Warum bezahlen Delitzscher so hohe Müllgebühren?

Ein Delitzscher berappt 87 Euro pro Jahr für die Müllentsorgung, die Torgauer ein Drittel weniger. Dietmar Mieth macht mit einem Bürgerverein dagegen mobil, dass kurz vor der Fusion zum Kreis Nordsachsen die Müllentsorgung im Kreis Delitzsch ohne Ausschreibung vergeben wurde. Mieth wirft Landrat Michael Czupalla (CDU) Rechtsbruch vor. Stefanie Markert berichtet.

Ein sauberes Gehöft am Rande von Delitzsch, Sonnenblumen aus Metall umranken das Eingangstor. Hier residiert Landwirt Dietmar Mieth, ein drahtiger Mittvierziger, der Weizen, Raps und Zuckerrüben anbaut. Eigentlich müsse er ein Ersatzteil für seinen Traktor besorgen, meint er und geht doch wieder ins Büro. Das auffallendste Möbelstück dort – ein mannshohes Aktenordner-Karussell, in dem sich Dutzende Leitzordner drehen – unter anderem mit Urteilen des Verwaltungsgerichts Leipzig. Es hat Mieths Klagen gegen die Abfallgebühren stattgegeben.

„Vor Gericht zu gewinnen, das macht natürlich auch Spaß, da kommt Freude auf. Da ist jahrelange Arbeit doch nicht vergebens.“

Dietmar Mieth


Mieth hat seine Version, was bei den Müllkosten in Delitzsch zu Buche schlägt.

„Beraterverträge, die gemacht worden sind, die früheren problematischen Verpflichtungen der Politik. Ich denke dabei nur an die Müllverbrennungsanlage, die wir verhindert haben. Die Rekultivierungskosten der Deponie Spröda. Hier dürften Kosten in Millionenhöhe auf den Gebührenzahler zukommen.“

Dietmar Mieth


Bisher haben all seine Briefe die Behörden nicht wachgerüttelt.

„Die Ämter schienen in eine – ja – Leichenstarre verfallen zu sein. Vermutlich sitzt man diese Geschichten so aus, wie der Landrat selbst.“

Dietmar Mieth


Das will der Bürgerverein Sauberes Delitzscher Landverhindern – nun mit einer Postkartenaktion. Justitia vor dem Torgauer Landratschloss, neben ihr Mülltonnen, Dreck und die Forderung, die Abfallentsorgung europaweit auszuschreiben. Auf dem Delitzscher Markt finden die Karten schnell Absatz – bei Rentnerin, Unternehmer oder Postfrau.

Auch in Brüssel dürfte Mieths Anliegen auf offene Ohren stoßen, denn das europäische Vergaberecht ist eindeutig. EU-Korrespondent Michael Becker:

Aufträge, die die öffentliche Hand vergibt, müssen bereits ab einem Umfang von 211.000 Euro EU-weit ausgeschrieben werden. Darüber hinaus sind Verträge nur mit einer Laufzeit von maximal vier Jahren zulässig.“

Michael Becker, MDR-INFO-Korrespondent in Brüssel


Landrat Czupalla dagegen schweigt. Schriftlich lässt er erklären, dass der Altkreis Delitzsch mit dem Zweckverband Abfallwirtschaft Westsachsen vereinbart habe, in einem Zeitraum von 20 Jahren seine Abfälle über die Mechanisch-Biologische Abfallanlage Cröbern entsorgen zu lassen. Des weiteren könne man die Müllentsorgungsgebühren eines Gebietes nicht mit einem anderen vergleichen.

Barbara Scheller ist bei den Landratswahlen für die Grünen gegen Michael Czupalla angetreten. Im Wahlkampf hat sie erfahren:

„... wie so die Seilschaften hier aufgebaut sind. Das halte ich also schon für sehr schlimme Zustände. Man kann das als schwarzen Filz bezeichnen.“

Barbara Scheller, Grünenpolitikerin


Zu ihrem Geburtstag haben Freunde der Grünen-Politikerin eine schusssichere Weste geschenkt. Für alle Fälle, sagt sie lachend und verspricht:

„Wir haben in diesem künftigen Kreistag leider nur zwei Kreistagsabgeordnete. Die Beiden werden es sehr schwer haben, Licht ins Dunkel zu bringen. Wir werden da politisch dranbleiben.“

Barbara Scheller, Grünenpolitikerin


Die Rechtsaufsichtspflicht über Nordsachsen hat die Landesdirektion Leipzig. Müllentsorgung sei aber Sache des Landkreises. Da wolle man sich nicht einmischen. Zumal keine Anhaltspunkte vorlägen, dass der Landkreis gegen Sachsens Kommunalabgabenrecht verstoße. Unternehmen könnten jedoch gegen Vergabeentscheidungen vorgehen, wenn sie den Auftrag selbst hätten ausführen können. Auch Beschwerden gegen Müllgebühren nehme Leipzig entgegen. Pressesprecherin Jana Klein:

„Diese Beschwerden können selbstverständlich auch von Bürgern eingereicht werden, liegen uns derzeit aber nicht vor. Weiterhin würden wir in eine Prüfung eintreten, wenn der Landkreis Urteile einfängt, die gegen ihn entscheiden und er diese Urteile nicht in seine künftigen Entscheidungen umsetzt.“

Jana Klein, Pressesprecherin der Landesdirektion Leipzig


Landwirt Mieth dürfte dies wundern, hat er Leipzig doch mehrfach informiert. Gespannt wartet er nun auf die neuen Müllrechnungen im Frühjahr. Sein Fazit:

„Es kann ja wohl nicht sein, dass nicht öffentlich ausgeschrieben wird, eine Abfallgebührensatzung per Gericht ungültig ist und trotzdem die Abfallgebührenbescheide ergehen. Dann sind wir nicht in einem Rechtsstaat, sondern in einem Rechtsmittelstaat.“

Dietmar Mieth


MDR-info, 04.02.2009


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