Brüssels Ohnmacht

Die EU-Kommission sieht die Rekommunalisierung der Kreiswerke Delitzsch GmbH „als Lösung des vergaberechtlichen Problems“ und verhindert somit die Ausschreibung der Abfallentsorgung in Teilen Nordsachsens. Der Kreistag wird am 02. März 2011 im nichtöffentlichen Teil der Sitzung höchstwahrscheinlich beschließen, was „hinter den Kulissen“ schon längst beschlossene Sache ist. Folglich wird der Gebührenzahler erneut die Zeche zahlen. Man könnte meinen, des Possenspiels letzter Akt wäre angebrochen. Doch weit gefehlt.

Eigentlich schien alles sehr plausibel: Auf Grund unserer Beschwerde vom 24.01.2009 an die „Kommission der Europäischen Gemeinschaft wegen Nichtbeachtung des Gemeinschaftsrechts“ leitete die Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen nach eingehender Prüfung ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland ein. Die Kommission hätte „nunmehr festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland durch die Vereinbarung eines Kündigungsverzichts bis 2025 in dem Entsorgungsvertrag zwischen dem Landkreis Delitzsch, jetzt Landkreis Nordsachsen und der KWD GmbH, sowie durch die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen an der beauftragten KWD während der Vertragslaufzeit, beides ohne vorherige Ausschreibung, gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 8 in Verbindung mit den Abschnitten III bis IV der Richtlinie 92/50/EWG und Artikel 20 und Artikeln 23 bis 55 der Richtlinie 2004/18/EG verstoßen hat. Die Kommission hat die Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 258 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union aufgefordert, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die genannten Europarechtsverstöße binnen zwei Monaten zu beseitigen. Erhält die Kommission binnen zwei Monaten keine zufrieden stellende Antwort, kann sie gegebenenfalls eine Vertragsverletzungsklage vor dem Europäischen Gerichtshof einreichen.(Schreiben vom Referatsleiter der Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen, Vergabewesen, Konzeption und Anwendung des Vergaberechts III, in einem Schreiben vom 3.5.2010 an den Beschwerdeführer Dietmar Mieth).

Im Rahmen des klar geregelten Klärungsprozesses äußerte sich die Bundesregierung an die EU-Kommission wie folgt: „Die Bundesrepublik teilt die Bedenken der EU-Kommission, soweit sie den Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts betreffen. ... Die Landesregierung des Freistaates Sachsen hat zugesichert auf das Landratsamt Nordsachsen in der Form einzuwirken, dass diese Zusatzvereinbarung noch in diesem Jahr wieder aufgehoben wird. …“

Die Landesdirektion Leipzig versandte nach unseren Recherchen Ende Juni 2010 gegen Empfangsbekenntnis an den Landrat Czupalla ein Schreiben, welches einen Verwaltungsakt darstellte mit folgendem Inhalt: „Die Landesdirektion Leipzig erlässt folgenden Bescheid: Der Beschluss des Kreistages von 2005 wird beanstandet. Dieser Beschluss ist bis zum 30.09.2010 aufzuheben. ...“ (gemeint ist der Beschluss des Kreistages, mit dem der Kündigungsverzichtsklausel zugestimmt wurde). Weiter heißt es: „... Die Änderungsvereinbarung selbst zwischen dem Landkreis und der Kreiswerke Delitzsch GmbH mit Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts ist bis zum 30.11.2010 aufzuheben.

Daraufhin begann für Landrat Czupalla die Zeit des Pläneschmiedens, denn anders ist das unverzagte Aussitzen der jeweils relevanten Termine schwerlich zu verstehen.
Es vergingen weitere Monate. Aus der nicht mehr stattfindenden Berichterstattung der Regionalpresse heraus abgeleitet, ahnten wir, dass im Hintergrund ein „genialer“ Plan Czupallas in die Tat umgesetzt würde. Deshalb rief ich am 26. Januar 2011 die zuständige Sachbearbeiterin in dem mit dem Verfahren befassten Brüsseler Referat an.

Diese Sachbearbeiterin legte mir dar, dass „offensichtlich Verhandlungen im Gange“ wären, die einen Kauf der 45 Prozent betragenden privaten Anteile der Kreiswerke Delitzsch GmbH durch die Kommune beinhalteten. „Die EU-Kommission hatte die Rekommunalisierung als Lösung des vergaberechtlichen Problems angedacht.“ Allerdings wäre „diese Lösung noch nicht offiziell“, so die Sachbearbeiterin.

Resümee

Gewiss gibt es nach derartigen Rekommunalisierungsprozessen durchaus Chancen auf Verbesserungen hinsichtlich der betriebswirtschaftlichen Effekte. Es können allerdings auch beträchtliche neue Risiken auftreten.

Das grundlegende Problem bleibt der Region jedoch erhalten: Die vollständige Kommunalisierung der KWD bewirkt zwar die Fortführung der „Umgehung“ einer Ausschreibungspflicht im Bereich der Abfallentsorgung der Haushalte auf dem Gebiet des ehemaligen Landkreises Delitzsch mit anderen als den bisher genutzten Mitteln, da somit ein vergaberechtsfreies „In-House-Geschäft“ vorliegt, jedoch bleiben damit auch die Abfallgebühren mit Abstand die höchsten Sachsens, Sachsen-Anhalts und Thüringens.
Gerade aber dieser Sachverhalt bewegte unseren Verein im Jahre 2009 eine diesbezügliche Beschwerde bei der EU-Kommission einzureichen, welche ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland zur Folge hatte. Die Eurokraten haben nun auf ganzer Linie versagt und die hiesigen Gebührenzahler im Stich gelassen. Dabei tönten sie noch in ihrer am 5. Mai 2010 abgegebenen Presseerklärung mit den schönfärberischen Worten, wie „fairer Wettbewerb um öffentliche Aufträge“ und „bestmöglicher Einsatz öffentlicher Gelder“ und nicht zu vergessen „mehr Schutz vor Korruption“.
Dabei hätten wir gerade das Letztere so bitter nötig.

Man handelte offenbar marionettenhaft nach dem Motto: Der Steuerzahler wird’s schon richten – Koste es, was es wolle.
Für die EU-Kommission war allem Anschein nach der Nordsächsische Fall ohnehin eine Nummer zu groß, denn hier herrscht gewissermaßen die höhere Gewalt.


Zschepen, den 20. Februar 2011
Dietmar Mieth


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