Eine kriminelle Vereinigung

Früherer bfb-Chef Hermanni wirft Leipziger Staatsanwaltschaft rechtswidriges Verhalten vor

Matthias von Hermanni Norbert Röger

Leipzig. Sachsens Generalstaatsanwalt hat Vorermittlungen gegen Norbert Röger, einst leitender Oberstaatsanwalt in Leipzig, eingeleitet. Dies geschah vor dem Hintergund aktueller Medienberichte über einen Filz aus Justiz, Politik, Immobilienhandel und Rotlichtmilieu in Sachsen. Ob sich die Vorwürfe aus Akten des Verfassungsschutzes erhärten, ist ungewiss. Doch einer klagt schon lange an: Matthias von Hermanni, früher Chef des Leipziger Betriebes für Beschäftigungsförderung (bfb).

Die aktuellen Enthüllungen rufen bei dem 53-Jährigen böse Erinnerungen wach. „Ich fühle mich vollends in dem bestätigt, was ich ab meiner Akteneinsicht im Februar 2000 geglaubt habe. Die Staatsanwaltschaft Leipzig benahm sich wie eine kriminelle Vereinigung.“ Hermanni war bekanntlich wegen Betrugs angeklagt, saß vier Wochen in Untersuchungshaft und wurde vom Landgericht Leipzig verurteilt. Doch der Bundesgerichtshof zerriss das Urteil als unbegründet. Was der heute Rehabilitierte erzählt, begann 1997 und klingt wie eine Räuberpistole. Mittendrin - obwohl weder ermittelnder noch anklagender Staatsanwalt - sei immer Norbert Röger gewesen. „Röger war die zentrale Figur“, sagt Hermanni.

Röger habe seinen Mitarbeiter Thomas Gast für das Hermanni-Verfahren freigestellt und ihm als Belohnung noch eine Abteilung zugeordnet. „So gestärkt konnte sich Gast über alle entlastenden Beweismittel hinwegsetzen.“ Auch habe Röger als Sprecher der Staatsanwaltschaft die öffentliche Meinung beeinflusst, Medien mit Gerichtspapieren wie einer Anklageschrift gefüttert, zum Teil noch bevor sie die Verteidigung zu Gesicht bekam. Hermanni machte selbst einen Test. Er gab sich gegenüber Röger am Telefon als ein „Reporter Becker von Spiegel TV“ aus. Und prompt bekam er Informationen, die ihm als Angeklagtem vorenthalten wurden.

Es gab zig Rechtsbrüche während der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und des Prozesses. Jeder für sich genommen wäre noch als Zufall hinzunehmen gewesen. Aber alle Rechtswidrigkeiten zusammen können kein Zufall sein“, ist sich der einstige Chef von bis zu 8000 ABM-Kräften sicher. „Weil der Betrieb der Wirtschaft und der Politik ein Dorn im Auge war, ließ sich die Staatsanwaltschaft politisch instrumentalisieren.“ Beispielsweise seien Akten verschwunden und Straftaten inszeniert worden. So habe er der Polizei drei Ordner mit den Original-Bankbelegen über seinen privaten Hausbau angeboten, was die Ermittler jedoch ablehnten. Hermanni: „Der Haftbefehl gegen mich wurde mit der Schaffung einer Verdunklungslage konstruiert, wie das Oberlandesgericht Dresden im Jahre 2006 abschließend festgestellt hat.

Die Staatsanwaltschaft habe sogar Zeugen manipuliert. „Am Ende entsprach der Leipziger Richter Karsten Nickel trotz aller Ungereimtheiten dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Während des Verfahrens wurde er zum Kammervorsitzenden befördert.“ Das eigentliche Problem liege in der Struktur der sächsischen Justiz. In keinem anderen Bundesland werde so häufig zwischen Richterposten und Staatsanwaltsstellen gewechselt. „Daher kennt jeder jeden, achtet auf die eigene Karriere und hat kein klares Rollenbild.

In seinem Prozess am Landgericht habe eine „Richterin auf Probe“ das Urteil geschrieben, die zu diesem Zeitpunkt Mitarbeiterin der Staatsanwaltschaft gewesen sei. „Sie wusste, dass sie von der Staatsanwaltschaft noch eine Beurteilung braucht, die wichtig für den weiteren Berufsweg ist“, so Hermanni. Normale Bürger hätten gegen diese Maschinerie keine Chance. „Ich hatte viele ehrenamtliche Helfer und Glück, dass ich ein Zweifamilienhaus verkaufen konnte, um die Prozesskosten zu zahlen. Die Schulden belasten mich heute noch.“ Hermanni stellte Strafanzeige gegen Staatsanwalt Gast wegen Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung. Das Verfahren wurde von Sachsens Generalstaatsanwalt eingestellt. Röger wurde befördert, er ist heute Amtsgerichtspräsident in Chemnitz.

Jens Rometsch / Andreas Friedrich

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, Seite 06, 21. Mai 2007


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