Soll im Biomassekraftwerk Delitzsch nur Altholz verbrannt werden?

Gedanken (Fragen und Antworten) zum Biomassekraftwerk Delitzsch

Im Südwesten von Delitzsch wurde ein Biomassekraftwerk errichtet und in Betrieb genommen.

Was soll in diesem Kraftwerk verbrannt werden?

Beantragt wurde am 25.04.2002 durch die Technische Werke Delitzsch GmbH beim Regierungspräsidium Leipzig die Errichtung eines Biomassekraftwerkes mit einer maximalen elektrischen Leistung von 20 MW.
In diesem Kraftwerk sollen Althölzer der Kathegorien A1 bis A4 (Frischholz bis belastete Hölzer) verbrannt werden.
Das wurde bei der Erörterung des genannten Antrages am 12.09.2002 durch Herrn Schiller als Geschäftsführer der nunmehr gegründeten Biomassekraftwerk GmbH ausdrücklich bestätigt.
Durch das Regierungspräsidium Leipzig wurde am 28.02.2003 die 1. Teilgenehmigung erteilt, die die Errichtung einer Anlage (ohne Dampfkessel) zur Verbrennung von Althölzern der Kathegorien A1 bis A4 mit einer elektrischen Leistung von 20 MW beinhaltet.

Das Biomassekraftwerk wurde errichtet und am 23.10.2003 erfolgte durch die Biomassekraftwerk GmbH beim Regierungspräsidium Leipzig die Beantragung zum Betrieb der errichteten Anlage zur Verbrennung von Althölzern mit einer elektrischen Leistung von 20 MW.
Die errichtete und zum Betrieb beantragte Anlage weist jedoch zu der zur Errichtung genehmigten Anlage deutliche Unterschiede in der Anlagengröße auf. Während die genehmigte Anlage z.B. eine Auslegung der Rauchgasreinigung und -ableitung für 120.000 Nm3/h feuchtes Rauchgas beinhaltet, wurde eine Anlage für 143.000 Nm3/h feuchtes Rauchgas errichtet und zum Betrieb beantragt. Die Brennstoffdaten für die Ermittlung der vergrößerten Rauchgasmenge wurden im Antrag jedoch nicht genannt!

Auf Basis welcher Genehmigung wurde diese Anlage gebaut?

Die erteilte Genehmigung geht von einer kleineren Rauchgasmenge aus.
Das Regierungspräsidium als Genehmigungsbehörde duldete diese Abweichung!
Auf die Frage, ob die errichtete Anlage der genehmigten entspricht, gibt es vom Regierungspräsidium bis heute keine Antwort.

Ist die Vergrößerung der Anlage zur Rauchgasreinigung und -ableitung für den Betrieb des Kraftwerkes erforderlich?

Diese Vergrößerung der Anlage ist nicht erforderlich, solange Althölzer verbrannt werden sollen.

Übrigens:

Das Ingenieurbüro, das die Unterlagen für die Genehmigung zum Betrieb erarbeitet hat, weist für das Biokraftwerk Delitzsch (ehemalige Zuckerfabrik) für eine Anlage mit gleicher elektrischer Leistung und gleichem Brennstoff eine deutlich geringere Rauchgasmenge aus.

Hat damit das verantwortliche Ingenieurbüro nicht selbst den Nachweis erbracht, dass eine Vergrößerung der Anlage für die Rauchgasreinigung und -ableitung keinesfalls erforderlich ist?
Der Gedanke, dass es sich bei der ausgewiesenen größeren Rauchgasmenge um eine Gefälligligkeit seitens des Ingenieurbüros gegenüber der Biomassekraftwerk GmbH handeln könnte, ist dabei nicht allzu abwegig.
Das Regierungspräsidium Leipzig sah allerdings auch nach Hinweis unter Missachtung von physikalisch-technischen Zusammenhängen keine Differenzen, oder wollte diese Differenzen nicht sehen?
Bei der Großzügigkeit des Regierungspräsidiums an dieser und auch an anderen Stellen könnte man auch auf den Gedanken kommen, dass mit der Antragstellung hierauf spekuliert wurde.
Holz, als junger Brennstoff, enthält in seiner Zusammensetzung einen großen Anteil Sauerstoff, der mit an der Verbrennung teilnimmt. Um diesen Anteil verringert sich die erforderliche Verbrennungsluft, die von außen zugeführt werden muss. Die abzuführende Rauchgasmenge ist um die äquivalente Stickstoffmenge der eingesparten Verbrennungsluft kleiner.

Wird ein Brennstoff verbrannt, der nur einen geringen Anteil Sauerstoff enthält, muss demzufolge eine größere Menge an Verbrennungsluft zugeführt werden, die aufgrund des Anteils an Stickstoff auch eine größere Rauchgasmenge ergibt. Brennstoffe mit einem geringeren Anteil an Sauerstoff als Holz sind Müll und daraus gewonnene Ersatzbrennstoffe.

Sollen demnach in dieser Anlage künftig Ersatzbrennstoffe oder Müll verbrannt werden?

Es hat den Anschein, dass dieses erfolgen soll.
Die Antwort hierauf gibt auch der Brennstoffliefervertrag, der bereits am 23.08.2002, also vor der Erörterung des Antrages zur Errichtung des Kraftwerkes, durch die Geschäftsführer der Biomassekraftwerk GmbH als » Kooperationsvertrag für Lieferung und Abnahme von Biomassebrennstoffen zur energetischen Verwertung « unterzeichnet wurde.

Dieser Vertrag sieht unter - 1.4 Lieferung von Ersatzbrennstoffen - vor:

…fehlende Mengen an Brennstoff durch Ersatzbrennstoffe zu ersetzen, sofern und soweit deren Einsatz für BMKW Delitzsch unter gleichen wirtschaftlichen Bedingungen möglich ist.
Weiter wird in diesem Vertrag ausgesagt:
Ersatzbrennstoffe im Sinne des Vertrages sind ausschließlich Stoffe, die nicht als Biomasse im Sinne der Biomasseverordnung oder als sonstige erneuerbare Energieträger im Sinne des EEG anerkannt sind, jedoch den anlagetechnischen und sonstigen Anforderungen und erforderlichen Genehmigungen entsprechen.

Damit war bei Vertragsabschluss eine spätere Verbrennung von Ersatzbrennstoffen vorgesehen.

Das allerdings hat Herr Schiller bei der Erörterung verschwiegen, wobei durchaus ein Vorsatz unterstellt werden könnte. Wurden damit nicht das Regierungspräsidium (?) und die Öffentlichkeit über die wahren Absichten arglistig getäuscht?

Das Regierungspräsidium hatte allerdings Kenntnis von diesem Vertrag!
Mit der zur Errichtung genehmigten Anlage ist eine Verbrennung von Ersatzbrennstoffen durchaus möglich, jedoch nicht, wie gefordert, unter gleichen wirtschaftlichen Bedingungen.
Wenn Ersatzbrennstoffe unter gleichen wirtschaftlichen Bedingungen wie Holz, vor allem bei gleicher elektrischen Leistung, eingesetzt werden sollen, muss die Anlage für die größere Abgasmenge ausgelegt werden. Was dann ja auch geschehen ist.

Mit dem Antrag zur Betriebsgenehmigung wurde gleichzeitig eine veränderte Brennstoffversorgung beantragt. Hiernach war vorgesehen, dass die Brennstoffversorgung über betriebseigene Beschickungssysteme erfolgt, wobei der aufbereitete Brennstoff (Holzhackschnitzel) mittels LKW angeliefert wird. Als zweiter Weg war eine Anlieferung über Förderbänder aus dem in Nachbarschaft zum Biomassekraftwerk vorgesehenen, betriebsfremden Holzkontor vorgesehen.
Die Brennstoffversorgung über die betriebseigenen Beschickungssysteme wurde jedoch nicht gebaut. Die Brennstoffversorgung mit und seit Inbetriebnahme des Kraftwerkes erfolgt aussschließlich über das zwischenzeitlich errichtete Holzkontor, wobei angemerkt werden muss, dass das Holzkontor durch Übernahmen nunmehr bei einer Beteiligung von 90 % de facto eine Tochtergesellschaft der Biomassekraftwerk GmbH wurde.
Das Holzkontor wurde damit integrierter Bestandteil des Biomassekraftwerkes. Bekräftigt wird das noch dadurch, dass das Holzkontor nur zur Versorgung des Biomassekraftwerkes errichtet wurde und keine, wie ursprünglich vorgesehen, Abgabe von Holz an Fremde erfolgen soll.

In der Kurzbeschreibung des Genehmigungsantrages für das Holzkontor wird hierzu ausgeführt:

Betreiberziel ist es, zerkleinerte Althölzer anzunehmen, in einem Hallenbauwerk zwischenzulagern und an eine benachbarte Endverwertungsanlage (Biomassekraftwerk) abzugeben.

Ad absurdum wurden damit die Aussagen im Vorwort der Kurzbeschreibung geführt:

Formal besteht zwischen den selbständigen Anlagen der Antragstellerin und der Fa. BMKW Biomassekraftwerk Delitzsch GmbH kein genehmigungsrechtlich oder gesellschaftsrechtlich relevanter Bezug. … Damit beeinflussen sich die Technologien … jeder für sich separat zu genehmigenden Anlage ein Stück weit.

Hieraus leiten sich Fragen ab wie:

Warum wurden die Anlagen zur Brennstoffversorgung geändert?
Warum wurde das Holzkontor errichtet, wo es für den Betrieb des Kraftwerkes doch eigentlich gar nicht erforderlich war?

Was ist naheliegender, als die Antwort im Brennstoff zu suchen.
Bei einer Verbrennung von Holzschnitzeln war die Brennstoffversorgung über die betriebseigenen Beschickungssysteme mit entsprechender Reservehaltung ausreichend.
Sollen jedoch andere Brennstoffe, wie z.B. Ersatzbrennstoffe zum Einsatz kommen, dann ist diese Art der Brennstoffversorgung nicht geeignet.
Über das Holzkontor ist eine Versorgung des „Biomassekraftwerkes“ mit Ersatzbrennstoffen allerdings ohne Probleme möglich. Eine entsprechend große Reservehaltung ist ebenfalls vorhanden.
Obwohl das Holzkontor integrierter Bestandteil des Biomassekraftwerkes geworden ist, wurde es, da es als „selbständige“ Einheit errichtet wurde, nicht in die Umweltverträglichkeitsuntersuchungen einbezogen. Damit wurde auch nicht untersucht, welche Auswirkungen ein Brand von schadstoffbelasteten Althölzern bei entsprechender Windrichtung auf die Bevölkerung von Delitzsch hat.

Beklagt wurden öfter erhöhte Kosten bei der Errichtung des Biomassekraftwerkes. Die Gewährung einer fragwürdigen Bürgschaft und eines ebensolchen Kredites durch die Stadt Delitzsch zugunsten der TWD GmbH lassen erhöhte Kosten vermuten. Hängen diese aber nicht zu einem Teil mit den spekulativen und mit Risiken behafteten Veränderungen der Anlagen des Kraftwerkes und des Holzkontors zusammen?

Das „Biomassekraftwerk“ Delitzsch ist technisch weitgehend vorbereitet auf den Einsatz von Ersatzbrennstoffen.

Die Ersatzbrennstoffe sind vorhanden, denn diese sollen aus dem Restmüll der mechanisch-biologischen Anlage in Cröbern in einer entsprechenden Anlage der Kreiswerke in Delitzsch gewonnen werden.

Was noch fehlt, ist die Genehmigung. Bei der bisherigen Genehmigungspraxis des Regierungspräsidiums Leipzig sollte das aber keine allzu große Hürde sein.

Die Bürger der Stadt Delitzsch werden wieder einmal zusehen und schlucken müssen, was ihr oberer Ratsherr, Herr Bieniek, zum Wohle der von ihm vertretenen Gesellschaften akzeptiert.

ein ge- und enttäuschter Bürger, 23.06.2005


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