Reiter schließt BMKW-Verkauf nicht ausDelitzsch (dom). Für die neue Sprecherin der Geschäftsführung der Stadtwerke Delitzsch (SWD), Hedwig Reiter, ist die gegenwärtige Schieflage des Konzerns eine Folge der Beteiligungen, die die Tochter-Gesellschaft Technische Werke Delitzsch (TWD) in den zurückliegenden Jahren eingegangen ist. Als besonders problematisch bewertet die 59-Jährige die Anteilskäufe an der Recyclingfirma BMG/SVG sowie am Biomassekraftwerk (BMKW). Im Interview mit der Kreiszeitung deutete Reiter indirekt an, dass sie eine Veräußerung der TWD-Anteile an der Biostromfabrik in der Carl-Friedrich-Benz-Straße für denkbar hält. „Oberste Priorität hat die Frage: Wie gehen wir mit dem BMKW um?“ Sie könne sich vorstellen, „dass die Anlage für die Region erhalten und eventuell auch anders genutzt wird“. Ein Engagement etwa durch die Kreiswerke Delitzsch „wäre eine gute Sache“. Nach Informationen der Kreiszeitung werden die BMKW-Mitgesellschafter Eon Thüringer Energie AG und Eon Energy Projects mit Landkreis-Vertretern in den nächsten Tagen entsprechende Sondierungsgespräche führen. SWD-Chefin Reiter bestätigte dies jedoch nicht. Leipziger Volkszeitung, 28.04.2006, Titelseite „Wir sind abhängig von Eon“Interview mit Stadtwerke-Chefin Hedwig Reiter über momentane Schieflagen und zukunftsträchtige StrategienDelitzsch. Sie ist seit wenigen Tagen Vorsitzende der Geschäftsführung der Stadtwerke Delitzsch GmbH (SWD): Hedwig Reiter. Im Interview mit der Kreiszeitung äußert sich die 59-Jährige zur wirtschaftlichen Lage des Konzerns, zum Zustand der Tochter-Gesellschaften und zur Zukunft des Biomassekraftwerks (BMKW). Frage: Als es hieß, Yvonne Bargatzky-Bender verzichtet fortan auf den Vorsitz der Geschäftsführung bei den Stadtwerken, kam sogleich Ihr Name ins Spiel. Geschäftsführerin der Wohnungsgesellschaft Delitzsch (WGD) und der SWD waren Sie eh schon. Was ändert sich für Sie durch die neue Aufgabe? Hedwig Reiter: Es gilt nun, endlich neue Strukturen bei den kommunalen Betrieben und ihren Beteiligungen zu schaffen. Wir können uns nicht länger bei Absichtserklärungen aufhalten, das haben wir in der Vergangenheit genug getan. Wir müssen jetzt zu den Taten schreiten. Welche Taten meinen Sie? Vordringlich müssen wir zu einem Konzept kommen, das vom Stadtrat und vom Mitgesellschafter Eon Thüringer Energie AG übereinstimmend mitgetragen wird. Das Ziel muss sein, die wirtschaft- liche Leistungsfähigkeit unserer Konzern-Töchter wiederherzustellen.. Wie steht es denn um die drei SWD-Töchter Technische Werke Delitzsch (TWD), Zukunft in Delitzsch (ZiD) und Ihrer WGD?. Grundsätzlich möchte ich klarstellen, dass wir in der SWD-Gruppe keinerlei Vermögensprobleme haben. Wir haben zurzeit wirtschaftliche Probleme - eine Folge der Beteiligungen, die die TWD in den zurückliegenden Jahren eingegangen sind. Diese haben zu enormen Liquiditätsbelastungen geführt, weil die erwarteten Gewinne bislang ausgeblieben sind. Welche Beteiligungen fallen da besonders ins Gewicht? Zum Beispiel die an der Recyclingfirma BMG/SVG. Die momentan einzig gute Beteiligung ist die an der Gasversorgung Delitzsch (GVD), wo aber für die Zukunft weniger Gewinne zu erwarten sind. Weshalb? Dazu kann ich nichts sagen, das ist Sache der Gesellschafter. Es wird aber so sein, dass die Gewinne, wie wir sie in der Vergangenheit von der GVD gewöhnt waren, in den nächsten Jahren auf keinen Fall anfallen werden. Wie steht es um die ZiD? Die ZiD hält noch Grundstücke zum Verkauf vor, hat diese aber fast alle mit Fremdkapital finanziert und ist daher voll von ihrer Mutter SWD abhängig. Die Grundstücke lassen sich leider nur sehr schleppend verkaufen. Eine Folge der wirtschaftlichen Lage und natürlich auch der Einkommenssituation der Bürger. Stichwort Debatte um die Eigenheimzulage. Aber unabhängig davon sind ja Grundstücksbevorratungen etwas Positives und wir überlegen gerade, inwieweit die Wohnungsgesellschaft die Zukunft der ZiD beeinflussen kann. Wir prüfen jedenfalls, ob wir uns eine Grundstücksbevorratung finanziell leisten können. Grundsätzlich können wir uns eine Verschmelzung mit der ZiD vorstellen. Es würde die WGD zwar eine Schuldenlast drücken, aber sie würde ja auch Vermögen übernehmen. Um wie viele Grundstücke handelt es sich? Da wären beispielsweise die noch unbebauten Flächen der Sandmark und Grundstücke der früheren Schenkenberger Entwicklungsgesellschaft EOS, die jedoch noch kein baufähiges Land darstellen. Priorität hat die Sandmark, wo die Bebauung fortgeführt werden muss. Die ZiD zur WGD: Deshalb wohl auch die avisierte Bestellung Ihres Prokuristen André Planer zum künftigen ZiD-Geschäftsführer an Stelle von Frau Bargatzky-Bender? Als WGD waren wir ja belastet durch die Altschuldenhilfe, das heißt durch die Privatisierungs- und Sanierungsverpflichtung. Dieses Geschäft ist uns also nicht fremd. Herr Planer hat hier gute Arbeit geleistet. Als Chefin der WGD stellen Sie sich und ihrer Gesellschaft ein ziemlich gutes Zeugnis aus ... ... das kann ich auch. Es ist so, dass wir uns als WGD trotz schwieriger Rahmenbedingungen immer positiv entwickelt haben. Das ist der guten Ausrichtung der Gesellschaft geschuldet. Unser Aufsichtsrat hat jahrelang die Unternehmensstrategie der Entschuldung und Sanierung mitgetragen. Zurück zu den SWD. Braucht Delitzsch die Stadtwerke überhaupt noch? Die Stadtwerke in der bestehenden Form nicht. Bestimmte Aufgaben wollen wir aber schon weiterführen. Das sind die, die sich bewährt haben. Durch die SWD sind sehr wohl sinnvolle Synergieeffekte entstanden. Die sollten wir nicht aufgeben. Zum Beispiel? Da wären insbesondere die umsatzsteuerlichen Verrechnungsmöglichkeiten. Diese Vergünstigungen reichen wir als WGD an unsere Mieter weiter. Außerdem gibt es Synergieeffekte durch die gemeinsamen Personalabrechnungen und Tätigkeiten in den Bereichen Controlling, EDV und Innnerevision. Insgesamt bietet eine Holding schon tolle Möglichkeiten, als Tochterunternehmen Geld zu sparen. Deshalb sollten wir die Dinge, die sich bewährt haben, fortführen. Zu Ihrem Verhältnis zu Eon: Der bundesweit operierende Energieriese hat bei Ihrem Sorgenkind TWD sowohl im Biomassekraftwerk (BMKW) als auch im Holzkontor die Regie übernommen. Ist das gut oder schlecht für Delitzsch? Wir sind abhängig von Eon, schon um die TWD wieder auf gesunde Füße zu stellen. Es gibt keine Alternative. Oberste Priorität hat die Frage: Wie gehen wir mit dem BMKW um? Parallel dazu muss besagtes Konzept erstellt werden. Die Schieflage ist da, wir müssen schleunigst reagieren. Geht es etwas konkreter? Das Problem ist: Selbst wenn das BMKW Gewinne realisiert, bleiben diese erst einmal im Unternehmen, um es zu gesunden. Die TWD brauchen jetzt selbst Liquidität. Damit bleiben in näherer Zukunft keine Mittel für die SWD. Wir müssen uns jetzt auf unsere Töchter konzentrieren. Die Neustrukturierung muss hier die notwendigen Weichen stellen. Die Krise bei den Technischen Werken: Ist sie wirklich das Erbe des im September 2005 geschassten Geschäftsführers Lutz Mörtl, wie im Rathaus gern behauptet wird? Das würde ich so sagen. Es gibt einen Ausspruch von Herrn Mörtl, der geht mir nicht mehr aus dem Sinn: „Ich plane für das laufende Wirtschaftsjahr, alles andere ist Makulatur.“ Ich hingegen sage: Ich muss wissen, wo die Reise in den nächsten Jahren hingeht. Ist die Energie-Gewinnung aus Altholz, wie im BMKW betrieben, nicht ein Pfad, der ins Nichts führt? Es wird zurzeit verdammt viel Geld bezahlt, allein um den Brennstoff zu beschaffen. Zu diesem Geschäft kann ich mich nicht äußern. Dennoch kann ich mir vorstellen, dass die Anlage für die Region erhalten wird und dass sie auch anders genutzt werden könnte. Riecht nach Müllverbrennungsanlage?! Das überlasse ich Ihrer Fantasie. Wird mit den Kreiswerken Delitzsch, wie hier und da gemunkelt wird, schon über eine Übernahme des BMKW verhandelt? Ich weiß es nicht, aber es wäre eine gute Sache, wenn Stadt und Landkreis hier den Schulterschluss wagten. Es soll solche Gespräche schon gegeben haben. Ich hoffe es. Es könnte natürlich sein, dass die Pflicht zur europaweiten Ausschreibung besteht. Wenn wir am Ende unter Wert verkaufen, ändert sich an unserer kritischen Lage nichts. Wie ist Ihr Verhältnis zu Oberbürgermeister Heinz Bieniek in diesen Tagen? Das Verhältnis ist gut, ich kenne den Oberbürgermeister schon viele Jahre. Er hat als Vorsitzender des Aufsichtsrates der WGD die erforderlichen Strategien mitgetragen. Wie Sie wissen, sind wir wirtschaftlich ja nicht so schlecht platziert. Interview: Dominic Welters » Portrait « von Hedwig Reiter Sie bezeichnet sich als überzeugte Delitzscherin, liebt ihre Heimat und wohnt deshalb auch im Herzen der Stadt: Hedwig Reiter. Die gebürtige Grabschützerin wuchs in Kattersnaundorf auf, das später den Braunkohlebaggern zum Opfer fiel. Seit 1. Januar 1994 steht die Ehefrau des einstigen Stadtkämmerers Otto Reiter der Wohnungsgesellschaft vor. Anfang 2000 wurde sie überdies Geschäftsführerin der Stadtwerke (SWD). Seit diesem Monat fungiert sie als Sprecherin der SWD-Führung. LVZ, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, 28.04.2006, Seite 5 |