Kosten-Hochburg Delitzsch

D e l i t z s c h. Energie wird in der Kreisstadt zum Luxusgut. Wohnen selbst ist günstig. Doch die Nebenkosten steigen von Jahr zu Jahr. Auf den bundes- und landesweiten Teuro-Ranglisten für Strom, Gas und Müll rangieren sowohl die Technischen Werke Delitzsch (TWD) als auch die Kreiswerke Delitzsch (KWD) immer ganz oben.

Von Torben Stephan

Der Turm des Delitzscher Stadtschlosses steht hier symbolisch für die Kosten-Hochburg Delitzsch Energie wird teurer. Insgesamt sind die Kosten für die Endverbraucher in Deutschland zwischen 2005 und 2006 um 5,3 Prozent gestiegen. Die Nebenkosten für Wohnen und Leben nehmen einen immer größeren Teil des Geldbeutels in Beschlag.

In Delitzsch ist die Situation besonders schlimm. Das Verbraucherportal Verivox hat bundesweit die Angebote der kommunalen Grundversorger verglichen. Beim Strom wurde eine vierköpfige Familie mit einem Jahresverbrauch von 4000 Kilowattstunden angenommen. Die Technischen Werke belegen dabei Rang 820 von 821 und sind somit der zweitteuerste Energielieferant der Republik. In Zahlen müssen die Delitzscher genau 316,59 Euro mehr für dieselbe Menge Strom berappen als Stadtwerke-Kunden im niedersächsischen Isernhagen. Zudem müssen Delitzscher, die trotz des liberalisierten Strom-Marktes noch immer dem städtischen Energielieferanten ihr Vertrauen schenken, richtig draufzahlen. Wer den günstigsten alternativen Anbieter wählt, kann bei 4000 Kilowattstunden im Jahr rund 100 Euro sparen.

Teure Energie

Ganz ähnlich schneidet die TWD-Tochter Gasversorgung Delitzsch im Vergleich der Grundversorger ab. Nach Zahlen des Bundeskartellamtes rangiert das städtische Unternehmen mit seinem Angebot für 20000 Kilowattstunden deutschlandweit auf Platz 673 von 711. Damit belegt die Gesellschaft einen Platz unter den Top 40 der teuersten Anbieter. Zudem unterbietet die Konkurrenz aus Bitterfeld den heimischen Grundversorger bei diesem Beispiel um gut 90 Euro. TWD-Chef Jörn Otto wollte sich gestern nicht zu den schlechten Ergebnissen seines Unternehmens äußern. Eine schriftliche Anfrage der Kreiszeitung vom Vortag ließ er den Pressesprecher der Eon Thüringen, Martin Schreiber, beantworten. Der argumentierte: „Wir als Grundversorger haben verschiedene Pflichten, die andere Anbieter nicht haben.“ Damit meinte er, dass die TWD per Gesetz alle Haushalte (und seien sie noch so abgelegen) an das Stromnetz anzuschließen haben. Zudem müssen Grundversorger Energie für Notfälle speichern und Ausfälle alternativer Anbieter (etwa bei Pleiten) auffangen. Doch während seiner Argumentation war dem Thüringer wohl entgangen, dass bei dem Vergleich ausschließlich Grundversorger berücksichtigt wurden.

Luxus-Müllentsorgung

Auch im Altkreis Delitzsch stinkt es derweil zum Himmel. Die Müllentsorgung wird dort von den Kreiswerken geregelt. Die Gebühren beschließt der Kreistag. Dieser entscheidet auf Grundlage eines Vorschlags des Landratsamts. Zuvor reicht der Entsorger seine Kalkulation ein. Und wieder steht Delitzsch ganz oben in der sächsischen Preisliga. 74 Euro pro Einwohner und Jahr kostet der Abtransport. Wenn man den Gewerbemüll herausrechnet, bleiben immerhin noch 61 Euro, die jeder Loberstädter zahlen muss. Dresden und Stollberg teilen sich mit jeweils 58 Euro den zweiten Platz der Rangliste. Glanzlicht Mittweida konnte die Belastung ihrer Bürger dagegen auf 33 Euro reduzieren.

Vize-Landrat Ulrich Fiedler (SPD) erklärt die hohe Belastung der Bürger mit dem Rundum-Service, den der Altkreis seinen Einwohnern beim Müll bietet. „Wir holen weiterhin den Sperrmüll ab, haben das Schadstoff-Mobil und die kostenlose Abgabe von Elektroschrott“, sagt der Czupalla-Stellvertreter. Katja Uhlemann, Sprecherin des Landratsamtes in Mittweida, hält dagegen: „Wir haben ein anreizorientiertes Entsorgungsprinzip. Wer wenig Müll produziert, zahlt auch weniger.“ Die Erfahrungen seien gut. Während im Bundesdurchschnitt von 152 Kilogramm Müll pro Person und Jahr ausgegangen wird, werfen die Mittweidaer nur 81 Kilo auf die Halde. Sperrmüll, Elektroschrott, Schadstoffe und Biotonne kosten dafür extra.

Aufgrund der unterschiedlichen Angebote ist es schwierig, die Preise für die Abfallentsorgung der sächsischen Kreise und Städte miteinander zu vergleichen, heißt es im Landesamt für Umwelt und Geologie in Dresden. Dort werden jährlich die Müllgebühren im Freistaat in einer Studie aufgelistet. „Delitzsch den Schwarzen Peter zuzuschieben ist nicht gerecht“, sagt ein Mitarbeiter des Amtes, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Die Kreisstadt habe durch eine zeitnahe Kalkulation die Vorbehandlungskosten für Deponiemüll, die seit Mitte 2005 fällig werden, schon voll mit eingerechnet. Deshalb könnten in anderen Kommunen die tatsächlichen Müllpreise höher sein als in dem vorgelegten Vergleich, der auf den Zahlen der Kalkulationen beruht. Doch in Mittweida trat mit Beginn des Jahres eine neue Gebührenordnung in Kraft. Die Vorbehandlungskosten sind also schon eingerechnet. Und im Gegensatz zum vorherigen Modell ist die Müllentsorgung für die Bürger im sächsischen Landkreis noch einmal zehn Prozent günstiger geworden. Davon können die Delitzscher nur träumen.



Hintergrund


Es müssen nicht immer die Stadtwerke sein

Der Strommarkt ist bereits liberalisiert, auch wenn sich vier große Konzerne das Bundesgebiet dem Anschein nach untereinander aufgeteilt haben. Auch in den Gasmarkt kommt langsam aber sicher etwas Bewegung. Ähnlich, wie bei den Telefon- und Internet-Tarifen, ist es nicht immer leicht, den Überblick zu behalten und das günstigste Angebot herauszufinden. Dafür gibt es aber – ebenfalls wie in der Telekommunikationsbranche – spezielle Internet-Seiten, die einem beim Rechnen helfen. Verivox ist so ein Verbraucherportal, in dem die Strom- und Gas-Lieferanten ihre Angebote einstellen. Die Kunden müssen dann nur noch Postleitzahl und ungefähren Verbrauch eingeben und der Computer spuckt die günstigsten Tarife aus.

tos

Leipziger Volkszeitung, DELITZSCH UND UMGEBUNG, Seite 19, 07.02.2007


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