Deponie Cröbern: Landrat droht zurück

Kreisgebiet. Ziemlich ungehalten reagierte der Delitzscher Landrat Michael Czupalla gestern auf die angedrohte Klage des Zweckverbandes Abfallwirtschaft Westsachsen (ZAW) gegen den Landkreis Delitzsch. Es spreche weder von Stil noch von fairem Umgang, so etwas aus der Zeitung zu erfahren, schimpfte Czupalla. Der ZAW will klagen, weil Delitzsch die Abnahme heizwertreicher Reste verweigert und dies mit Qualitätsmängeln begründet. Czupalla pocht auf die Einhaltung der Parameter: „Ich favorisiere immer noch die Einhaltung des Vertrages. Notfalls per Klage“, so der Landrat.

Frank Pfütze

Leipziger Volkszeitung, Hauptteil, Titelseite, 08. März 2006


Klage angedroht – Landrat kontert Klage

Deponie Cröbern: Czupalla will Vertragserfüllung vor Gericht erzwingen

Von Frank Pfütze

Kreisgebiet. Michael Czupalla tobt. „Das lasse ich mir nicht bieten. Auf der Suche nach einem Kompromiss war ich lange genug ruhig. Wenn, dann klagen wir auf Vertragserfüllung“, schimpfte der Delitzscher Landrat, als er gestern aus der LVZ erfährt, dass der Zweckverband Abfallwirtschaft Westsachsen (ZAW) dem Kreis Delitzsch mit einer Klage droht.

Hintergrund ist der sich zuspitzende Streit um heizwertreiche Reste der Abfallbehandlungsanlage Cröbern mit dem ZAW. Der Hausmüll des Landkreises Delitzsch (außer Eilenburg) wird in Cröbern behandelt. Bei diesem Prozess entsteht ein Abfallprodukt, so genannte heizwertreiche Reste. Die muss Delitzsch laut Vertrag abnehmen und selber verwerten. Das Problem: Dieses Produkt verfügt laut Czupalla nicht über die ebenfalls vertraglich vereinbarte Qualität. Delitzsch verweigert die Rücknahme. Dadurch sei dem ZAW bisher ein Schaden in Höhe von 5,5 Millionen Euro entstanden. Dem ZAW gehören neben dem Kreis Delitzsch das Leipziger Land, Leipzig und der Muldentalkreis an. Czupalla: „Es spricht weder von Stil noch von fairen Umgang, wenn ich aus der Zeitung erfahre, dass gegen uns geklagt werden soll.“ Für den Kreischef gibt es zwei Alternativen, über die er bereit sei zu verhandeln: Entweder der komplette Vertrag wird aufgelöst und die Abfallentsorgung des Landkreises Delitzsch wird neu ausgeschrieben, oder der geschlossene Vertrag wird eingehalten.

Um die vereinbarte Qualität zu erreichen seien „Nachbesserungen“ nötig. Wie diese Zeitung aus gut unterrichteten Kreisen erfuhr, muss Cröbern dafür 20 Millionen Euro investieren. Geld, das nicht da sein soll. Heute sitzen die Mitglieder des ZAW an einem Tisch.

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, Titelseite, 08. März 2006


Abfallwirtschaft vor dem Kollaps

Lage von Verwertungsfirma wegen Streit mit Kreis Delitzsch „verheerend

Die Abfallverwertung in Leipzig, dem Leipziger Land und dem Muldental steht vor dem Konkurs. Auf einer außerordentlichen Versammlung des Zweckverbandes Abfallwirtschaft Westsachsen (ZAW) am Mittwochabend bezeichnete dessen Geschäftsleiter Holger Bauerfeind die wirtschaftliche Lage der beauftragten Tochterfirma Westsächsische Entsorgungs- und Verwertungsgesellschaft (WEV) als „verheerend“. Schon wird über drastische Gebührenerhöhungen nachgedacht.

4,5 Millionen Euro Verlust habe die WEV im vergangenen Jahr gemacht, erläuterte Bauerfeind. Im Januar sei es eine weitere knappe Millionen Euro gewesen. Bei gleich bleibender Entwicklung und einer Kapitaldecke von rund sieben Millionen Euro ginge die WEV damit im Frühjahr in den Konkurs. Hauptgrund dafür sind laut ZAW Probleme mit dem Kreis Delitzsch wegen der Abnahme der heizwertreichen Reste der Abfallbehandlungsanlage Cröbern. Wie gestern berichtet, will der Verband den entstandenen Schaden von mehr als 5,5 Millionen Euro nun vom Kreis Delitzsch einklagen.

Die im vergangenen Jahr eröffnete Behandlungsanlage erfülle alle gesetzlichen Anforderungen, betonte Bauerfeind. Nur sei entgegen der Planung der Anteil an so genanntem Schwergut – rund sieben Prozent der Gesamtmenge – nicht deponiefähig und müsse teuer entsorgt werden. Zudem sei für Schrott ein geringer Erlös eingeplant gewesen, der wegen zu großer Verunreinigungen allerdings entfalle.

Hauptproblem seien aber die rund 40 Prozent heizwertreiche Reste, so der ZAW. Bei einer Gesamtkapazität der Mechanisch-Biologischen Abfallbehandlungsanlage (MBA) von 300 000 Tonnen im Jahr fallen davon rund 400 Tonnen täglich an. 140 wandern auf ein Zwischenlager, das mit 20 000 von erlaubten 28 000 Tonnen jedoch bald voll ist. Der Rest müsse kostenintensiv „abgesteuert“ werden, so Bauerfeind. Statt der geplanten 65 Euro pro Tonne – wie mit Delitzsch vereinbart – müssten dafür rund 165 Euro bezahlt werden. Seit Oktober seien allen Partnern und auch dem Regierungspräsidium die Probleme bekannt, geschehen sei seitdem nicht Nennenswertes.

Eigentlich müsste die WEV inzwischen 135 Euro brutto für die Abnahme einer Tonne Hausmüll verlangen, erläuterte Bauerfeind. Das habe die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG errechnet. Der ZAW wolle die Probleme nun mehrgleisig anpacken, versprach er. So sollen die Verträge mit den Zulieferern nachverhandelt werden. Hintergrund: Über vertragliche Bindungen verlangt die WEV zum Beispiel nur 92 Euro pro Tonne vom Abfallverband Nordsachsen (AVN), arbeitet damit unter dem Selbstkostenpreis. Knapp 103 Euro werden bislang im ZAW-Gebiet fällig. Wann der Preis angehoben wird und in Leipzig und Umgebung die Müllgebühren in die Höhe schnellen, ist jedoch noch unklar.

Die ZAW-Vorsitzende Petra Köpping betonte, über die Gebühren werde noch gesondert beraten. Das teure „Absteuern“ der Abfälle sei auf Dauer aber nicht tragbar. Sie wolle auch den privaten Gesellschafter der WEV, die mit 49 Prozent beteiligte Firma Sita Ost GmbH, an den Mehrkosten beteiligen.

Verbandsrat Horst Radon (CDU) schimpfte, das Dilemma sei nur entstanden, weil die MBA unzureichend geplant und gebaut worden sei. Per Vertrag habe das die Sita Ost gemacht, müsse daher in Regress genommen werden. Die Anlage dürfe gar nicht erst abgenommen werden. Köpping bestätigte die Probleme. Tatsächlich sei die Endabnahme derzeit nicht in Sicht. Die ZAW-Chefin betonte, dass die von Delitzsch angesprochenen Mängel etwa bei den Metallen Tellur und Beryllium nur minimal seien und auch nicht mit dem nachträglichen Bau einer Trocknungs- und Entchlorungsanlage behoben werden könnten. Solche Millioneninvestitionen seien nicht wirtschaftlich. Daher sei ja vertraglich vereinbart worden, dass der Kreis Delitzsch bei Problemen zur Nachbehandlung verpflichtet sei und Mehrkosten geltend machen kann.

Jörg ter Vehn

Czupalla sieht Klage gelassen

Der Delitzscher Landrat Michael Czupalla sagte gestern der Leipziger Volkszeitung, er sehe der drohenden Klage des ZAW gelassen entgegen. Er behalte sich für diesen Fall ebenfalls gerichtliche Schritte vor. „Dann klagen wir wegen Nichterfüllung des Vertrages.“ Czupalla sagte, der ZAW habe habe es bislang trotz eindeutiger Verpflichtung nicht geschafft, die so genannte heizwertreiche Fraktion in der vereinbarten Qualität zu liefern. „Das ist nicht unser Verschulden.“ Die Qualität sei so schlecht, dass es der Kreiswerke Delitzsch GmbH – der Landkreis ist an der Firma zu 55 Prozent beteiligt – trotz aller Anstrengungen nicht gelungen sei, die heizwertreiche Fraktion weiterzuverarbeiten. Das Unternehmen produziert aus derartigen Stoffen in Delitzsch den alternativen Brennstoff Carbo light. Der kommt unter anderem in der Zement- und Papierindustrie sowie in Kraftwerken zum Einsatz und ersetzt dort herkömmliche Energieträger wie Kohle und Gas. Im vorigen Jahr stellten die Kreiswerke 105 000 Tonnen Carbo light her, das war eine Verdoppelung gegenüber 2004.

Czupalla forderte den ZAW auf, dafür zu sorgen, dass die notwendige Investition in Cröbern durchgeführt wird, damit die heizwertreiche Fraktion in der zugesagten Güte geliefert werden kann. Dem Vernehmen nach würden diese Maßnahmen 20 Millionen Euro kosten. Czupalla: „Wir sind nicht für Versäumnisse beim Bau der Anlage in Cröbern verantwortlich.

Der Landrat zeigt sich zuversichtlich, dass es noch gelingen werde, das Problem einvernehmlich zu lösen. „Ich sehe noch Chancen.“ Der Landkreis sei gesprächsbereit. Die nächste Verhandlungsrunde findet heute statt. Der Landkreis werde einen konkreten Lösungsvorschlag parat halten. Milde

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, 08. März 2006


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