Mit Abfallprodukt zur Nummer eins

Kreiswerke bei Verkauf von Ersatzbrennstoffen führend / Böhmer will Absatz weiter steigern

Kreisgebiet. Die Sache scheint für Heinz Böhmer klar wie Frischhaltefolie: Der Chef der Kreiswerke Delitzsch (KWD) sieht die Zukunft der 55-prozentigen kommunalen Tochter verstärkt bei der Herstellung von Ersatzbrennstoffen. „Fossile Energieträger werden immer teurer“, verweist Böhmer auf eine Entwicklung, die Alternativen salonfähig macht. Solche wie den Exportschlager Carbo-Light aus dem Hause KWD. Der Wandel dort ist im Gange – vom reinen Müllsammler zum Abfallverwerter.

Manfred Buder, den Böhmer im April vergangenen Jahres an der Spitze der Gesellschaft beerbt, schiebt 2001 den Prozess an: Damals produzieren die KWD jährlich 20000 Tonnen Carbo-Light, das aus heizwertreichen Abfällen gewonnen wird. Vier Jahre später schwingt sich der 230-Mann-Betrieb mit dem Leicht-Brennstoff zum Schwergewicht der Branche auf. „Wir sind deutschlandweit die Nummer eins“, sagt Böhmer. Aufsichtsratschef Michael Czupalla spricht von einer „Vorreiterrolle“. 105000 Tonnen Carbo-Light werden 2005 verkauft – doppelt so viel wie die Verfolger. „Tendenz steigend“, so Böhmer. Zum KWD-Kundenkreis zählen Großkraftwerke sowie Industriebetriebe mit enormem Energiebedarf. Speziell bei der Zementherstellung wird das hochkalorische Carbo-Light als Ersatz für teuren Braunkohlestaub oder Erdgas verwendet. Im Gegensatz zu herkömmlichen Kraftwerken, wo die teils giftigen Materialien (Krankenhausabfälle, Reifen, Teppiche) nicht ohne weiteres verbrannt werden dürfen und Umweltschützer mobil machen, kann es zugesetzt werden. „Bei der Zementherstellung herrschen in den Öfen viel höhere Temperaturen, um die 1400 Grad. Da gehen giftige Stoffe kaputt“, erklärt ein Experte. Übrig bleibe lediglich Asche.

Der Markt beschränkt sich für die KWD (Jahresumsatz über 20 Millionen Euro) längst nicht mehr auf Mitteldeutschland. Auch nach Bayern, Hessen und Niedersachsen gehen Lieferungen. Zehn Abnehmer in neun Bundesländern stehen auf der Liste. Laut Böhmer hat zudem das Ausland „bereits angeklopft“. Deshalb will der Versorger weiter investieren. Den Bau neuer Kraftwerke und Anlagen schließt Böhmer nicht aus. Jüngstes Projekt: Für vier Millionen Euro errichten die KWD eine Produktionshalle in Bernburg auf dem Gelände des Zement-Konzerns Schwenk.

Alexander Weise

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, 11./12.03.06


standpunkt

Weitblick

Mit dem Slogan „Vorsprung durch Technik“ wilderte in den 90ern ein deutscher Autobauer erfolgreich in den Revieren der Konkurrenz. Auf die Kreiswerke Delitzsch (KWD) projiziert könnte eine Wortwendung lauten: „Vorsprung durch Weitblick“. Schon vor Jahren hat der Müllentsorger mit Ex-Chef Manfred Buder als Visionengeber seine Firmenstrategie neu justiert und auf das Pferd Abfallverwertung gesetzt. Eine kluge Entscheidung, die sich jetzt auszahlt. Den Brennstoff Carbo-Light aus dem Hause KWD reißt die Energie verschlingende Großindustrie dem Kreisbetrieb aus den Händen wie Karten für ein Robbie-Williams-Konzert. Wegen der explodierenden Energiepreise genießen solche Alternativen zu fossilen Trägern eine echte Lobby, da sie schlicht billiger sind. Wenngleich das dreckige Geschäft mit dem Müll meist irgendwie stinkt – die Firmenspitze hat es in diesem Fall sauber eingefädelt. Nicht zuletzt sichert das auf Jahre hunderte Arbeitsplätze. Und Landrat Michael Czupalla reibt sich die Hände: Denn mit satten Gewinne wird die Tochter KWD langfristig ein großes Stück zur Konsolidierung des defizitären Kreishaushaltes beisteuern.

Alexander weise


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