Kreistag sagt Ja: Müllgebühren steigen

Linkspartei kritisiert Mehrbelastung / Fiedler relativiert: Real nur 2,1 Prozent

Von KRISTIAN TEETZ und FRANK PFÜTZE

Kreisgebiet. Die Erhöhung der Müllgebühren ist beschlossen. Der Kreistag stimmte der neuen Abfallgebührenordnung bei zwölf Gegenstimmen aus der Linksfraktion und einer Enthaltung zu. Linkspartei-Fraktionschef Michael Friedrich kritisierte, dass lediglich der Kreis als Hauptgesellschafter der Mechanisch-Biologischen Abfallbehandlungsanlage in Cröbern für die dort entstehenden Kosten gerade stehen muss. Der private Anteilseigner habe dagegen keine Nachteile. „Das ist politisch unanständig“, sagte Friedrich. Er forderte Landrat Michael Czupalla (CDU) auf, in Nachverhandlungen zu treten. Friedrich kritisierte weiterhin, dass die Kosten für die Müllentsorgung um 40 Prozent erhöht wurden. Das könne man so nicht rechnen, konterte der erste Beigeordnete Ulrich Fiedler. „Man muss die reale Zusatzbelastung nehmen“, betonte er. Die liege pro Bürger bei 2,1 Prozent. „Man kann sich immer irgendeinen Wert heraussuchen und die Erhöhung daran festmachen“, kritisierte Fiedler Friedrichs Einlassung. Es komme aber darauf an, wie hoch die reale Mehrbelastung für den Bürger sei. Tauchas Bürgermeister Holger Schirmbeck (SPD) regte an, eine Mindestentsorgungsgebühr pro Haushalt einzuführen. So soll verhindert werden, dass Menschen ihren Müll in der Landschaft oder in fremden Tonnen entsorgen, nur weil sie die Entsorgungskosten sparen wollen. Czupalla kündigte an, dies ebenso zu überdenken wie die Anregung der SPD aus dem Kreisausschuss, nicht mehr jährlich über die Abfallgebühr zu beraten.

LVZ, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, 08.12.06, Titelseite


Aufforderung zum Widerspruch

Delitzsch (red). Um die Erhöhung der Müllgebühren ging es auch bei der Podiumsdebatte des Aktionsbündnisses für sozialverträgliche Kommunalabgaben und des Bürgervereins Sauberes Delitzscher Land zur Wirtschaftsstrategie der Kreiswerke Delitzsch am Mittwoch in Delitzsch. Die Zuhörer wurden aufgefordert, dagegen Widerspruch einzulegen.

LVZ, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, 08.12.06, Titelseite


Das ist eine Frage für den Weihnachtsmann

Podiumsdebatte im Bürgerhaus: Bündnis und Umwelt-Verein kündigen Widerspruch gegen Müllgebühren-Erhöhung an

Von Robert Nössler

Delitzsch. Weihnachtlich dekoriert ist der Saal des Delitzscher Bürgerhauses. Zwei geschmückte Christbäume erleuchten mit ihren Glühbirnen den Raum, von der Decke strahlt ein güldener Weihnachtsstern. Besinnlich geht es am Nikolausabend in der Securiusstraße 34 jedoch nicht zu. Das Aktionsbündnis für sozialverträgliche Kommunalabgaben der Linkspartei-Fraktion im sächsischen Landtag und der Bürgerverein Sauberes Delitzscher Land haben zum zweiten Teil ihrer Diskussionsveranstaltung „Wird des Bürgers Geld nur noch verzockt?“ mit dem Untertitel Müllgebühren – Der Fisch stinkt vom Kopf her eingeladen. Die wenige Stunden zuvor vom Kreistag beschlossene Abfallgebührenerhöhung im Landkreis, die Wirtschaftsstrategie der Kreiswerke Delitzsch (KWD) sowie deren Zwischenlager in Spröda stehen dabei im Mittelpunkt.

Wir haben in Delitzsch sachsenweit die höchsten Müllgebühren. Und trotzdem wurde heute vom Kreistag schon fast turnusmäßig beschlossen, die Abgaben ab dem kommenden Jahr weiter zu erhöhen“, kritisiert der Bürgervereinsvorsitzende Dietmar Mieth zu Beginn der Veranstaltung. Andrea Roth, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Landtag, bemängelt insbesondere, dass die Einwohner bei solchen Entscheidungen nicht mit einbezogen werden. „Bürgers Meinung war hier wieder einmal unwichtig“, beklagt die Abgeordnete mit Verweis auf das Fehlen einer Bürgersprechstunde im Delitzscher Kreistag. Dieser Zustand sei „nicht tragbar und extrem undemokratisch“. „Wehren Sie sich dagegen“, appelliert Roth an die 40 Anwesenden im Saal. Pikante Details hat Verwaltungsrechtler Lothar Hermes aus Dresden im Gepäck. Er präsentiert eine angenommene Beschlussvorlage des Kreistags vom Juni 2005, in der eine Verlängerung des Versorgungsvertrags zwischen dem Landkreis und den Kreiswerken bis zum Jahr 2025 avisiert wird. „Laut Ausschreibungsrecht hätte dieser Auftrag öffentlich ausgeschrieben werden müssen, was jedoch nicht der Fall war“, bemängelt der Jurist. Hermes kündigt an, „die- sen offensichtlichen Verstoß gegen die Wettbewerbsbeschränkungen“ der Rechtsaufsichtsbehörde sowie dem Sächsischen Rechnungshof zur Kenntnis bringen zu wollen. Den betroffenen Bürgern rät der Anwalt, Widerspruch gegen die Gebührenerhöhung einzulegen. „Die fehlende Ausschreibung sowie die vergleichsweise hohen Gebühren für Abfall im Kreis Delitzsch sind eine solide Grundlage dafür, dass so ein Verfahren Erfolg hat“, meint der Dresdner. Vordrucke für Widersprüche gegen die Gebührenerhöhung werde es in Kürze beim Bürgerverein geben, verspricht dessen Vorsitzender Mieth.

Wo die 8,72 Millionen €, die die Kreiswerke von 1993 bis 2001 als Rücklagen für die Deponiesanierung angespart haben, geblieben sind, konnte laut Hermes bislang nicht geklärt werden. Darum war es im ersten Teil von „Wird des Bürgers Geld nur noch verzockt?“ Anfang Mai gegangen (wir berichteten). „Aufgrund der Strafanzeige gegen die KWD wegen Untreue ist von der Staatsanwaltschaft kein Ermittlungsverfahren eröffnet worden“, berichtet der Rechtsexperte. Die Einsicht in die Bilanzen habe auch keine neuen Erkenntnisse gebracht. „Es gibt zwar in jedem Geschäftsjahr einen Kostenpunkt für sonstige Aufwendungen, was jedoch dahinter steckt, ist fraglich“, so Hermes.

Heftige Kritik an den Praktiken der Kreiswerke kommt von Kreisrat Roland Hadrych (Linkspartei). „Ich sehe in den Bilanzen keine einzige Position, bei der gespart wird“, schimpft er. Knackpunkte seien zudem die privatrechtlichen Verträge der KWD, die im Gegensatz zu den öffentlichen-rechtlichen nicht eingesehen werden dürfen.

Als mögliche Ursache für den Preisanstieg haben Mieth & Co. unter anderem das Zwischenlager für heizwertreiche Fraktionen (HWRF) in Spröda ausgemacht. „Es ist ineffizient und nicht rentabel, den Müll dorthin zu transportieren und dann jahrelang zu lagern. Stattdessen muss es eine ortsnahe Verzahnung der Verfahrensstufen geben“, sagt Diplomchemiker Sieghard Weck, der das Bündnis als Umweltgutachter unterstützt. Nur wenn man die heizwertreichen Fraktionen direkt vor Ort in Energie umwandelt, würde die Wertschöpfung wieder stimmen.

Weck plädiert deshalb für ein integratives Gesamtkonzept, das die Errichtung einer angemessen dimensionierten Müllverbrennungsanlage in Espenhain bei Cröbern vorsieht. Denn durch die Zwischenlagerung der Ersatzbrennstoffe in Spröda entstehe nicht nur eine Gefährdung für Mensch und Umwelt aufgrund von chemischen Zersetzungsprozessen, sondern auch ein Qualitätsverlust bei den Ersatzbrennstoffen. Und das verursache wiederum Kosten.

Zu einer Antwort auf die Frage einer Zuhörerin, ob es eine realistische Chance gibt, dass die Abfallbeiträge in absehbarer Zeit wieder sinken, will sich niemand der Beteiligten an diesem Abend hinreißen lassen. „Das ist eine Frage für den Weihnachtsmann“, entgegnet Rechtsanwalt Hermes. Linkspartei-Abgeordnete Roth fügt nach insgesamt gut zweistündiger Diskussion noch hinzu: „Aber Weihnachten ist ja schließlich die Zeit der Wünsche.

So läuft das mit dem Müll: Umweltexperte Sieghard Weck gehörte zu den Referenten, die sich am Mittwoch im Bürgerhaus mit den Kreiswerken beschäftigten.

Foto: Manfred Lüttich

KWD-Chef Böhmer zu Gesprächen bereit

Delitzsch (dom). Er war zusammen mit Landrat Michael Czupalla (CDU), dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Kreiswerke Delitzsch (KWD), von den Veranstaltern eingeladen worden. Doch eine Teilnahme kam für KWD-Chef Heinz Böhmer nicht in Frage. „Ich bin aber bereit, mich mit den Herren zu treffen, wenn sie Fragen zu den Kreiswerken haben. Sofern keine Wettbewerbsgründe dagegen sprechen, werde ich antworten“, betonte Böhmer gestern auf Anfrage der Kreiszeitung. Im Rahmen von Veranstaltungen wie der am Mittwochabend im Bürgerhaus werde er sich aber auf keinerlei Diskussion einlassen.

Zoff bei den Linken: Friedrich attackiert Roth

Delitzsch (tz). Linkspartei-Politiker Michael Friedrich hat sich erneut von der Podiumsdebatte zu den Kreiswerken distanziert. Im Kreistag sprach er am Mittwochnachmittag allerdings – anders als noch in der gemeinsamen Erklärung aller Kreistagsfraktionschefs (wir berichteten) – nicht mehr von „Profilierungssucht“. Stattdessen verbat er sich, „so lange die Linkspartei im Delitzscher Kreistag sitzt“, jegliche Einmischung in die Fraktion „aus dem Vogtland“. Das richtete sich gegen seine aus Plauen stammende Landtagskollegin und Parteifreundin Andrea Roth, die am Abend im Bürgerhaus mit auf dem Podium saß.

LVZ, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, 08.12.2006, Seite 5



ZAHLEN UND FAKTEN


Die geplanten Änderungen bei den Abfallgebühren zum 1. Januar 2007:

Grundgebühr:

Die jährliche Grundgebühr beträgt je Einwohner
30,36 € (plus 0,96 €)

Änderungsgebühr:

Die Gebühr für Ausstellen von Abfallbehältern gemäß § 4 (3) der Gebührensatzung beträgt je Behälter
10,00 € (plus 0 €)

Entleerungsgebühren für Haushalte:


Die Gebühr für das Einsammeln und Entsorgen des Hausmülls beträgt für:
80-Liter-Tonnen 6,73 € (plus 0,91 €)
120-Liter-Tonnen 10,10 € (plus 1,38 €)
240-Liter-Tonnen 20,20 € (plus 2,77 €)
1,1-m3-Container 92,57 € (plus 12,66 €)
Die Gebühr für das Einsammeln und Verwerten der Bioabfälle beträgt für:
80-Liter-Tonnen 6,07 € (plus 0,93 €)
120-Liter-Tonnen 9,10 € (plus 1,38 €)
240-Liter-Tonnen 18,20 € (plus 2,77 €)
1,1-m-Container 83,40 € (plus 12,66 €)

Gebühr für Müllsäcke:

Die Gebühr für die Entsorgung zusätzlich
amtlich gekennzeichneter 80-Liter-Müllsäcke beträgt je Sack:
7,66 € (plus 0,91 €)

(Die Gebühr beinhaltet Beschaffungs- und Entsorgungskosten des Sackes.)

Gebühr für gewerbliche Siedlungsabfälle:

Die Gebühr für die Entsorgung gewerblicher Siedlungsabfälle (Entleerung und anteilige Grundgebühr) beträgt:
80-Liter-Tonnen 10,61 € (plus 1,79 €)
120-Liter-Tonnen 15,92 € (plus 2,69 €)
240-Liter-Tonnen 31,84 € (plus 5,38 €)
1,1-m3-Container 145,93 € (plus 24,67 €)

LVZ, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, 08.12.2006, Seite 10


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