Verfassungsschützer muss gehenKorruptionsaffäre: Innenminister Buttolo versetzt Amtschef Stock / Milbradt weist Vorwürfe zurückLeipzig (S. H./A. F./maj). Die sächsische Korruptionsaffäre hat jetzt erste personelle Konsequenzen: Rainer Stock, Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz, muss gehen. Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) versetzte Stock als Referatsleiter ins Innenministerium. Stocks Nachfolger wird Reinhard Boos, der bereits von Mitte 1999 bis Ende 2002 Sachsens oberster Verfassungschützer war.
Mit der Personalentscheidung reagiert Buttolo auch auf Kritik aus dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKK) des Landtags. CDU-Fraktionsvize und PKK-Mitglied Frank Kupfer hatte bereits vor drei Wochen Konsequenzen gefordert. Die PKK habe „viel zu spät von den Akten erfahren“ und fühle sich vom Verfassungsschutz hinters Licht geführt. Kupfer sagte auf Nachfrage dieser Zeitung, er könne „sehr gut“ mit dieser Personalentscheidung leben. „Die Personalwahl geht in Ordnung.“ Er fühle sich in seiner Kritik bestätigt. „Wir haben den Prüfauftrag an den Innenminister gestellt, er hat geprüft und seine Konsequenzen gezogen.“ Auch Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) gerät zunehmend unter Druck. Oppositionspolitiker in Berlin fordern Konsequenzen, weil er in seiner Zeit als sächsischer Innenminister 2004/2005 den Landesbehörden Informationen des Verfassungsschutzes zu der Affäre vorenthalten habe. De Maizière sollte sein Amt als Geheimdienst-Koordinator der Bundesregierung zunächst ruhen lassen, forderte FDP-Geschäftsführer Jan Mücke. Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) wies dagegen Vorwürfe zurück, er habe bereits im November 2006 Hinweise auf Korruptionsfälle in der Justiz erhalten. Milbradt ließ gestern erklären, er habe erst im „Februar oder März 2007“ von den brisanten Verfassungsschutzakten erfahren. Die mit der Aufklärung betraute Staatsanwaltschaft Dresden teilte mit, sie habe den Geheimdienst aufgefordert, bis zum 1. Juli sämtliche vorhandenen Unterlagen zur Affäre bereitzustellen. Bislang wurden ihr nur so genannte Dossiers übermittelt. In Leipzig erhebt die einstige Sekretärin gegen einen Abteilungsleiter der LWB erneut Vorwürfe des Kindsmissbrauchs und der Erpressung, die sich teilweise mit den Informationen in den Akten decken. ©Die Akten-Affäre: Alle bisherigen Berichte zum Thema: www.lvz-online.de/korruptionsskandal Leipziger Volkszeitung, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeiung, Titelseite, 13.06.2007 Buttolo zieht ReißleineErste personelle Konsequenzen der Korruptionsaffäre: Verfassungsschutz-Präsident versetztVon SVEN HEITKAMPDresden. Seit einem Monat hält die Korruptionsaffäre Sachsen in Atem. Gestern nun zog Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) erste personelle Konsequenzen: Der bisherige Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz, Rainer Stock, muss seinen Posten sofort räumen. Er leite künftig das Referat „Recht der Polizei“ im Innenministerium. Eine klare Degradierung – doch überraschend kommt sie nicht. Schon am 15. Mai, als die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) des Landtages den Weg frei machte für die Ermittlungen gegen hochrangige kriminelle Geflechte von Amtsmissbrauch und Korruption, Immobiliendeals und Kinderprostitution, war klar, dass Stocks Stuhl wackelt. Das fünfköpfige Landtags-Gremium zur Kontrolle des Geheimdienstes hatte heftigst gerügt, dass es so spät über die bedeutenden Vorgänge informiert worden war und teilte unmissverständlich mit: „Die PKK erwartet, dass der Staatsminister personelle Konsequenzen an der Spitze des Verfassungsschutzes prüft.“ Dieser Aufforderung sei der Minister nun nachgekommen, sagte ein Sprecher. Zuvor war in Dresden bereits zu vernehmen, der 56-jährige Stock sei gesundheitlich angeschlagen, eine Abberufung drohe ohnehin. Allein: Das Innenministerium musste erst einen Nachfolger finden, der über jeden Zweifel erhaben ist. Das Los fiel nun auf Reinhard Boos, der durchaus kein Unbekannter ist: Boos leitete bereits von Juni 1999 bis Ende 2002 das geheime Landesamt. Der 50-jährige Volljurist war 1992 aus dem Bundesdienst – zuletzt beim Bundesdatenschutzbeauftragten – zum sächsischen Verfassungsschutz gekommen. Als Abteilungsleiter und stellvertretender Dienststellenleiter habe er viel zum Aufbau des Sicherheitsdienstes in Dresden beigetragen, hieß es bei seiner Verabschiedung im Dezember 2002. Parallel zum Wechsel an der Spitze des Amtes nimmt Buttolo weitere Veränderungen in seinem Ministerium vor – und tauscht die zuständigen Abteilungsleiter aus. Der bisherige Chef der Abteilung für den Verfassungsschutz, Karl Bey, muss für Joachim Tüshaus Platz machen, den bisherigen Leiter der Innenrevision und früheren Vizechef der Schlapphüte. Zugleich wird das Verfassungsschutzreferat in der Hierarchie weiter oben angebunden – in der Abteilung für „Zentrale Angelegenheiten“. Buttolo zeigte sich überzeugt, „dass mit diesen Personalmaßnahmen das Landesamt für Verfassungsschutz und das in meinem Haus zuständige Referat gestärkt werden“. Auch CDU-Mann Frank Kupfer, begrüßte die Entscheidung. „Ich gehe davon aus, dass sich die Zusammenarbeit nun wieder verbessern wird“, sagte das PKK-Mitglied dieser Zeitung. Das sah die Linkspartei jedoch vorerst skeptisch. „Ob der nötige Neuanfang mit dem Rückgriff auf einen früheren Präsidenten gelingen kann, bleibt abzuwarten“, so PKK-Mitglied André Hahn. Dass zugleich der frühere Vizepräsident des Landesamtes künftig für dessen Aufsicht zuständig ist, habe „einen schalen Beigeschmack“. Der SPD-Abgeordnete Stefan Brangs forderte zugleich, die personellen Veränderungen dürften nur der Beginn der Aufarbeitung sein. „Ich hoffe, dass der Minister nicht nur mit einem Befreiungsschlag Stärke zeigen will. Es bleibt nach wie vor zu fragen, wer wann etwas wusste“, so Brangs im Gespräch mit dieser Zeitung. Seit der Freigabe der Ermittlungen der PKK läuft bei der Staatsanwaltschaft ein „Prüfvorgang“ gegen die kriminellen Netzwerke vor allem in Leipzig, Plauen und Dresden. Staatsanwalt Christian Avenarius verwahrte sich gestern jedoch gegen Vorwürfe, dass die Staatsanwaltschaft nicht ordentlich arbeite und schon feststehe, dass bei den Ermittlungen nichts herauskomme. „Wir sind ausgesprochen verärgert, dass man uns den Aufklärungswillen abspricht. Wir sind nicht ferngesteuert und lassen uns nicht verunglimpfen“, so Avenarius. „Wenn wir nicht ermitteln würden, würde dies eine Straftat bedeuten.“ Die Staatsanwaltschaft habe vorigen Freitag beim Verfassungsschutz die Herausgabe aller Akten zur Korruptionsaffäre bis zum 1. Juli erbeten. Bisher habe man erst drei Dossiers erhalten, „mit denen wir die Sache aber nicht vollständig aufklären können“, so Avenarius. Der Geheimdienst will allerdings aus Gründen des Quellenschutzes Teile der Akten schwärzen. Leipziger Volkszeitung, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeiung, Seite 4, 13.06.2007
Leipziger Volkszeitung, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeiung, Seite 4, 13.06.2007 »»» weitere Zeitungsartikel über die sächsische Korruptionsaffäre |