Stadtrat beschäftigt sich mit krisengeschüttelten Firmen, kränkelnden Klubs und toten Tieren

Kontroverse um Kakerlaken

Delitzsch Da ging ein Raunen durchs Plenum: Irgendwann während der Bürgerfragestunde im Stadtrat am Donnerstagabend hielt Dietmar Mieth ein Tütchen mit exakt 896 toten Kakerlaken in die Höhe - „und das sind nur die kleinen, die großen kommen noch„.

Aufgelesen hatte das Mitglied der Bürgerinitiative Sauberes Delitzscher Land die Tierchen mit der Vorliebe für alles, was Menschen so horten, Stunden zuvor nahe der Wohnung von Verwandten, die in der Döbernitzer RTS-Straße leben. Dort herrscht seit einigen Tagen die große Schaben-Plage (wir berichteten). Schädlingsherd ist das alte Ziehwerk; genauer gesagt jene Halle, die einst die Strangpresse beherbergte und die die Kreiswerke Delitzsch (KWD) heute nutzen, um Tonnen von „Mischkunststoffen„ aus behandeltem Abfall zwischenzulagern, wie aus der Benndorfer Landstraße 1 zu erfahren war. Dieses Material verarbeiten die KWD im Gewerbegebiet Delitzsch-Südwest zu Ersatzbrennstoff für die Zementindustrie - ebenso wie die so genannten heizwertreichen Fraktionen aus der Mechanisch-Biologischen Abfallbehandlungsanlage Cröbern. Das Regierungspräsidium Leipzig sah im September 2005 im Übrigen kein Problem darin, die Ziehwerk-Halle zum Zwischenlager für die besagten, gut brennbaren Fraktionen zu machen. Eine entsprechende Genehmigung liegt den KWD jedenfalls vor.

Was auch immer auf dem Areal der Industriebrache gerade deponiert wird, in den Ballen steckt jede Menge Leben. Landwirt Mieth wusste außer von Kakerlaken noch von Ratten zu berichten, „so groß wie Junghasen„. Und weil im Stadtrat mit Marlis Fischer eine ausgewiesene Fachfrau sitzt, wollte der Zschepener von der CDU-Fraktionsvorsitzenden wissen, warum die Behörden so spät auf das Drama reagierten. Fischer, von Berufs wegen Mitarbeiterin im Amt für den öffentlichen Gesundheitsdienst des Landkreises, wies die Kritik zurück. Das Problem sei am 15. Juni durch einen Anrainer an sie herangetragen worden. „Ich habe daraufhin unverzüglich mit den Kreiswerken Kontakt aufgenommen„, die wiederum die Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung Eilenburg eingeschaltet hätten. Etliche Fachleute seien seit Freitag vergangener Woche intensiv damit beschäftigt, den Tierchen Herr zu werden. „Bis alles abgestorben ist, also auch die Ootheken, in denen bis zu 40 Eier eingekapselt sind und die die Schaben ausscheiden, wird es aber sicher noch sechs bis acht Wochen dauern„, sagte Fischer, die sich am Tag nach der Stadtratssitzung nochmals vor Ort umschaute und „außerhalb der Halle kaum noch Tiere entdecken konnte„. Bezüglich der befürchteten Ratten-Plage erklärte sie, dass die Genehmigung für das Lager regelmäßige Kontrollen vorschreibe - „nämlich alle 14 Tage„.

Fragesteller Mieth hält die Ziehwerk-Halle derweil weiter für eine „Zeitbombe„ - „auch wegen der brandschutztechnischen Unzulänglichkeiten„. Es sei bedauerlich, dass sich die Stadt Delitzsch gegen die Kreiswerke nicht durchsetzen könne. „Und regelmäßige Schädlingskontrollen? Das ist doch ein Witz!„, so Mieth.

Leipziger Volkszeitung, 24.06.2006, Seite 4


Spröda-Projekt - Ausschuss legt Grundstock

Die Fabrikationshalle des alten Delitzscher Ziehwerks als Zwischenlager für heizwertreiche Fraktionen und/oder andere Materialen zur Weiterverarbeitung in der Ersatzbrennstoff-Produktion - das könnte schon bald Geschichte sein. Wie berichtet, planen die Kreiswerke Delitzsch (KWD), auf dem Areal der Ex-Deponie Spröda ein Zwischenlager für die Ballen aus der Mechanisch-Biologischen Abfallbehandlungsanlage Cröbern zu errichten. Der Bauausschuss der Stadt Delitzsch beschloss dazu jetzt eine Änderung des Bebauungsplans Nr. 2/1 „Recyclinganlage Spröda„. Dieser macht es den KWD möglich, eine 20 Meter hohe Halle zu bauen, die rund 20.000 Quadratmeter Lagerfläche bieten soll. Bislang sah der Bebauungsplan lediglich eine Höhe von acht Metern für Anlagen vor.

LVZ, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, 24.06.06, Seite 4



STANDPUNKT


Dünnhäutig

Von DOMINIC WELTERS

Das war nicht unbedingt eine Sternstunde in Sachen gelebter Demokratie, die die wenigen interessierten Delitzscher am Donnerstag im Stadtrat geboten bekamen. Stattdessen wurden sie eines dünnhäutigen Oberbürgermeisters gewahr, der bei der Bürgerfragestunde dem einen Fragesteller gleich mehrfach verbal in die Parade fuhr und damit den anwesenden Damen und Herren im Saal die Chance nahm zu verstehen, um was es Dietmar Mieth eigentlich ging. Denn längst nicht alle wussten zum Zeitpunkt der Sitzung von einer Kakerlaken-Plage am Ziehwerk. Und SPD-Stadtrat Jörg Bornack dafür abzuwatschen, dass er - aus Sicht der Verwaltung in dem einen oder anderen konkreten Fall vielleicht zum x-ten Mal - über die Krise der kommunalen Betriebe und deren Bewältigung aufgeklärt werden möchte, muss ebenfalls nicht sein. Heinz Bieniek hat leider die Contenance verloren. Wenigstens hat er sich bei Bornack für seinen Ausraster hinterher entschuldigt. Bezüglich der Bürgerfragestunde bleibt indes festzustellen: Wenn der Fragen stellende Bürger, immerhin Teil des Volkes, das im Parlamentarismus gern als Souverän bezeichnet wird, weder seine Gedanken ordnen noch ausreden darf, dann sollten sich Politiker nicht wundern, wenn am Wahltag gar niemand mehr zum Kreuzchen-Machen auftaucht. Demokratie muss vorleben, wer in ihr überleben und wiedergewählt werden will.

LVZ, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, 24.06.06, Seite 3


Bieniek: „Eine Frechheit

Vor einem Monat hatte die Spitze der SPD-Fraktion den Oberbürgermeister eindringlich aufgefordert, seine Politik zu erklären und zu wichtigen Fragen rund um die angespannte Lage des Stadtwerke-Konzerns Stellung zu nehmen. Andernfalls solle er zurücktreten (wir berichteten). Im Verlauf der Stadtratssitzung wurde Heinz Bieniek (CDU) von den Sozialdemokraten Siegfried Schönherr und Jörg Bornack daran erinnert - „Antworten aber gibt es wieder nicht„, kritisierten beide. Da platzte dem Stadtoberhaupt der Kragen. An Bornack gewandt, der wenige Tage vor der Sitzung überdies einen umfangreichen Fragenkatalog ans Rathaus geschickt hatte, legte der OBM lauthals los: Es sei „eine Frechheit„ zu behaupten, er wolle das kommunale Vermögen verschleudern. Schönherrs Konter: „Niemand unterstellt Ihnen das, aber es gelingt Ihnen offensichtlich nicht, Ihre Politik darzustellen.„ - Betretenes Schweigen im Saal.

LVZ, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, 24.06.06, Seite 3


TWD sind Anteile an Recyclingfirma los

Er ergriff am Donnerstag als Erster das Wort: Mario Laufer, Interimsgeschäftsführer der Technischen Werke Delitzsch (TWD). Der Erfurter informierte die Abgeordneten gleich zu Beginn der Sitzung über das Ende ei- ner langwierigen Verhandlung. Der Verkauf der TWD-Anteile an der Recyclingfirma BMG sei nunmehr vollzogen, Anfang der Woche habe es einen Notartermin mit BMG-Geschäftsführer Andreas Böhme gegeben. Letzterer, mit 51 Prozent bislang Hauptgesellschafter des Unternehmens aus Naundorf bei Zeitz, übernimmt demnach auch die 49 Prozent der Technischen Werke. Das Geld fließe Ende des Monats in einem Schwung „und nicht in Raten, was zunächst im Gespräch war„, so Laufer.

Zur erzielten Summe mochte sich der TWD-Chef auf Nachfrage von SPD-Stadtrat Jörg Bornack nicht äußern. Er ließ lediglich durchblicken, dass der in einem entsprechenden Stadtratsbeschluss vom Mai 2005 vorgegebene Erlös erzielt worden sei - woraufhin Oberbürgermeister Heinz Bieniek (CDU) demonstrativ mit dem Kopf nickte. Seinerzeit war beschlossen worden, dass die 1.050.000 Euro, die die TWD einst zahlten, mindestens wieder einzufahren seien.

LVZ, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, 24.06.06, Seite 3


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