LVZ Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, Weihnachten 2004 Der GroßwildjägerEine Leidenschaft, für die der Pohritzscher Lutz Mörtl buchstäblich leidetVon KLAUS STAEUBERT
Pohritzsch. Morgendämmerung in der Taiga. Auf zwei Brettern im tiefsten russischen Wald hockt ein Mann, ein entsichertes Gewehr liegt neben ihm. Konzentriert lässt er die Blicke schweifen. Er ist ein versierter Jäger: Lutz Mörtl, 49 Jahre alt, Familienvater aus Pohritzsch. Irgendwo da draußen vor ihm wandert ein 250 Kilogramm schwerer Bär umher. Wegen des Raubtieres hat er die ganzen Strapazen der zweitägigen Anreise auf sich genommen. Erst im Flugzeug nach Moskau. Dann von dort weiter in der Transsibirischen Eisenbahn und zuletzt auf einem knatternden Motorrad mit drei Traktorreifen 80 Kilometer über eine Holperpiste bis zur spartanischen Jagdhütte. Der Chef der Technischen Werke Delitzsch ist angenehmeres Reisen gewöhnt. „Der Bär ist gefährlich“, weiß Mörtl, „selbst wenn er am Boden liegt und du meinst, ihn erlegt zu haben, weißt du nicht mit 100-prozentiger Sicherheit, ob er auch wirklich tot ist.“ Doch die einzigen Feinde, die Mörtl in diesem Moment hat, sind Abertausende Mücken. Sie sitzen wie eine zweite Haut auf ihm. „Du hörst nichts mehr.“ Sie abzuschütteln ist nicht nur zwecklos. Die Bewegungen würden den Petz vertreiben, erklärt der Großwildjäger. Autan, in jeder Reiseapotheke eines Kenia-Urlaubers, würde gegen die schwirrenden Plagegeister wohl auch nicht mehr helfen. „Auf alle Fälle riecht der Bär das Zeug und dann ist er weg.“ Und genau dieses Risiko will Mörtl nicht eingehen. Er ist schließlich nur ein paar Tage in der Taiga. Und so erträgt er die unzähligen Stiche, die seine rechte Hand anschwellen lassen. Die Trophäe des Bären ist die Entschädigung für das stundenlange Leiden. Wegen ihr ist der Geschäftsmann mit seinem Jagdfreund Matthias Starke in die Weiten Russlands aufgebrochen. Ein schlechtes Gewissen überkommt ihn nicht dabei. „Das Revier ist 130 Quadratkilometer groß“, berichtet Mörtl, „120 Bären leben dort, jedes Jahr kommen 40 dazu.“ Genauso viele gibt der Staat zum Abschuss frei. Eine Art Geburtenkontrolle. Russland verhindert so, dass sich die Schwergewichtigen unkontrolliert verbreiten und für die Menschen in den Dörfern der Taiga zur Bedrohung werden. Denn außer dem Menschen hat der Bär dort keine natürliche Feinde. Der Abschusserfolg ist nur die eine Seite des Jägerlebens. Einen Großteil des Hobbys macht die Hege und Pflege des Wildbestandes aus. Zusammen mit Starke bewirtschaftet Mörtl unter anderem ein 200 Hektar großes Waldstück im Harz. Dorthin fahren sie fast an jedem Wochenende. „Das Eingattern des jungen Baumbestandes zählt mit zu den wichtigsten Aufgaben des Jägers“, erklärt Mörtl. Das Wild frisst sonst alles an. Aufpassen müssten sie, dass sich die Wildschweine nicht zu stark vermehren. Die richten immense Schäden in der Landwirtschaft an. Der Mais steht bei den Schwarzkitteln ganz oben auf der Speisekarte. Im Laufe des Jahres karren die beiden Jäger Unmengen an Futter in ihr Revier, damit die Rehe im Winter ausreichend zu fressen haben. Geht es den Tieren gut, fühlt sich auch der Jäger gut. Denn ohne Wild könnte er seiner Leidenschaft nicht fröhnen. Im Laufe der Jahre hat sich Mörtl eine stattliche Trophäensammlung zugelegt. Im Jagdraum auf seinem Anwesen in Pohritzsch zieren um die 70 Geweihe die Wand, zu dem fast zwei Dutzend Kopf und Ganzkörperpräparate von Damhirsch, Iltis, Wildtruthahn, Waschbär, Königsfasan, Dachs und Fuchs. Zu nahezu jedem geschossenen Tier fällt Mörtl eine Geschichte ein. Das Wohnhaus ist für seine Leidenschaft allerdings tabu. Fast. „Die einzige Trophäe, die meine Frau im Haus duldet ist der Löwe, den ich in Südafrika geschossen habe“, sagt er. Sein Hobby hat ihn in der Welt herum kommen lassen. Er war auf Jagden in Deutschland, Polen, Tschechien, Ungarn und Schottland. Von einer Safari in Südafrika brachte er ein Zebra, eine Elen- und Oryxantilope, einen Wasserbock, ein Warzenschwein und einen Wasserbüffel mit. Inzwischen denkt der Großwildjäger schon an eine öffentliche Ausstellung. „Das Material würde reichen“ sagt er. Und lehrreich wäre so eine Schau obendrein. Denn Mörtl verfolgt mit seinem Hobby noch ein anderes Ziel. Deshalb ließ er auch einen Hamster präparieren, den er bei Wiedemar tot auf der Straße fand - „damit meine Tochter später einmal weiß, wie ein Hamster aussieht, in der Natur gibt es ja kaum noch welche.“ Anmerkung: Dieser in der LVZ veröffentlichte Artikel beinhaltet auch ein Privatfoto, welches den TWD-Angestellten und Jagddfreund Mörtls, Herrn Starke, kniend auf einem erlegten Braunbären zeigt. Den Kolben seiner in der Hand befindlichen Waffe hat er in Siegerpose senkrecht auf den Bären gestellt. Der Dipl.Ing. (FH) Matthias Starke war der Koordinator für Sicherheit und Gesundheitsschutz auf der Baustelle des Biomassekraftwerkes. »»» weitere Zeitungsartikel (2004) |