensichtlich ein ehemaliger Staatsanwalt. Der soll an der deutsch-tschechischen Grenze ein ehemaliges SED-Prestigeobjekt gekauft haben. Darüber hinaus taucht ein hoher FDP-Politiker in den Akten der Verfassungsschützer auf – wegen mutmaßlicher Kontakte zum Rotlichtmilieu. Eben dies ist geeignet, in der aktuellen politischen Lage in Plauen für erhebliche Aufregung zu sorgen.

Leipziger Volkszeitung, Sachsen und Mitteldeutschland, Seite 4, 22.06.2007


Buttolo räumt Vernichtung von Akten ein

Dresden. In der Affäre um hochgeheime Akten des Verfassungsschutzes zur Organisierten Kriminalität (OK) in Sachsen eskaliert die Lage. Gestern wurde bekannt, dass Unterlagen zu kriminellen Netzwerken im Freistaat im Landesamt für Verfassungsschutz zum Teil endgültig vernichtet wurden. Dies hat Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) im Innenausschuss des Landtags eingeräumt. Dabei handelt es sich um Kopien von Gerichtsakten zum Thema, nicht aber um jene 15.<600 Blatt aus dem Archiv des Verfassungsschutzes, die seit Wochen für Schlagzeilen sorgen. Grüne, Linkspartei und FDP sprachen dennoch von einem Skandal.

Hintergrund dafür ist, dass die Originalbestände zu den vernichteten Unterlagen inzwischen unauffindbar sind. Dabei handelt es sich um 40 Aktenordner. Nach Aussage des Parlamentarischen Geschäftsführers der Linken, André Hahn, hat Buttolo eingeräumt, es habe sich um „menschliches Versagen aufgrund von Fehlinterpretationen“ gehandelt. Für Hahn ist das inakzeptabel: „Offenbar existiert in Sachsen nicht nur ein tiefer Sumpf, sondern auch ein Netzwerk der Vertuschung“, sagte er. Damit werde die Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaft unterlaufen. Fraktionschef Peter Porsch forderte daraufhin Buttolo und Justizminister Geert Mackenroth (CDU) zum Rücktritt auf. Beide seien nach einer „Serie von Pannen und Verfehlungen“ nicht mehr haltbar.

Harte Kritik kam auch von den Grünen. Nach Aussage von Johannes Lichdi habe Buttolo eingeräumt, dass es sich bei der Vernichtung um einen Verstoß gegen das Archivgesetz gehandelt habe. „Der Innenminister hat seinen Laden nicht im Griff“, meinte Lichdi, „er verzichtet auf die politische Führung und Kontrolle“. FDP-Mann Jürgen Martens sprach von einem „weiteren unerhörten Skandal“. Offensichtlich habe sich der Verfassungsschutz der politischen Kontrolle entzogen, „dem Innenminister ist die Dienstaufsicht völlig aus den Händen geglitten“. Damit nähere sich nicht nur Buttolo dem vorzeitigen Ende seiner Ministerkarriere, auch Regierungschef Georg Milbradt (CDU) drohe Schaden zu nehmen.

Vor allem für Buttolo wird die Lage damit endgültig ernst. Bereits am Mittwoch war bekannt geworden, dass der Innenminister ganz offensichtlich die Rückendeckung von Milbradt verloren hat. So hatte sich Milbradt dagegen stark gemacht, Klaus Fleischmann, den neuen zweiten Mann hinter Buttolo im Innenressort, als regulären Staatssekretär zu akzeptieren (diese Zeitung berichtete). Ähnliches gilt für den neuen Landespolizeipräsidenten Bernd Merbitz.

Jürgen Kochnike

Leipziger Volkszeitung, Sachsen und Mitteldeutschland, Seite 4, 22.06.2007


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