Bürgerverein Sauberes Delitzscher Land e.V.
c/o Dietmar Mieth
Alter Dorfring 22
04509 Delitzsch, OT Zschepen
Delitzsch, den 18.02.2008
An folgende Empfänger »»»
Offener Brief
an alle Abgeordnete der Kreistage Delitzsch, Leipziger Land, des Muldentalkreises
und Torgau-Oschatz,
an alle Stadträte der Städte Leipzig, Delitzsch, Eilenburg, Torgau, Borna und Grimma
sowie an den Regierungspräsident des RP Leipzig
Hauptanliegen dieses offenen Briefes ist, über derzeit existierende Probleme bei der Abfallverwertung insbesondere im Hinblick auf die bei der MBA Cröbern anfallenden heizwertreichen Fraktionen (HWRF) zu informieren. Es ist aus unserer Sicht offensichtlich, dass hierbei in der Vergangenheit zahlreiche konzeptionelle Fehler begangen worden sind, die korrigiert werden müssen.
Deshalb ist es an der Zeit, dass Sie als gewählte Abgeordnete darauf hinwirken, dass das derzeitige Stoffstrommanagement bezüglich der HWRF durch ein alternatives und für den Bürger effizienteres Verwertungssystem ersetzt wird. Auf diese Weise könnte entgegen der bisherigen Praxis eine kostengünstigere Verwertung der HWRF tatsächlich erfolgen. Damit ergeben sich Spielräume insbesondere zur Effizienzerhöhung, von denen nicht zuletzt auch die Gebührenzahler profitieren könnten.
Alternativvorstellungen zum derzeit praktizierten System gibt es seit Jahren.
Mit der im Jahr 2005 gesetzlich neu geregelten Abfallentsorgung ist seitdem zwingend vorgeschrieben, dass nur noch vorbehandelter Restabfall deponiert werden darf. Die damit verbundenen höheren Entsorgungskosten sind vorrangig von den Gebührenzahlern über steigende Gebühren zu bezahlen.
Bei der Vorbehandlung mittels mechanisch-biologischer Anlagen (MBA) fallen in beträchtlichem Maße (bis zu ca. 45 % der Gesamtmenge) so genannte heizwertreiche Fraktionen (HWRF) an, die zwingend verwertet werden müssen.
Die effiziente Gestaltung dieser Entsorgungs- und Verwertungsprozesse ist eine anspruchsvolle Managementaufgabe und eine Herausforderung für die zuständigen kommunalen Verwaltungen.
Seit Jahren ist bekannt, dass die zur Verwertung der HWRF erforderlichen Investitionen an den dafür geeigneten Standorten erst noch geschaffen werden müssen. In diesem Zusammenhang hätten im Vorfeld vor allem die Rahmenbedingungen für die Anpassung der diesbezüglichen Marktmechanismen vor allem durch realistische Preisgestaltungen neu konzipiert bzw. neu strukturiert werden müssen. Zusätzlich war von Anfang an klar, dass erhebliche Forschungsanstrengungen nötig sind, um insbesondere die Verwertungstechnologien rechtzeitig zur Marktreife zu bringen.
Seit mehr als 10 Jahren werden diese Aufgabenstellungen u.a. im Verbund mit z.T. externen Beratern bzw. mit Lobbyisten für „altes Denken6ldquo; bearbeitet. Aber ohne schlüssige Konzepte sind zielführende Ergebnisse nicht zu erwarten. Stattdessen muss konstatiert werden, dass durch kurzfristig angelegte „Scheinlösungen“ vorhandene Chancen zumeist verdrängt und damit nicht genutzt worden sind. Folglich mussten die daraus resultierenden Probleme früher oder später verschärft offenkundig werden.
Heute zeigt sich das Dilemma u.a. darin, dass Zwischenlager für HWRF angelegt werden müssen, um die vorgelagerten MBA-Behandlungskapazitäten nicht zu blockieren und damit die Abfallentsorgung mittels MBA überhaupt noch sicherstellen zu können.
Exemplarisch zeigt sich dieses Dilemma bei der MBA Cröbern, die seit Juni 2005 vom Zweckverband Abfallwirtschaft Westsachsen (ZAW) betrieben wird. Anfangs mussten die HWRF bis zur Kapazitätsgrenze vor Ort in Cröbern zwischengelagert werden. Seit etwa Mitte 2006 wurden die in Cröbern zwischengelagerten HWRF ins Kurzzeitzwischenlager Spröda umgelagert. Weitere HWRF werden seitdem vorrangig in Kooperation mit den Kreiswerken Delitzsch (KWD) auf weitere Zwischenlager verbracht. Die diesbezüglichen befristeten Genehmigungen verlangen zwingend, dass danach unverzüglich die relevanten Verwertungen erfolgen müssen.
Dementsprechend wurden in den jeweils aktualisierten Abfallgebührensatzungen, die von den Kreistagen der betreffenden Landkreise bzw. vom Stadtrat Leipzig beschlossen wurden, z.T. sehr hohe Gebühren festgesetzt. Obwohl die in der Kalkulation offenbar veranschlagten vollumfänglichen Verwertungen noch gar nicht erfolgen können, werden hierfür bereits Gebühren wirksam eingefordert. Beispielsweise betrug der Verwertungsgrad bezüglich der HWRF im Jahr 2007 nach offiziellen Angaben lediglich 24,4% (26.968,48 t von 110.713,78 t Gesamtproduktion an HWRF des WEV).
Da vom WEV an die KWD für jede abgenommene Tonne HWRF ein Preis von 90 Euro gezahlt wird, müssten sich diese Einnahmen eigentlich gebührensenkend für alle betroffenen Bürger auswirken, solange die Aufwendungen für die entsprechende Verwertung als Ersatzbrennstoffe (EBS) für ca. 3/4 der vom WEV übernommenen Gesamtmenge an HWRF noch gar nicht erforderlich werden können.
Lt. RP Leipzig sollen nach einer uns bislang nicht bekannten Konzeption erst ab 2009 Verwertungskapazitäten für 300.000 t/a HWRF zur Verfügung stehen. Es ist sehr fraglich, ob dies überhaupt im vollem Umfang realisiert werden kann bzw. tatsächlich realisiert werden soll.
Der BV „Sauberes Delitzscher Land e.V.“ ist der Frage nachgegangen, ob Gewinne aus der KWD- Ersatzbrennstoffproduktion bei Einsatz heizwertreicher Fraktionen (HWRF) der MBA Cröbern (WEV) überhaupt erwartet werden könnten. Die diesbezüglichen Erkenntnisse sind auf der Homepage des Vereins www.pro-demokratie.com detailliert dargestellt und mit Kalkulationen in Varianten unterlegt.
Die Resultate dieser Untersuchungen können wie folgt zusammengefasst werden:
120.000 t pro Jahr der bei der mechanischen Abtrennung in der MBA Cröbern anfallenden heizwertreichen Fraktionen werden seit August 2006 vertragsgemäß von den KWD zum Preis von 90 €/t übernommen. Hierfür erfolgte keine europaweite Ausschreibung, obwohl bei der Vertragslaufzeit von 20 bzw.30 Jahren der Wertumfang dieses Geschäftes über 200 bzw. über 300 Millionen Euro beträgt.
Anfangs wurde die HWRF aus der MBA Cröbern in Ballen verpackt auf das mittlerweile bis Ende 2008 befristet genehmigte Kurzzeit-Zwischenlager der Deponie Spröda verbracht. Wegen der Befristung und der zu geringen Kapazität des Kurzzeit-Zwischenlagers Spröda werden weitere Zwischenlager u.a. in Sachsen-Anhalt (z.B. die Deponie Freiheit III bei Bitterfeld) genutzt.
Außerdem wurde von den KWD ein neues Langzeit-Zwischenlager auf der Deponie Spröda mit einer Kapazität von 200.000 t beantragt, das mittlerweile vom RP Leipzig formal genehmigt worden ist, aber lt. Aussage der KWD vorerst nicht mehr benötigt wird.
Die vom WEV übernommene HWRF soll nach Zwischenlagerung zur gegebenen Zeit von den KWD am Standort Bernburg (Sachsen-Anhalt) zu Ersatzbrennstoffen verarbeitet und unter dem Markennamen Carbo light® als Substitut für fossile Brennstoffe vermarktet werden.
Mit Hilfe seriös ermittelter Daten wurde vom BV „Sauberes Delitzscher Land e.V.“ das von den KWD konzipierte Stoffstrommanagement hinsichtlich seiner Wirtschaftlichkeit abgeschätzt und aus der Sicht der Bürger bewertet Hierbei wurden in den Fällen, wo Preisspannen vorlagen, stets die für die KWD günstigsten finanziellen Aufwendungen als Berechnungsgrundlage verwendet.
Hinsichtlich der Aufwendungen wurde eine moderate Preiserhöhung von jährlich 5% gegenüber dem jeweiligen Vorjahr angenommen. Darüberhinaus wurden die Kosten für die Ballierung, die direkt vom WEV in Cröbern durchgeführt wird, separat betrachtet und nicht den KWD zugerechnet.
Die Kalkulationen zeigen eindeutig, dass unter den gegebenen Rand- und Rahmenbedingungen keinerlei Gewinne erwartet werden können.
Selbst wenn das von den KWD zu entrichtende Verwertungsentgelt für das Endprodukt Carbo light® von mindestens 35 €/t nicht gezahlt zu werden bräuchte, könnte der kalkulierte Verlust nicht vollständig kompensiert werden.
Folglich muss das von den KWD als Wertschöpfungskette propagierte Stoffstrommanagement in Verbindung mit der konzipierten Verwertung der HWRF über Carbo light® scheitern.
Daran ändern auch die gegenteiligen Beteuerungen der KWD nichts, selbst wenn sie wiederholt vorgebracht werden.
Analog wurden von uns die zu erwartenden Erlöse abgeschätzt, die sich für die KWD bei Langzeit-Zwischenlagerungen ergeben sollten. Alle derartigen Kalkulationen zeigen im Ergebnis positive Umsatzerlöse, wobei insbesondere bei der ausschließlichen Zwischenlagerung (d.h. ohne Verwertung über Carbo light® ) sich die höchsten Erlöse für die KWD ergaben.
Folglich sind die Einnahmen für die Übernahme der HWRF aus Cröbern wegen der fehlenden Verwertung der in Rede stehenden HWRF als Liquiditätsüberschuss zum Vorteil der KWD zu bewerten. An diesem Vorteil müssen natürlich auch die betroffenen Gebührenzahler durch angemessene Gebührensenkungen beteiligt werden.
Neben der Tatsache, dass die existierenden Verträge trotz des enormen Wertumfangs ohne europaweite Ausschreibung zustande kamen, muss der einseitige Liquiditätsvorteil, den die KWD aus der Zwischenlagerung der HWRF erzielen, Anlass sein, sofort die derzeitig jeweils gültigen Abfallgebührensatzungen nachvollziehbar sowie angemessen zu präzisieren, damit unter Berücksichtigung der aktuellen Fakten akzeptable neue Satzungen durch die dafür zuständigen Gremien zeitnah beschlossen werden können.
Selbstverständlich müssen zur Korrektur der ineffizienten Verfahrensweisen, die derzeit praktiziert werden, die Arbeiten an einer zielführenden Alternativkonzeption durch den WEV vorangetrieben werden. Dies bedeutet, dass in Verbindung mit einer europaweiten Ausschreibung möglichst schnell ein integriertes Entsorgungszentrum zur tatsächlichen Verwertung der HWRF am dafür geeigneten Standort Cröbern zum Erfolg gebracht wird.
Die Chancen hierfür sind trotz des bisher eingetretenen Zeitverlustes noch nicht verspielt.
Mit freundlichen Grüßen
Dietmar Mieth (BV Sauberes Delitzscher Land e.V.)
Sieghard Weck; Sachbeistand
Verteiler:
Regierungspräsidium Leipzig |
Regierungspräsident
Walter Christian Steinbach |
Braustraße 2 |
04107 |
Leipzig |
Landratsamt Delitzsch |
Landrat Michael Czupalla |
Richard-Wagner-Str.7a |
04509 |
Delitzsch |
Landratsamt Torgau-Oschatz |
Landrat Robert Schöpp |
Schlossstraße 27 |
04860 |
Torgau |
Landratsamt Leipziger Land |
Landrätin Petra Köpping |
Stauffenbergstraße 4 |
04552 |
Borna |
Landratsamt Muldentalkreis |
Landrat Dr. Gerhard Gey |
Karl-Marx-Str.22 |
04668 |
Grimma |
Stadtverwaltung Leipzig |
Oberbürgermeister Burkhard Jung |
Neues Rathaus Martin-Luther-Ring 4-6 |
04109 |
Leipzig |
Stadtverwaltung Delitzsch |
Oberbürgermeister Heinz Bieniek |
Markt 3 |
04509 |
Delitzsch |
Stadtverwaltung Eilenburg |
Oberbürgermeister Hubertus Wacker |
Marktplatz 1 |
04838 |
Eilenburg |
Stadtverwaltung Borna |
Oberbürgermeister Bernd Schröter |
Markt 1 |
04552 |
Borna |
Stadtverwaltung Torgau |
Bürgermeisterin Andrea Staude |
Markt 1 |
04860 |
Torgau |
Stadtverwaltung Grimma |
Bürgermeister Matthias Berger |
Markt 16/17 |
04668 |
Grimma |
cc:
ZAW Zweckverband Abfallwirtschaft Westsachsen |
Geschäftsleiter Holger Bauerfeind |
Am Westufer 3 |
04463 |
Großpösna OT Störmthal |
Kreiswerke Delitzsch GmbH |
Geschäftsführer Heinz Böhmer |
Benndorfer Landstraße 1 |
04509 | Delitzsch |
Deutsche Umwelthilfe |
Maria Elander |
Hackescher Markt 4 |
10178 |
Berlin |
ddp Deutscher Depeschendienst GmbH |
Mathias Hasberg |
Sternwartenstraße 6 |
04103 |
Leipzig |
Leipziger Volkszeitung e.V. |
Lokalredaktion |
Rossplatz 1 |
04509 |
Delitzsch |
Neues Deutschland |
Chefredakteur Jürgen Reents |
Franz-Mehring-Platz 1 |
10243 |
Berlin |
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