Korruptionsaffäre: LWB und Klockzin trennen sich

Alle Immobilienverkäufe auf Prüfstand / Mackenroth hofft auf Kronzeugen

L e i p z i g / D r e s d e n (A.F.). Die sächsische Korruptionsaffäre zieht Kreise und fordert weitere personelle Konsequenzen: Die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB) und Martin Klockzin, Leiter der Rechtsabteilung, trennen sich. Klockzin gilt als eine Schlüsselfigur im sächsischen Korruptionssumpf. Er war 1994 wegen eines Immobiliengeschäfts angeschossen worden. Laut Verfassungsschutz soll er in einem Kinderbordell verkehrt haben, er selbst bestreitet das.

Anlass der gestrigen Trennung ist ein Strafbefehl wegen Urkundenfälschung. Klockzin soll im Schriftverkehr zu Verkehrswidrigkeiten als Firmenjurist falsche Zusammenhänge konstruiert und LWB-Mitarbeiter erfunden haben. Die LWB prüft jetzt auch die Umstände der Trennung von Klockzins langjähriger Sekretärin und hat eine Projektgruppe eingesetzt, die alle Immobilienverkäufe in den 90er Jahren untersuchen soll. In den letzten Tagen waren wieder Vorwürfe laut geworden, dass es zu Unregelmäßigkeiten und Bevorteilung von städtischen Angestellten gekommen sein soll.

Um weiteres Licht in die Korruptionsaffäre zu bringen, hofft Sachsens Justizminister, dass Kronzeugen auspacken. „Die Strafzumessungsregelung verspricht dafür einen Rabatt“, erklärte Geert Mackenroth (CDU) gegenüber der Leipziger Volkszeitung. Sein Ministerium verschafft sich derzeit einen Überblick über alle Fälle des so genannten Sachsen-Sumpfes. Man sei dabei auf geschätzt 50 Einzelkomplexe gestoßen.

Nun wolle man herausfinden, in welchen Fällen Staatsanwaltschaft und Gerichte bereits tätig gewesen sind. Dies träfe zum Teil zu. Das bedeute aber nicht, dass es bei den Urteilen bleibe, wenn sich aus den Verfassungsschutzakten und aus Medienberichten neue Bewertungszwänge ergäben. Der im Zentrum des Leipziger Geflechts aus Justiz, Politik und organisierter Kriminalität vermutete einstige Leipziger Oberstaatsanwalt Norbert Röger bleibt so lange im Amt, bis das eingeleitete Verfahren des Richterdienstgerichts Erkenntnisse bringe, die einen Antrag auf Suspendierung rechtfertigten. Röger ist heute Amtsgerichtspräsident in Chemnitz.

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeiung, Titelseite, 15.05.2007


INTERVIEW


Irgendwann packt einer aus

Justizminister Mackenroth hofft auf Kronzeugen / Aufarbeitung der Korruptionsaffäre: 50 Einzelkomplexe ermittelt

Geert Mackenroth

Leipzig. Mit einer eigenen Datensammlung versucht sich das Justizministerium einen Eindruck über das Ausmaß des Sachsen-Sumpfes zu verschaffen. Das erklärte Justizminister Geert Mackenroth (CDU) gegenüber dieser Zeitung.

Frage: Bisher kennen nur ein Dutzend Leute die Geheimakten zum Sachsen-Sumpf. Wann gehen die Ermittlungen los, welches Ausmaß hat die Affäre?

Geert Mackenroth: Das wissen wir noch nicht, wir kennen die Akten auch nicht. Die Ermittlungen führt die Staatsanwaltschaft Dresden alleine und eigenverantwortlich. Unabhängig davon haben wir, um einen Überblick zu bekommen, alle öffentlich gewordenen Vorwürfe nach Vorfall, Tatort, Tatzeit und Beschuldigten zerlegt. Wir sind auf grob geschätzt 50 Einzelkomplexe gestoßen. Nun wollen wir anhand unserer Akten hier im Ministerium sehen, in welchen Fällen Staatsanwaltschaft und Gerichte bereits tätig gewesen sind. Dies trifft zum Teil zu.

Sind für Sie die Fälle dann erledigt, wo es bereits Ermittlungen und Prozesse gab?

Nein, natürlich nicht. Selbst dort bedeutet es ja nicht, dass die Ergebnisse immer so stehen bleiben können. Wenn neue Tatsachen etwa aus den Verfassungsschutz-Unterlagen oder aus den Medien eine andere Bewertung rechtfertigen, dann muss diese erfolgen. Wir vergleichen die alten Verfahren mit den neuen Erkenntnissen.

Haben Sie als Justizminister die Staatsanwaltschaft beauftragt, gezielt tätig zu werden?

Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelt bereits seit längerem. Hierzu ist sie durch das Gesetz verpflichtet. Das Weisungsrecht des Justizministers gilt für den Extremfall. Aber ich habe bislang davon nicht Gebrauch machen müssen, weil ich der Staatsanwaltschaft zutraue, die Dinge nach Recht und Gesetz zu erledigen. Sollte dies irgendwann nicht der Fall sein, dann werde ich anweisen. Ich habe aber bisher keinerlei Anhaltspunkte dafür.

Die Verfassungsschutz-Unterlagen dürften nicht gerichtsverwertbar sein. Sind Ermittler darauf angewiesen, dass sich Kronzeugen melden?

Das ist eine Möglichkeit. Man kann auch anderweitig Beweise sichern. Die Staatsanwaltschaft kann sich des gesamten Ermittlungsinstrumentariums bedienen, vom Bundeskriminalamt über Steuer- bis hin zur Zollfahndung. Die Erfahrung zeigt, dass irgendwann der eine oder andere auspackt. Das tut er auch im eigenen Interesse. Die Strafzumessungsregelung verspricht ihm dafür einen „Rabatt“. Ich finde es immer gut, wenn man reinen Tisch macht.

Im Zentrum des Leipziger Geflechts soll mit Norbert Röger der heutige Amtsgerichtspräsident aus Chemnitz stehen. Warum bleibt er im Amt?

Wir haben ein Disziplinarverfahren eingeleitet aufgrund der bekannt gewordenen Vorwürfe. Über eine Suspendierung entscheiden kann nur das Richterdienstgericht. Wenn und sobald das Verfahren Erkenntnisse bringt, die einen Antrag auf Suspendierung rechtfertigen, werden wir ihn stellen.

Welche Rolle spielt der von Ihnen als Berater eingesetzte Gerichtspräsident Wolfgang Eißer bei den Ermittlungen?

Er soll sicherstellen, dass nichts unter den Teppich gekehrt wird. Er soll bei der Staatsanwaltschaft mit darauf achten, dass diese professionell und sorgfältig arbeitet, nach dem Prinzip: Mehr Augen sehen mehr. Er ist nicht mein verlängerter Arm. Er hat mir angekündigt, dass er – wenn er den Eindruck hat, er werde als Alibi missbraucht – innerhalb einer halben Stunde weg ist

Interview: Andreas Friedrich

Leipziger Volkszeitung, Sachsen und Mitteldeutschland, Seite 5, 15.05.2007


LWB lässt Manager Klockzin fallen

Leipzig. Umstritten war er schon lange, Unregelmäßigkeiten mit Verkehrsdelikten haben ihm letztlich den Job gekostet. Gestern bat Martin Klockzin um Beendigung seiner Beschäftigung bei der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB). So lautet die offizielle Formulierung. Weil gegen ihn ein Strafbefehl wegen Urkundenfälschung beim Amtsgericht Leipzig vorliegt, muss der Leiter der Rechtsabteilung gehen. Er soll Widersprüche gegen Bußgeldbescheide in sechs Fällen gefälscht haben. Klockzin bestätigte die Trennung, wollte sich aber nicht weiter äußern.

Martin Klockzin

Der Firmen-Jurist soll auf einen Bußgeldbescheid wegen Geschwindigkeitsübertretung mit seinem Firmenwagen seinen Zwillingsbruder als Fahrer angegeben haben. Auch bei Verkehrswidrigkeiten anderer LWB-Mitarbeiter soll er fadenscheinige Gründe erfunden haben. Zudem habe er die Schreiben an die Polizeibehörden mit Namen unterzeichnet, die es in der LWB nicht gab. Das sei für ihn ein Spiel gewesen, sagte seine ehemalige Sekretärin Karin Christen gegenüber dieser Zeitung.

Obwohl es sich scheinbar um keinen Fall der Korruptionsaffäre handelt, darf der 47-Jährige als Erster gelten, den die Konsequenzen für die Verstrickung in einen Filz aus Politik, Wirtschaft, Rotlichtmilieu und organisierter Kriminalität treffen. Klockzin war 1994 durch drei Schüsse lebensgefährlich verletzt worden, weil er einen Denkzettel für einen verpassten Kauf des Hauses in der Leipziger Riemannstraße 52 erhalten sollte. Zwei Immobilienmakler aus dem Allgäu hatten vier Kleinkriminelle dazu angestiftet. Obwohl während des Prozesses klar war, wer die Drahtzieher waren, wurden die Täter mit hohen Freiheitsstrafen bedacht, die weit über dem Antrag der Staatsanwaltschaft lagen. Die Hintermänner mussten nur 2500 Euro an die Opferhilfsorganisation „Weißer Ring“ zahlen.

Klockzin steht auch im Verdacht, Besucher des einstigen Kinderbordells Jasmin in Leipzig gewesen zu sein. Das besagen zumindest die geheimen Akten des Verfassungsschutzes. Prostituierte sollen ihn bei einer Gegenüberstellung wiedererkannt haben. Das geht aus Polizeiakten hervor. Ähnliche Vorwürfe erhob auch Klockzins einstige Sekretärin Karin Christen gegenüber dieser Zeitung. „Er wollte von mir wissen, wie das mit dem Kinderstrich in der Nordstraße funktioniert. Dann stand im Dezember 2004 ein etwa 14-jähriges Mädchen bei mir im Büro und wollte ihn sprechen. Sie sagte, er sei ihr Freund und wolle mit ihr auswandern“, erklärte Christen (diese Zeitung berichtete). Klockzin hätte ihr auch erzählt, dass Fotos existieren sollen, die ihn in einem Kinderbordell zeigen. Das seien aber Fotomontagen. Dieser Zeitung gegenüber hatte Klockzin beteuert: „Ich war niemals in einem Kinderbordell. Ich hatte nie mit minderjährigen Mädchen Geschlechtsverkehr. Ich kenne auch keine 14-Jährige, die mit mir auswandern wollte. Das ist alles totaler Quatsch.

Obwohl Karin Christen lange mit Klockzin vertrauensvoll zusammengearbeitet hatte, fühlte sich von ihm ab 2003 zusehends gemobbt. Er soll ihr per SMS gedroht haben. Sie erhielt vier Abmahnungen aus für sie fadenscheinigen Anlässen. Letztlich musste sie die LWB Ende 2005 verlassen. Umstände und Gründe des Ausscheidens von Karin Christen will die LWB nun prüfen, kündigte sie gestern in einer Erklärung an.

Zudem teilte die Geschäftsführung mit, dass eine Projektgruppe unter Beteiligung der Innen- und Konzernrevision beauftragt werde, das Verfahren der Immobilienverkäufe in den 90er Jah- ren zu untersuchen. In den letzten Tagen waren wieder Vorwürfe laut geworden, dass sich in jenen Jahren Angestellte der Stadt Leipzig bei Immobiliengeschäften mit der LWB und ihren Tochterunternehmen bevorteilt hätten. Auch eine Ermittlergruppe der Justiz beschäftigt sich mit diesen Geschäften.

Andreas Friedrich

Leipziger Volkszeitung, Sachsen und Mitteldeutschland, Seite 5, 15.05.2007


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