Restrisiko ist überschaubar

Jörn Otto, Geschäftsführer der Technischen Werke Delitzsch, zu Kraftwerksverkauf und neuer Struktur

Von Karin Rieck
Jörn Otto

Delitzsch. Der Verkauf des Biomassekraftwerkes (BMKW) im Gewerbegebiet Delitzsch-Südwest an den Dalkia-Energiedienstleister mit Sitz in Neu-Isenburg, soll zum 1. Juli komplett abgewickelt sein – so ist es jedenfalls geplant. „Dieser komplizierte Prozess ist so gut wie abgeschlossen. Die Zustimmung des Bundeskartellamtes liegt vor“, sagte Jörn Otto, Geschäftsführer des früheren BMKW-Hauptgesellschafters Technische Werke Delitzsch (TWD).

Das kommunale Unternehmen hat sich von dieser knapp 60-Millionen-Euro-Großinvestition getrennt, um für sein Kerngeschäft, die Energieversorgung in der Kreisstadt, den Rücken frei zu bekommen. Wie berichtet, hatten sich die TWD finanziell mit dem BMKW überhoben. Otto sagte im Interview mit der Kreiszeitung über verschiedene Problemfelder bei den Technischen Werken, dass für den Betrieb nach dem Abstoßen des BMKW das Restrisiko, welches sich in Euro ausdrücken lässt, „überschaubar“ sei. Über den Kaufpreis hatten alle Beteiligten Stillschweigen vereinbart. Einen Gesamtverlust in Höhe einer zweistelligen Millionensumme, die von Kritikern im Delitzscher Stadtrat genannt wurde, konnte der Geschäftsführer „nicht nachvollziehen“.

Zurückhaltend äußerte sich Otto darüber hinaus zur Diskussion über eine neue Struktur der Delitzscher Stadtwerke, denen die TWD angehören. Bei einer der favorisierten Varianten soll der Stadtwerke-Mitgesellschafter Delitzscher Wohnungsgesellschaft zwischen die Stadt und die TWD geschaltet werden. „Dabei sollte man nichts übers Knie brechen“, so der TWD-Chef. Er deutete an, dass es bei dieser Variante wegen der vielen direkten geschäftlichen Berührungspunkte seines Unternehmens zur Stadtverwaltung Komplikationen geben könnte. Man müsse sehr ausgewogen überlegen, ob das die Technischen Werke langfristig unterstützt und sollte sich für den Prozess der Stadtwerke-Entflechtung Zeit lassen. Das komplizierte Gesellschafterrecht sei dem Ungeübten nur schwer zu erklären. „Für die Technischen Werke kann ich aber versichern, dass wir die geeigneten Strukturen haben werden, um den neuen Anforderungen des liberalisierten Energiemarktes gerecht zu werden.

Otto sieht das Unternehmen insgesamt gut aufgestellt. Die Arbeitsplätze der 60 Mitarbeiter seien sicher. Wie berichtet, beteiligt sich der kommunale Stromversorger nicht am landesweit erneuten Schrauben an der Preisspirale zum 1. Juli. Mit der Ausgliederung der Delitzscher Servicegesellschaft wird auf dem Weg „zurück zum Kerngeschäft“ ein weiterer Schritt gegangen. Für das Fernwärmekraftwerk im Delitzscher Norden, das zu teuer produziert, würden alternative Konzepte entwickelt.

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeiung, LOKALES, Titelseite, 14.06.2007



Das Kerngeschäft, die Energieversorgung, soll wieder in den Vordergrund rücken. Mit dem BMKW-Verkauf ist ein erster, wichtiger Schritt getan.

In den nächsten Preisvergleichen werden die TWD wieder so abschneiden, wie es vor der Preisanpassung war.

Ein erster, wichtiger Schritt ist getan

Jörn Otto, Geschäftsführer der Technischen Werke, spricht über Kraftwerksverkauf, Strompreise und andere Probleme

Jörn Otto will die Technischen Werke Delitzsch wieder zu einem leistungsfähigen Unternehmen machen. Foto: Manfred Lüttich

D e l i t z s c h. Der Verkauf des Biomassekraftwerkes im Gewerbegebiet Delitzsch-Südwest, die Ausgliederung der Servicegesellschaft, Diskussionen um Fernwärme- und Stromkosten sowie den Stadtwerke-Konstrukt – es gibt momentan viele Debatten rund um die Technischen Werke Delitzsch (TWD). Das kommunale Unternehmen verfolgt einen Konsolidierungskurs. Seit dem 1. November 2006 hat Jörn Otto in der Nachfolge des im Jahr 2005 fristlos entlassenen Lutz Mörtl das Ruder in der Hand. Im Kreiszeitungsinterview beantwortete der Geschäftsführer zu verschiedenen Problemen, mit denen sich das Unternehmen beschäftigt, Fragen.

Frage: Der Verkauf des Biomassekraftwerkes ist unter Dach und Fach. Wie geht es den Technischen Werken zurzeit mit dieser Transaktion?

Jörn Otto: Die Technischen Werke haben mit den Mitgesellschaftern Eon Thüringer Energie AG in Erfurt und der Eon Energy Projects GmbH in München die Geschäftsanteile komplett an die Dalkia GmbH in Neu-Isenburg veräußert. Dieser komplizierte Prozess ist so gut wie abgeschlossen. Die Zustimmung des Bundeskartellamtes liegt vor. Parallel dazu hat die Dalkia die Geschäftsübernahme begonnen. Alle Beteiligten sind über den Ablauf informiert und einbezogen. Damit gibt es keine Probleme. Als Stichtag ist der 1. Juli geplant.

Im Zusammenhang mit dem BMKW-Verkauf sprechen Kritiker von einem Verlust in zweistelliger Millionenhöhe, den die Stadt alles in allem zu verkraften hat. Welches Restrisiko müssen die Technischen Werke jetzt noch tragen?

Zu solchen Zahlen kann und will ich mich nicht äußern. Über den Kaufpreis für das BMKW wurde Stillschweigen vereinbart. Daran halten sich alle Beteiligten. Ein Verlust in der angegebenen Höhe ist mir nicht bekannt und erscheint mir auch nicht seriös. Zu den Risiken möchte ich nur sagen, dass solche, die sich in Euro-Beträgen ausdrücken, derzeit überschaubar sind.

Damit ist in der momentanen Diskussion um die neue Struktur der Stadtwerke, zu denen die Technischen Werke gehören, erneut ein Mosaikstein gesetzt. Was sagen Sie nach früheren zurückhaltenden Äußerungen heute dazu, dass in einer Variante die Wohnungsgesellschaft zwischen Stadt und TWD geschaltet werden soll?

Die TWD sind Teil der Struktur. Ich beobachte diese Diskussion und kann für die Ausgestaltung bei den TWD Verantwortung übernehmen. Bekanntlich soll das Kerngeschäft – die Energieversorgung – wieder in den Vordergrund rücken. Mit dem BMKW-Verkauf ist ein erster, wichtiger Schritt getan, ein weiterer wird mit der Übertragung der Servicegesellschaft an die Stadt erfolgen. Die Stadtwerke-Struktur ist Angelegenheit der Gesellschafter, bei denen ich mich für die bisherige Unterstützung, was die TWD angeht, bedanken möchte. Die letzten Monate waren sehr arbeits- und zeitintensiv und rückblickend auch erfolgreich, um die TWD wieder auf ein solides Fundament zu stellen. Die effektive und vertrauensvolle Zusammenarbeit der Gesellschafter bleibt auch künftig unser Wunsch, im Vordergrund die mit der Großen Kreisstadt Delitzsch. Wegen der Inanspruchnahme des öffentlichen Bereiches für die Medien Strom, Gas sowie die Betriebsführung für Wasser und Abwasser gibt es zwangsläufig die meisten Berührungspunkte mit der Stadtverwaltung. Das sollte in der Strukturdiskussion berücksichtigt werden.

Unterstützen Sie die Stadtwerke-Konstruktion oder ist diese aus ihrer Sicht überholt?

Meine persönliche Auffassung ist, dass man das nicht übers Knie brechen sollte. Das ist ein schrittweiser und langwieriger Prozess. Die ersten Schritte sind gegangen. Wenn alle Beteiligten ein schrittweises Vorgehen zielgerichtet unterstützen, ist der Stadt sowie den städtischen Unternehmen gedient. Abwartepositionen und Unklarheiten sind für die Unternehmen nicht angenehm. Wir wollen uns modern organisieren und strukturieren, um die erhofften wirtschaftliche Erfolge zu erzielen.

Sie möchten, wie Sie sagten, zurück zum Kerngeschäft. Was ist dann bei Stadtwerken modern und was nicht?

Ich kann mich nur für die TWD äußern und ich versichere, dass wir die geeigneten Strukturen haben werden, um den Anforderungen des liberalisierten Energiemarktes gerecht zu werden. Die gesetzlich vorgeschriebene organisatorische Trennung des Netzes und Vertriebes im Strom- und Gasbereich wird durchgeführt. Damit sind die TWD bereits in der Lage, den Veränderungen im Energiesektor Rechnung zu tragen. Das sieht in anderen Gesellschaften anders aus.

Dennoch gibt es Kritik an den Stromkosten bei den TWD. Bei einem Verivox-Vergleich im Internet landeten die TWD unter 821 Grundversorgern auf dem vorletzten Rang der teuersten Anbieter. Was sagen Sie dazu?

Wir brauchen nicht drum herum zu reden: Energie, ob als Strom, Erdgas oder in Form regenerativer Energie, ist und bleibt teuer. Die TWD unterliegen der Preiskontrolle. Unsere letzte Preisanpassung zum 1. Januar wurde genehmigt. Viele Energieversorger haben Preisanpassungen geplant und führen diese jetzt auch durch. In den nächsten Preisvergleichen werden die TWD wieder so abschneiden, wie es vor der Preisanpassung war. Jeder Kunde sollte sich bewusst sein, dass er sich nach seinen individuellen Verbrauchsgewohnheiten ein eigenständigen Bild machen muss. Sowohl die vorgegebenen festen Stromverbrauchsmengen als auch der Zeitpunkt der Betrachtung sagen noch nichts über eine langfristige, zuverlässige und trotz allem kostengünstige Versorgung aus. In der Energieberatung stellen die TWD das immer wieder fest.

Dennoch müssen sich die Anbieter vor allem in den neuen Bundesländern immer wieder den Vorwurf gefallen lassen, dass hier die Energiepreise viel zu hoch sind …

Sie müssen nur durch Delitzsch gehen und 15 Jahre zurückdenken. Dann wissen Sie, was in dieser Zeit investiert wurde. Der Investitionsschub Anfang der 90er Jahre hat natürlich in allen Versorgungsmedien Spuren hinterlassen. Das hier investierte Geld wurde in eine sichere Versorgung angelegt, von der auch unsere Nachkommen profitieren können. In diesem Jahr begehen wir das 100-jährige Bestehen der Stromversorgung in Delitzsch und werden die Details dazu in einer Ausstellung der Öffentlichkeit zugänglich machen. Darin beziehen wir auch den Rückbau der kommunalen Infrastruktur ein.

Bis Monatsende sind die aktuell gültigen Strompreise festgeschrieben. Was kommt danach?

Auch über den 1. Juli hinaus bleiben die Strompreise unverändert mit einer Ausnahme: Wir haben die Preise auch für Kunden außerhalb des TWD-Versorgungsgebietes angepasst. Das bedeutet für diese sogar eine leichte Preissenkung. Wer also einen Sondervertrag bei den TWD hat und das Netzgebiet verlässt, aber TWD-Kunde bleibt, zahlt genauso viel wie vorher.

Stichwort Fernwärme, eine der teuersten Heizarten die es gibt. Welche Konzepte verfolgen die TWD, um das Angebot für Delitzsch-Nord und -West so erträglich wie möglich zu gestalten?

Eine Konzeptlosigkeit, wie uns schon unterstellt wurde, gibt es nicht. Am 27. April haben wir Stadträten die Gelegenheit geboten, sich bei uns auch über die Fernwärme zu informieren. Diese ist Mitte der 70er Jahre mit den Neubaugebieten entstanden und gewachsen. Anfang der 90er Jahre wurde umweltfreundlicheres Erdgas eingesetzt und das Blockheizkraftwerk der TWD in modularer Bauweise errichtet. Dieses Konzept funktioniert bis heute. Die Module arbeiten aber nicht mehr so wie zur Anfangszeit und die Leistungsanforderungen sanken: durch bessere Heiz- und Regeltechnik, die Modernisierung und den Rückbau von Wohnungen. Dieser Prozess wird mittel- und langfristig geplant, so dass niemand damit rechnen muss, dass er Wohnungsleerstände und die Nichtauslastung der Anlagen berechnet bekommt. Diesen Teil trägt die TWD. Wir sind stolz, die uns entstehenden Belastungen aus der Fernwärme durch Einsparung und optimale Betriebsweise auszugleichen. Wir sind außerdem dabei, Alternativkonzepte zu entwickeln. Über einen gewissen Zeitraum wird es auch eine Ersatzinvestition des bestehenden Heizkraftwerkes geben müssen. Das können wir aber nicht nur an den Erfordernissen der TWD ausrichten, sondern müssen das auch mit den Wohnungsgesellschaften besprechen. Damit haben wir rechtzeitig begonnen.

Werden dafür wieder eine zentrale oder dezentrale Lösungen favorisiert?

Eine pauschale Lösung gibt es dafür nicht. Das regelt sich im Wesentlichen am Bedarf, der bekanntlich deutlich zurückgeht. Das ist aber kein technisches Problem. Über weitere Aspekte wird diskutiert, auch bezüglich des Klima- und Umweltschutzes. Dabei haben wir festgestellt, dass bei einem gasbefeuerten Heizkraftwerk die Emissionsbelastung, insbesondere mit Feinstaub, sehr gering ist, was auch mit alternativen Energieformen nicht zu verbessern ist. Die Prämissen sind wichtig und aus den Gesprächen mit den Wohnungsgesellschaften und anderen Eigentümern hoffen wir, das zu erfahren, damit wir unser technisches Konzept darauf ausrichten können. Wir sind in der Lage, in der ganzen Bandbreite zu liefern. Bereits jetzt sind bei uns im Delitzscher Stadtgebiet 18 dezentrale Wärmeversorgungsanlagen auf Gasbasis mit unterschiedlicher Leistung in Betrieb. Wir sind aber auch anderen Energieträgern gegenüber aufgeschlossen.

Nun hat Ihnen aber die Delitzscher Wohnungsgenossenschaft den Vertrag gekündigt wegen der teuren Heizwärme, um andere Lösungen für Delitzsch-Nord zu favorisieren, die sich im Rackwitzer Neubaugebiet bewährt haben. Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus?

Die Türen der TWD sind für die Genossenschaft nicht geschlossen. Es gibt weiterhin Kontakte, sollte es mit neuen Varianten der Genossenschaft Probleme geben. Jeder wird gleichbehandelt, ob er nun Kunde ist oder war. Sie können davon ausgehen, dass wir keinen Delitzscher Bürger im Kalten sitzen lassen.

Machen Sie sich Sorgen um ihren Kundenstamm?

Schwierigkeiten in unserem Unternehmen werden auch immer wieder herbeigeredet, ganz einfach, um Diskussionen zu führen. Ich sehe sehr wohl auch einen Vorteil darin, dass wir seit Jahren gebräuchliche Stromprodukte überdenken und uns am Markt ständig positionieren müssen. Bewegung schafft Handlungsspielräume, die man sich erarbeiten kann. Rund 15 500 Strom- und 5000 Gaskunden sowie die Betriebsführung für 12.000 Wasser- und 6000 Abwasserkunden können nie genug sein, sichern jedoch die Arbeitsplätze für 60 Mitarbeiter.

Ist die bereits angesprochene Ausgliederung der Delitzscher Servicegesellschaft als TWD-Tochter zur Stadt in diesem Sommer, wie jüngst vom Stadtrat abgesegnet, im Zeitplan?

Die zeitlichen Vorgaben werden eingehalten bei den vielen einzelnen Schritten, die gegangen werden müssen. Zwischen den TWD und der Stadt besteht hierbei im Wesentlichen Einvernehmen über den Zeitablauf. Die Grundsatzbeschlüsse sind gefasst. Die Verträge werden in Kürze zur Genehmigung vorliegen. Auch der finanzielle Rahmen, wie er im Stadtrat besprochen wurde, bleibt bestehen. Außerdem freue ich mich, dass der Standort der DSG an der Sachsenstraße zum gegenseitigen Vorteil erhalten bleibt.

Interview: Karin Rieck

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeiung, Seite 17, 14.06.2007


Zur Person


Jörn Otto (43) ist seit dem 1. November 2006 Geschäftsführer der Technischen Werke Delitzsch. Der Diplomkaufmann stammt aus Pirna, ist Vater von zwei Kindern und arbeitete vor seiner Tätigkeit in Delitzsch bei einem großen regionalen Gas- und einem Wärmeversorgungsunternehmen – beide mit Sitz in Dresden. Der gelernte Instandhaltungsmechaniker studierte zunächst Maschinenbau, orientierte sich 1990 beruflich neu. Als Mitarbeiter einer großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hat er die Umgestaltung der Energiewirtschaft von Anfang an begleitet. Parallel dazu studierte Otto an einer Fachhochschule Betriebswirtschaft.

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Leipziger Volkszeitung, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeiung, Seite 17, 14.06.2007


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