Wie verhält es sich mit der Langzeitstabilität der von S.D.R. Biotec Verfahrenstechnik GmbH Pohritzsch (SDR) aus gefährlichen Abfällen hergestellten Immobilisate?
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Ein Beitrag unseres Sachbeistandes Herrn Diplomchemiker Sieghard Weck
Seit Jahren behauptet das Management von SDR gebetsmühlenartig, dass die Langzeitstabilität der von SDR produzierten Immobilisate insbesondere bei der Verwendung als Deponieersatzbaustoffe sicher gewährleistet sei. Begründet wird diese kühne These mit der Behauptung, dass durch die angewandten Rezepturen in Verbindung mit den relevanten SDR-Technologien zur Herstellung derartiger stabilisierter Abfälle (Immobilisate) Strukturveränderungen erreicht werden, die langfristig stabil bleiben sollten. Theoretisch ist dies durchaus denkbar; wie sieht es aber aus in der realen Praxis als Kriterium der Wahrheit?
Seit mehr als 2 Jahren hat der BV „Sauberes Delitzscher Land e.V.“(BV) mit großem Aufwand Akteneinsichten und weitere konkrete Recherchen zu dieser Problematik durchgeführt. Insbesondere wurde der Frage nachgegangen, in welchen Dokumenten die überzeugenden Beweise für die in der Praxis erzielten Langzeitstabilitäten zu finden sind. Der BV hat sich deshalb auch an verschiedene Überwachungsbehörden mit der Bitte um relevante Unterstützung gewandt. Trotz zugesagter Unterstützung verliefen Bemühungen dieser Behörden zur Beschaffung von Dokumenten zur Langzeitstabilität offensichtlich ohne Ergebnis.
Bezeichnend während der gesamten Recherche war u.a., dass die Existenz überzeugender Quellen mitunter behauptet wurde, aber die Einsicht in diese Dokumente sehr oft mit den verschiedensten Mitteln erschwert oder gar verhindert worden ist insbesondere mit der Behauptung, hierbei würden Betriebsgeheimnisse berührt. Nach Durchsicht aller uns zugänglichen Dokumenten, die viele hundert Seiten beinhalteten, muss festgestellt werden, dass nachvollziehbare Nachweise zur Langzeitstabilität von SDR-Immobilisaten leider nicht gefunden werden konnten, obwohl SDR seit Jahren große Mengen gefährlicher Abfälle mittels verschiedener Rezepturen behandelt hat. Die resultierenden Immobilisate wurden und werden auch weiterhin auf verschiedene Deponien [insbesondere auf die Deponien Griebo bei Wittenberg, Freiheit III bei Bitterfeld (Sachsen-Anhalt) und auf die Zentraldeponie Cröbern bei Espenhain (Sachsen)] verbracht und dort eingebaut in der Hoffnung, dass zukünftig keine Gefahren mehr von den ursprünglich gefährlichen Abfällen für die Umwelt ausgehen können. Unverantwortlich ist in diesem Zusammenhang, dass begleitende Untersuchungen zur Langzeitstabilität von SDR im Rahmen der Produktverantwortung für die tatsächliche langfristige Eignung der eingebauten Immobilisate als Deponieersatzbaustoffe offensichtlich diskret behandelt werden. Dies nährt den Verdacht, dass diesbezügliche Belege gar nicht existieren können, weil die hierfür nötigen Untersuchungen bislang nicht durchgeführt worden sind. Diese Aussage wird untermauert von der Tatsache, dass Erkenntnisse über das Langzeitverhalten „in situ“ bzw. hilfsweise Erkenntnisse zum Langzeitverhalten der SDR-Immobilisate weder aus Labor noch aus Technikumsuntersuchungen („ex situ“) in den uns vorliegenden Akten bzw. im Rahmen unserer Recherchen von SDR dokumentiert waren.
Die sehr spärlich aufgeführten Untersuchungen zur Struktur und zum Elutionsverhalten von SDR-Immobilisaten (Output) vor Verbringen auf die jeweiligen Deponien sind keinesfalls auf das Langzeitverhalten übertragbar, weil die Einflüsse der sich zeitlich verändernden Milieubedingungen auf die eingebauten Immobilisate in Abhängigkeit von der Spezifik der jeweiligen Deponie hierbei natürlich nicht reproduzierbar simuliert werden können und folglich ausgeblendet sind.
Ebenfalls nicht übertragbar auf die Spezifik von SDR-Immobilisaten sind Erkenntnisse aus Untersuchungen, die von anderen Unternehmen bzw. Forschungseinrichtungen in der Fachliteratur veröffentlicht worden sind.
SDR bezieht sich gelegentlich auf derartige Veröffentlichungen und suggeriert deren Anwendbarkeit auch auf SDR-Immobilisate. SDR versäumt aber zu erwähnen, dass in den betreffenden Veröffentlichungen in aller Regel ausgeführt wird, dass im konkreten Fall eigene Feldversuche praktisch erforderlich sind.
Im Rahmen eines früheren Genehmigungsverfahrens hat SDR selbst ein Beispiel dargestellt, das die Herstellung eines aus immobilisierten Abfallstoffen hergestelltes mineralisches Abdichtsystem betrifft. Im diesbezüglichen Gutachten /1/ von Prof. Belouschek bereits aus dem Jahre 1995 “konnte aufgezeigt werden, dass mit den Massenreststoffen: Müllverbrennungsschlacken, Flugasche, Recycling-Material, Feinzinkaufbereitung, Bentonit-Altsand und Puran-Hartstaub unter Zumischung von Klärschlamm mit unterschiedlichen Klärschlammengen Abdichtungsgemische hergestellt werden können, die erdbautechnisch verarbeitungsfähig und verdichtungsfähig sind. Durch die zusätzlich angewandte Wasserglasvergütung grundsätzlich ein umweltverträgliches Auslaugverhalten erreicht, was dem Zuordnungswert Z.0 der LAGA entspricht. ..... Um jedoch sicherzustellen, dass die hohen Qualitäten, wie sie an mineralische Abdichtungsschichten generell gestellt werden, erreicht werden, sollte noch bei der Auswahl für dieses Abdichtungssystem eine ausführliche Eignungsprüfung mit einer Qualitätssicherung an einem Probefeld vorgenommen werden, die auch eine gewisse Bandbreite der Zuschlagsstoffe beinhalten muß.“ (Zitat) Die in diesem Zusammenhang beigefügten Eluatuntersuchungen in Abhängigkeit der Zeit (TERRACHEM Essen GmbH) zeigten, dass im Verlauf von lediglich 14 Tagen bereits maßgebliche Veränderungen am untersuchten System aufgetreten waren, wobei neben Stabilisierungseffekten auch problematische Veränderungen eintraten (z.B. pH-Verschiebung von ca. 8 auf ca. 7).
Höchst bedenklich ist hierbei, dass mit der pH-Verschiebung in Richtung des sauren Bereiches (pH <7) ursprünglich relativ stabil fixierte Schadstoffe (insbesondere Schwermetalle sowie deren Verbindungen bzw. Schwermetallionen) löslich und damit potentiell mobil werden. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass mit zunehmender Ablagerungsdauer insbesondere auf Deponien generell Destabilisierungsprozesse bzw. an sich gewünschte Zersetzungsvorgänge voranschreiten müssen, weil durch den fortschreitenden Einfluss saurer Niederschläge, saurer Bodenbegleitstoffe (z.B. Huminsäuren) aus Abdeckschichten und saurer Zersetzungsprodukte aus benachbarten Abfällen (z.B. Salzsäure) die Milieubedingungen, in denen die Immobilisate lagern, sich vom basischen/neutralen Bereich zunehmend in den sauren Bereich verschieben müssen.
Parallel hierzu verlieren die ursprünglichen Kristallstrukturen der Immobilisate zunehmend ihre Fixierungseigenschaften, weil die mineralische Matrix (kristallographisch klar strukturierte und stabile „Käfige“), die anfangs die Schwermetalle und andere Schadstoffe möglicherweise sogar sicher einschließen bzw. anderweitig fixieren konnte, durch zunehmende Säureangriffe zusätzlich destabilisiert und letztlich aufgelöst wird.
Das Schreiben von Prof. Belouschek, das am 28.10.1995 SDR zugegangen ist, zeigt beispielhaft, dass weitergehende praktische Untersuchungen von Immobilisaten im Sinne einer reproduzierbaren Anwendungsprüfung von außerordentlich hoher Bedeutung sind. Schon aus diesem Grunde ist es völlig unverständlich, dass SDR in der Vergangenheit offenbar wenig Engagement zeigte, zielführende Langzeituntersuchungen unter Verwendung von SDR-Immobilisaten durchzuführen.
Auch neuere Expertisen, Studien und Gutachten /2;3/ zeigen eindrucksvoll, dass Langzeituntersuchungen äußerst notwendig sind, weil eine einigermaßen befriedigende Stabilisierung im Sinne der Immobilisierung von Schadstoffen bislang nur im alkalischen bis neutralen Milieu erzielt werden konnte.
Zusammenfassend wird in /2/ hierzu nachvollziehbar ausgeführt: „Eine Stabilisierung im Sinne der gesetzlichen Anforderungen kann in der Regel jedoch nicht erreicht werden, da unter sauren Bedingungen ...... eine Schadstofffreisetzung nicht verhindert werden kann.“ (Zitat)
Diese Feststellung wird untermauert durch Untersuchungsergebnisse am Beispiel verschiedener Rückstände aus Müllverbrennungsanlagen. Derartige Rückstände sind bei SDR seit Jahren die Input-Hauptmengen. In der Studie /3/ wird hierzu zusammenfassend festgestellt: „Aus den erzielten Untersuchungsergebnissen ergeben sich erhebliche Zweifel daran, ob hoch salzhaltige Stäube aus Abfallverbrennungsanlagen geeignete Materialien für die Herstellung von deponiefähigen Stabilisaten bzw. von Deponieersatzbaustoffen sind. .... Im Ergebnis der Behandlung bleibt der salzartige Charakter dieser `Stabilisate´ bzw. Abfallgemische erhalten. Dieser Sachverhalt ist insbesondere im Hinblick auf die Ablagerung bzw. Verwertung derartiger Materialien (Abfälle) auf Deponien ..... ohne ausreichende Sickerwasserbehandlung hoch problematisch.“ (Zitat)
Es ist folglich nicht nachvollziehbar, warum die Chemiker bzw. das Management von SDR sowie die mit SDR in Geschäftsbeziehung stehenden und fachkundigen Gutachterunternehmen nicht mit mehr Nachdruck darauf hingewirkt haben, mit zumutbaren Aufwand in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Deponiebetreibern reproduzierbare eigene Untersuchungen zu den in der realen Praxis insbesondere auf Deponien in Sachsen-Anhalt verbrachten SDR-Immobilisaten zu veranlassen. Nur auf diese Weise wäre es möglich gewesen, die völlig unzureichenden Nachweisführungen bezüglich der SDR-Immobilisate (Output) hinsichtlich Ihrer Plausibilität bzw. Übertragbarkeit auf das Langzeitverhalten der seit Jahren insbesondere auf Deponien verbrachten SDR-Immobilisate zu überprüfen.
In diesem Zusammenhang könnten unter Verwendung noch gültiger Rückstellproben womöglich auch die bislang fehlenden Untersuchungen (wie z.B. in /3/ gefordert) zumindest teilweise nachgeholt werden.
Mit Schreiben vom 09.04.2009 hat SDR dem Umweltamt des LRA Nordsachsen zwei Expertisen der MLU-Halle zur Ökotoxikologie des Inputs und Outputs der SDR-Immobilisierungsanlage zugesandt. Trotz des ordnungsgemäß vom BV am 24.07.2009 gestellten Antrags auf Akteneinsicht nach Umweltinformationsgesetz (UIG) hat das LRA Nordsachsen dem BV mit Schreiben vom 15. September 2009 mitgeteilt, dass die Expertisen mit Hinweis auf eine angebliche Preisgabe von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nicht Eingesehen werden dürfen.
Diese Entscheidung des LRA Nordsachsen kann vom BV nicht nachvollzogen werden, weil die diesbezüglichen Sachverhalte maßgeblich öffentliche Belange berühren.
Diese problematische Verfahrensweise des LRA Nordsachsen wirft zumindest die folgende Frage auf:
Könnte die Ursache für die offenbar streng vertrauliche Handhabung der in Rede stehenden Expertisen darin liegen, dass die Ergebnisse dieser Expertisen die bislang vertretenen Ansichten des SDR-Managements nicht stützten bzw. die Erwartungen, die das SDR-Management an diese Expertisen stellten, von den höchst kompetenten Wissenschaftlern der MLU Halle nicht erfüllt wurden?
Da das Veröffentlichen von Spekulationen nicht dem Wesen des BV entspricht, muss in diesem Zusammenhang ausnahmsweise einmal die Vermutung geäußert werden, dass möglicherweise diese Expertisen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit starke Zweifel begründeten an den in der Vergangenheit von SDR immer wieder verbreiteten Behauptungen, wonach die SDR-Immobilisate langzeitstabil und ungefährlich sein sollen.
Indirekt wird diese Vermutung untermauert vom Fakt, dass SDR selbst im Verbund mit der LVZ entgegen der bisherigen Praxis der „Schönfärberei“ bislang keinerlei Bezugnahmen auf diese zwei Expertisen veröffentlicht hat, während in der Vergangenheit zur Aufwertung des fragwürdigen Images von SDR praktisch jede Möglichkeit genutzt wurde, die ins Bild von SDR passenden fachlichen Erkenntnisse zumeist über die LVZ öffentlichkeitswirksam zu verbreiten.
Stand: 16.09.2009
Ausgewählte Quellen:
Prof. Dr. habil. P. Belouschek
(Humboldt-Universität zu Berlin / Institut für Umweltforschung Schlieben e.V.)
in Zusammenarbeit mit TERRACHEM Essen GmbH
„Absetzbecken der Saxonia Hüttenbetriebe AG“ (19.10.1995)
„Expertise zur Beurteilung des Stabilitätsverhaltens von Abfällen nach der Behandlung“ vom 05,05,2007
Dr. Grüßing; TÜV Nord EnSys Hannover GmbH & Co. KG
Studie „Fixierungspotential von Speichermineralien am Beispiel verschiedener Rückstände aus Müllverbrennungsanlagen mit unterschiedlicher Salzfracht“
Prof. Dr. rer. nat. habil. G. Klöß; Universität Leipzig (15.08.2008)
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