INTERVIEW
„Instrumente gegen Korruption höchst defizitär“
OK-Affäre: Staatsrechtler für externe Ermittlung
Leipzig. Für externe Aufklärung der Verstrickung zwischen Justiz, Politik und Unterwelt plädiert Hans Herbert von Arnim. Der Staatsrechtler an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer und Buchautor warnt davor, den Bock zum Gärtner zu machen.
Frage: Wo bleiben Gewaltenteilung und Demokratie, wenn Justiz, Politik und Polizei klüngeln?
Hans Herbert von Arnim: Die Gewaltenteilung und damit die wirksame Kontrolle würden ausgehebelt. Wenn alle drei Gewalten, die Gesetzgebung, die Verwaltung und die Justiz verstrickt wären, dann könnte keine Gewalt die andere wirksam kontrollieren, wie es eigentlich sein soll.
Kann und sollte Sachsens Justiz den eigenen Sumpf selbst trockenlegen?
Manches spricht dafür, dass Richter und Staatsanwälte in den Filz verstrickt sind. Dann macht man den Bock zum Gärtner, wenn man die sächsische Justiz allein mit der Aufklärung betraut. Man sollte eine auswärtige oder sonst unabhängige Instanz die Aufklärung zumindest überwachen lassen.
Verstehen Sie, dass die Bundesanwältin die Ermittlungen ablehnte?
Die Bundesanwaltschaft kann in erster Instanz nur tätig werden, wenn ganz bestimmte gesetzliche Voraussetzungen gegeben sind. Frau Harms hat mitgeteilt, diese wären nach ihren Kenntnissen nicht gegeben. Wenn das so ist, was ich nicht nachprüfen kann ohne die Unterlagen, dann bleibt ihr nichts anderes übrig, als die Ermittlungen abzulehnen.
Der Justizminister hat mit dem Präsidenten des Landgerichts Waldshut-Tiengen einen Experten als Berater verpflichtet. Was kann das bringen?
Wenn man sich nur einen Berater holt und dann dessen Ratschläge aufgreifen kann, aber nicht muss, ohne dass die Öffentlichkeit erfährt, ob er Zugang zu allen Informationen erhält und was er denn rät, bleibt die Gefahr, dass der Minister nur das verwendet, was er politisch für opportun hält. Das scheint mir nicht auszureichen, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in eine unvoreingenommene Aufklärung wiederherzustellen, wenn es zutrifft, dass Vertreter aller drei Gewalten in diesem Sumpf stecken. Ich bin dafür, eine allseits anerkannte, integre Persönlichkeit mit juristischer und politischer Erfahrung einzuschalten und sie mit allen politisch erforderlichen und rechtlich möglichen Vollmachten auszustatten.
Geht es außer um Aufklärung auch um das Vertrauen in die Rechtschaffenheit der sächsischen Justiz?
Die Politiker haben zwar von Anfang an davon gesprochen, sie würden die brutalstmögliche Aufklärung betreiben. Aber wenn die Politik solche deftigen Vokabeln gebraucht, dann spricht das nach meiner Erfahrung dafür, dass sie nur öffentlich Eindruck machen und das Misstrauen beseitigen will. Dabei bleibt unklar, ob sie es wirklich ernst meint und ob sie auch die Kraft und die Mittel hat, die nötig sind.
Darf man von der Bildung einer kriminellen Vereinigung reden, wenn Richter, Staatsanwälte, Polizisten, Politiker zum eigenen Vorteil gemeinsame Sache machen?
Wenn hier wirklich Vertreter aller drei Gewalten zusammen kungeln und sich bei der Begehung strafbarer Handlungen gegenseitig stützen und ein korruptives und kriminelles Netzwerk unterhalten, dann wäre das ein demokratischer Supergau. Denn dann wäre die Gewaltenteilung ausgehebelt, um Aufklärung, Aufarbeitung und die nötigen Kontrollen durchzuführen. Ob das der Fall ist, wissen wir noch nicht.
Ist es zutreffend oder eine Einzelmeinung, wenn ein Korruptionsexperte wie Jürgen Roth vom Mafialand Deutschland redet?
Es macht tatsächlich nachdenklich, dass die Kontrollinstrumente gegen Korruption, an der die Politik beteiligt ist, höchst defizitär sind. Wenn man einem Abgeordneten einen Sack Geld anbietet, läuft man allenfalls Gefahr, dass der einen rausschmeißt. Wenn er das Geld aber annimmt, handeln beide völlig legal. Zudem können Parlamentarier ungestraft Diener zweier Herren sein, einerseits für die Gesamtheit der Bürger arbeiten und andererseits ihren politischen Einfluss zu Höchstpreisen an finanzstarke Unternehmen und Verbände verkaufen. Bundeskanzler und Minister wechseln ungestraft wie durch eine Drehtür in die Chefetagen von Großunternehmen und lassen sich das Wohlwollen, das sie diesen Unternehmen vorher als Amtsträger erwiesen haben, vergolden. Bei uns fehlen gegen solche Formen korruptiven Amtsmissbrauchs die nötigen Gesetze, diese müsste die Politik ja selbst machen. Bei der Korruptionsbekämpfung stinkt der Fisch vom Kopf her. Zudem sind die Staatsanwälte nicht unabhängig, sondern unterliegen den Weisungen der Politik. Gerade wenn es um politische Straftatbestände geht, haben Politiker die Möglichkeit, Staatsanwälte zu zügeln und auszubremsen.
Was halten Sie davon, dass Kanzleramtsminister de Maizière als Innenminister die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes nicht an die Kontrollkommission weitergab?
Es besteht Aufklärungsbedarf, warum die Informationen damals unter Verschluss gehalten und nun weitergegeben wurden. Es kann ja in zwei Jahren nicht soviel dazugekommen sein, dass die Geschäftsgrundlage eine andere ist.
Interview: Andreas Friedrich
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