Saurer als Drops beim Blick aus dem Fenster

Lebensmittelfabrikant Olaf Hirsch erwägt Rückzug / Neuer Standort für Thermolyseanlage im Gespräch

E i l e n b u r g. Die Kunststoff und Umwelttechnik GmbH baut mit einem Investor (Thermolyse Anlagen GmbH) eine Thermolyseanlage auf das Gewerbegebiet Schanzberg. Der erste Beton ist gegossen. Auf rund 8000 Quadratmeter Gewerbefläche will der Investor bis nächstes Jahr acht Millionen Mark investieren und 16 Arbeitsplätze schaffen. Mit elf Ja-Stimmen, drei Gegenstimmen und vier Enthaltungen stimmte der Stadtrat im August dem Verkauf der 8000 Quadratmeter an die Thermolyse Anlagen GmbH zu. Nachbar und Bonbonfabrikant Olaf Hirsch erfuhr kurz vor Baubeginn von diesem Projekt.

Es ist normal, dass eine solche Anlage in einem Gewerbe- und Industriegebiet (Gl) errichtet wird. Lebensmittelfabrikant Olaf Hirsch ist dennoch erregt: "Lebensmittelherstellung und Abfallbeseitigung, welcher Form auch immer, passen nicht zusammen. Es gibt dutzende Bonbonhersteller, wir sind der einzige mit einer Thermolyseanlage vor der Nase. Das ist ein Imageschaden, egal, wie umweltfreundlich sie sein mag."
Beim Blick aus seinem Bürofenster schüttelt er mit dem Kopf, seine Stirn schlägt Falten. Erst kurz vor Baubeginn habe er vom neuen Nachbarn erfahren. Die Beantragung als Pilotanlage macht es möglich. Denn ein Pilotprojekt bedarf weder einer Umweltverträglichkeitsstudie noch einer öffentlichen Beteiligung.
Diese Studie mahnt der Bonbonfabrikant nun aber an, noch mehr jedoch der Standort. "Es gibt leere Gewerbeflächen, auch auf dem Schanzberg. Warum vor meiner Nase? Das kann ich nicht nachvollziehen. Wir haben eine stabile Auftragslage, wollten sogar eine weitere Produktionshalle errichten. Mit diesem Nachbarn kann ich das nun vergessen", schimpft Hirsch. Fast monatlich habe er Kontrolleure im Haus, die Qualitätsaudits durchführen. Von der Toilette bis zum Feuerlöscher und erst recht die Umwelt werden dann genau unter die Lupe genommen. Die Henri GmbH von Olaf Hirsch liefert in über 40 Länder auf sechs Kontinente.
Olaf Hirsch: "Die Qualitätskontrollen erreichen unsere Geschäftspartner, für eine Thermolyseanlage in der Nachbarschaft gibt es keine Pluspunkte. Sollte es hier keine Lösung geben, saniere ich den alten Standort in der Stadt, ziehe zurück und klage."
Die Stadt verteidigt die Entscheidung zum Grundstücksverkauf. Bei der Auswahl habe man eine Reihe von Faktoren beachten müssen, die mit Bundesimmissionsschutzgesetz sowie Wirtschaftlichkeit zusammenhängen. "Der Investor-musste sich auf einer Industriefläche ansiedeln und wünschte die größtmögliche Nähe zu Stora Enso, wegen geplanter geschäftlicher Beziehungen. Der Investor wollte aber auch kurze Entfernungen zur Gasleitung und zur Umformerstation. Außerdem mussten Mindestabstände zur Wohnbebauung eingehalten werden. So eine Anlage ist in einem Gewerbe- und Industriegebiet richtig platziert. Beide noch freien GI-Flächen auf dem Schanzberg befinden sich in Nachbarschaft zur Firma Henri", sagte Dr. Thomas Kaminsky von der Wirtschaftsförderung der Stadt. Von Stadt und Investor wird Stora Enso als Thermolyse-Geschäftspartner ins Gespräch gebracht. "Wir führen gegenwärtig mit verschiedenen Entsorgungsunternehmen Gespräche über eine künftige Zusammenarbeit, beispielsweise mit unserem langjährigen zuverlässigen Partner, den
Kreiswerke Delitzsch , ebenso mit der Thermolyse Anlagen GmbH. Bisher gibt es von uns keine konkreten Zusagen oder vertragliche Bindungen", sagte Renate Balzer, Leiterin Umweltschutz bei Stora Enso.
Landrat Czupalla sprach jetzt mit Regierungspräsident Steinbach. "Die Wahl des Standortes ist mehr als unglücklich. Obwohl die Thermolyseanlage in ein GI-Gebiet gehört, hätte man sie nie neben einem Lebensmittelhersteller aufstellen dürfen. Der Regierungspräsident will nun schnell mit Investor und Stadt ins Gespräch kommen. Ziel ist es; einen neuen Standort zu finden", so der Landrat. Das muss schnell passieren, denn inzwischen sind neben dem ersten Beton auch die ersten Gelder geflossen.

Frank Pfütze


Thermolyseanlage

Eine Thermolyseanlage verwertet Natur und Synthesestoffe, organische Reststoffe, hochkalorische Abfälle und produziert Gas, aus dem Strom gewonnen werden kann. Das eingesetzte Material wird bei rund 600 Grad verschwelt. Es handelt sich um einen geschlossenen Kreislauf, in dem Schadstoffe gebunden und chemisch abgespalten werden, so dass nur Gas, Koks, Kondensate und Wasser übrig bleiben. Laut Technischer Anleitung Siedlungsabfall (TASI) dürfen ab 2005 Abfälle mit organischen Inhaltsstoffen nicht ohne Vorbehandlung deponiert werden.

LVZ, 30.11.2001