Ex-Beigeordneter Tschense – neuer Job und neuer ÄrgerInsider-Wissen bringt Beratertätigkeit in Delitzsch ein / Landrätin Köpping fürchtet Auswirkungen auf Millionen-Streit mit Leipzig
Ex-Ordnungsbeigeordneter Holger Tschense (SPD) hat die Seiten gewechselt: Er berät jetzt den Landkreis Delitzsch in einem Rechtsstreit, den dieser unter anderem gegen die Stadt Leipzig führt. Tschense, der noch ein Übergangsgeld für seine Leipziger Tätigkeit bezieht, sieht darin keinen Interessenkonflikt. Als Holger Tschense noch Beigeordneter war, leitete er den Zweckverband Abfallwirtschaft Westsachsen (ZAW), dem neben der Stadt Leipzig der Kreis Leipziger Land und der Muldentalkreis angehören. In dieser Funktion erarbeitete Tschense eine Vereinbarung, die die Zusammenarbeit zwischen dem ZAW und dem Landkreis Delitzsch regeln sollte. Das Prinzip: Die Delitzscher durften ihren Hausmüll beim ZAW abliefern und nahmen im Gegenzug verwertbare Reststoffe ab, um sie weiterzuverarbeiten. Mit diesem Geschäft sollten die Müllgebühren in Leipzig und im Umland niedrig gehalten werden, doch es kam ganz anders. Delitzsch nahm die Reststoffe wegen Qualitätsmängeln nicht ab und der ZAW musste sie teuer entsorgen. Der Schaden soll sieben Millionen Euro betragen. Der ZAW ist inzwischen dabei, die Summe vom Landkreis Delitzsch einzuklagen (die LVZ berichtete). Um sich dafür zu rüsten, haben die Delitzscher jetzt die GbR Com-net angeheuert – ein Ein-Mann-Unternehmen, das Leipzigs abgewählter Ordnungsbeigeordneter Tschense ins Leben gerufen hat. „Ich muss doch sehen, wo ich bleibe“, verteidigt sich der ehemalige Wahlbeamte, der noch bis Mitte 2008 ein Übergangsgeld von 66 Prozent seiner früheren Bezüge bekommt. „Ich berate in Abfallfragen, das hat nichts mit dem Rechtsstreit zu tun. Außerdem bin ich nicht Vertragspartner des Landkreises – gegen den sich die Klage richtet –, sondern der Kreiswerke Delitzsch.“
Michael Czupalla – der Delitzsch als Landrat gegen die Millionenforderung des ZAW vertritt und gleichzeitig Mehrheitsgesellschafter sowie Aufsichtsratsvorsitzender der Kreiswerke ist – sieht Tschenses Aufgaben weiter. „Er ist auch gebunden worden, weil wir sein Wissen und seine Erfahrungen für die Vermittlung mit dem ZAW nutzen wollen“, erklärt er. „Außerdem wollen wir mit seiner Hilfe ausloten, wie wir besser mit dem ZAW zusammenarbeiten können.“ Deshalb laufe der Vertrag mit ihm auch über ein Jahr. Tschense betont, er suche einen für beide Seiten annehmbaren Kompromiss. „Es nutzt allen, wenn der Streit einvernehmlich beigelegt wird“, sagt er. „Wenn die Angelegenheit vor Gericht ausprozessiert wird, dauert das vier bis fünf Jahre und beide Seiten müssen 100 000 Euro für Gerichts- und Anwaltskosten zahlen.“
Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD), der auch Vorsitzender des ZAW ist, will allerdings nicht mit seinem früheren Kollegen Tschense verhandeln. „Mein Ansprechpartner ist Landrat Czupalla“, sagt er. „Unser Zweckverband wird auf jeden Fall seine Klage gegen den Kreis Delitzsch aufrecht erhalten.“
Die Landrätin des Kreises Leipziger Land, Petra Köpping (SPD), kündigt an, Tschenses Beratervertrag prüfen zu lassen. „Natürlich kennt Herr Tschense Interna, die gewisse Zeit keinem anderen zugänglich gemacht werden dürfen“, sagt sie. „Auch dem Landkreis Delitzsch könnte es damit leichter fallen, eine Gegenposition aufzubauen. Ich lasse das jetzt rechtlich prüfen.“ Andreas Tappert/Klaus Staeubert Leipziger Volkszeitung, LEIPZIG, Seite 15, 10.01.2007 |