Legalisierte Müllgeschäfte?

von Dietmar Mieth

Im Mittelpunkt des nun Folgenden steht eine Dokumentation, die sich mit den Arbeitspraktiken in dem teilkommunalen Entsorgungsunternehmen Kreiswerke Delitzsch GmbH befasst.

Im Industrie- und Gewerbebetrieb Delitzsch Südwest und im Gewerbegebiet Radefeld, nahe Leipzig, betreiben die Kreiswerke Delitzsch GmbH Produktionsstätten, die Ersatzbrennstoffe für den Einsatz in Industriefeuerungsanlagen, Zement- und Großkraftwerken sowie ausgewählten Kleinfeuerungsanlagen herstellen. So behauptet dies zumindest dieser Betreiber.

Anfänglich wurde offiziell die Anlage in Radefeld als Sortieranlage und die Anlage in Delitzsch Südwest als Sortieranlage mit nachgeschalteter Ersatzbrennstoffproduktion bezeichnet. Ab Anfang 2004 heißen diese nur noch Ersatzbrennstoff-Produktionsstätten. Vielleicht hat man nun gemerkt, dass der Sortierprozess von untergeordneter Bedeutung bzw. gänzlich abhanden gekommen ist?
Nach Firmenangaben wurde bis zum Jahr 2003 noch eine weitere als Sortieranlage bezeichnete Anlage in Döllnitz betrieben. Dieser Ort befindet sich unweit der Deponie Lochau.

Laut Jahresabschluss der Kreiswerke Delitzsch wurden im Jahre 2003 allein 8,536 Mio. € Umsatzerlös (entspricht 37,6 % des Gesamtjahresumsatzerlöses in Höhe von 22,703 Mio. €) durch das Geschäftsfeld Herstellung Brennstoffe mit Sortierung erzielt. Im Geschäftsfeld Deponien konnten im gleichen Zeitraum 3,911 Mio. € Umsatzerlös (entspricht 17,2 % des Gesamtumsatzerlöses) realisiert werden. Hausmüllentsorgung, das eigentliche Geschäftsfeld eines kommunalen Entsorgungsbetriebes bleibt mit 1,694 Mio. € Umsatzerlös (entspricht 7,5 % des Gesamtjahresumsatzerlöses) weit abgeschlagen zurück.

Die Entsorgungs-, Entwicklungs- und Baugesellschaft Delitzsch mbH (ENEBA) fungiert als Holding der Organgesellschaften Kreiswerke Delitzsch GmbH (KWD) und Gesellschaft für Kreisentwicklung und Wohnungsbau im Landkreis Delitzsch mbH (GKW). Es besteht mit diesen ein Organschaftsvertrag (Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag). An den Kreiswerken Delitzsch GmbH hält der Landkreis Delitzsch 55 % direkte und indirekte Gesellschaftsanteile. Das Beratungsinstitut für Kommunalwirtschaft GmbH Berlin/Köln, Geschäftsführer ist Herr Dr. Klaus-Jürgen Haupt, hält 45 % der Gesellschaftsanteile. Die ENEBA besitzt einen Aufsichtsrat – Vorsitzender ist der Landrat Michael Czupalla. Da die Kreiswerke selbst keinen Aufsichtsrat besitzen, werden die Aufgaben von dem der ENEBA mit wahrgenommen. Die Kreiswerke trugen im Jahr 2003 mit 95,9 % Anteil am Umsatzerlös des ENEBA-Konzerns bei.
Herr Dr. Haupt ist deutschlandweit Anteilseigner und gleichzeitig hochdotierter Berater bei einer Vielzahl von teilkommunalen Unternehmen, vor allem der Abfallbranche. Die Beratung für ein „überregionales Stoffstrommanagement“ war mehrfach in der nun stark dezimierten Homepage seines Beratungsinstitutes als Referenz ausgewiesen.

Nach Angaben der LVZ wurde die Sortieranlage der Kreiswerke in Delitzsch Südwest im Jahr 2000 für rund 10 Mio. € als erstes Sortierwerk mit angeschlossener Ersatzbrennstoffherstellung in Sachsen errichtet. Es würden Reste aus der DSD-Wertstoffsortierung oder Autoindustrie, wie Filze, Kunststoffe und Stoßstangen in dem Betrieb zu 60 Prozent zu Feuerungszusätzen für Großindustrieanlagen weiterverarbeitet.

Unter dem Begriff „Carbolight“ (kurz CBL) würde der Ersatzbrennstoff in den Zementwerken Bernburg, Deuna und neuerdings auch Burglengenfeld als Substitut im Feuerungsregime eingesetzt und somit wertvolle und immer knapper werdende fossile Brennstoffe ersetzen.
Auch das Zementwerk Höver der Holcim AG (bei Hannover), eine Holzverwertung bei Baruth, die Papierfabrik Stora Enso Eilenburg, das Karsdorfer Zementwerk und das Kraftwerk Jänschwalde würden wohl mit „Carbolight“ beliefert.

Ein großer Teil des in den Hallen der Anlage Delitzsch Südwest gelagerten „Carbolight“, also des Endproduktes wird nicht etwa am hiesigen Standort aus den angelieferten deutschen, belgischen, holländischen und österreichischen Abfällen produziert, sondern herangefahren. Die Zulieferfirmen für dieses Fertigmaterial befinden sich u.a. in Ulm, Ginsheim/Gustavsburg, Würzburg und Erftstadt.

Die Analge in Delitzsch Südwest besitzt laut Betreiberangaben eine Jahreskapazität von 150.000 Tonnen und diese in Radefeld eine von 60.000 Tonnen Müll. Die Anlage in Döllnitz konnte von uns leider nicht ausfindig gemacht werden, allerdings tritt sie in den Jahresabschlüssen der KWD in Erscheinung. Aus Gründen der Unrentabilität wäre sie im Jahre 2003 abgestoßen worden.

Das Inputmaterial für Delitzsch Südwest und Radefeld wird ausschließlich mit Verwertungsnachweis oder Liefervertrag zur Verwertung angenommen. Rein rechtlich gesehen, dürfen Abfälle zur Beseitigung aus anderen Regionen nicht angenommen werden. Bestehende Genehmigungen geben hierzu klare Handlungsvorgaben.
Als unzulässige Beseitigung würde die direkte Verbringung des herangefahrenen Mülls ohne den logistischen Zwischenschritt „Ersatzbrennstoffproduktionsstätte“ auf die hiesigen Deponien angesehen.

Seit langem beobachten wir ein reges Treiben in den Betriebshöfen dieser „Ersatzbrennstoff-Produktionsanlagen“, auf den öffentlichen Straßen zu den Deponien und auf den Deponien selbst. Jedoch verstärkt sich der Eindruck, dass dieses Treiben nicht zielgerichtet auf eine echte und gesetzeskonforme Abfallverwertung mit Wertschöpfung gerichtet ist, sondern lediglich einfache logistische Aktionen beinhaltet, die das Ziel verfolgen, möglichst große Mengen bzw. Volumina an Abfällen in möglichst kurzer Zeit auf die Deponien Spröda, Holzweißig und Lochau (die beiden Letzteren befinden sich in Sachsen-Anhalt) zu verbringen, um sie dort einfach Abzulagern – zu Beseitigen. Die nachfolgende Bilddokumentation zeigt die Methode dieser Verfahrensweise und offenbart die Probleme, die mit diesen Handlungsweisen verursacht werden.

Vorab ist die Feststellung von Bedeutung, dass Lieferungen, bei denen sich herausstellt, dass sie nicht zu verwerten sind, storniert werden müssten. Im Rahmen einer durch Mitglieder unserer Bürgerinitiative durchgeführten Besichtigung der Anlage in Delitzsch Südwest im Oktober 2003 wurde seitens der Geschäftsführung erklärt, dass bereits bei Eingang des Materials auf der Waage an Hand des Gewichtes klar erkannt werden kann, ob die noch im anliefernden Lkw befindlichen Abfälle zu hohe Feuchtigkeitsgehalte aufweisen. Ist das Material zu nass, könnte dies nachfolgend nur noch auf der Deponie beseitigt werden, so die Aussage. – Wir fragen uns jedoch, welche Logik in dieser abstrusen Darstellung stecken soll?

Fakt ist, dass täglich 3.500 bis 4.000 Kubikmeter Abfälle, zum überwiegenden Teil Kunststoffe, durch diese „Verwertungsanlagen“ geschleust und nachfolgend auf direktem Wege auf die Deponien gefahren werden. Das Regierungspräsidium Leipzig als Rechtsaufsichtsbehörde und die Sächsische Staatsregierung wurden durch zahlreiche Aktionen der Bürgerinitiative, sowie kleine Anfragen im Sächsischen Landtag mehrfach und unverblümt auf diese wohl unhaltbaren Zustände hingewiesen. Weder ist bis heute eine gangbare Lösung zur Abhilfe noch ein Lösungsansatz vollzogen worden. Mit Totschweigen und verklärten Antwortschreiben werden die Probleme nicht gelöst. Es kommt der Verdacht auf, dass diese Sachverhalte den zuständigen Behörden zwar bekannt sind, aber ein Aussitzen über alle möglichen Unwegsamkeiten hinweghelfen soll. Bisher waren diesbezüglich nur Anfeindungen und sogar eine von den Kreiswerken und deren privaten Gesellschafter, Herrn Dr. Klaus-Jürgen Haupt, eingereichte Klage gegen ein Mitglied unserer Bürgerinitiative das dürftige Ergebnis unserer unermüdlichen Aufklärungsarbeit.


Verwertungsanlagen

08.02.2004 - „Verwertungsanlage“ Delitzsch Südwest Schild vor der KWD-„Verwertungsanlage“ in Delitzsch Südwest

Anlieferung von Abfällen zu den vermeintlichen Verwertungsanlagen

26.11.2004 - Lkw´s vor der Anlage in Delitzsch Südwest 29.11.2004 - Lkw´s vor der Anlage in Delitzsch Südwest
Die Lkw´s stehen vor der Einfahrt der Anlage Schlange. Die Kfz-Kennzeichen verraten, dass Spediteure aus fast allen Bundesländern Deutschlands und aus zahlreichen Ländern der EU die Anlage beliefern. 25.11.2004 - Lkw´s in Delitzsch Südwest

Entladen und Umladen im Hofgelände der Ersatzbrennstoffproduktionsstätten als Vorbereitung zum Abtransport auf die Deponien

30.09.2004 - Entladen eines beplanten LKW mittels Teleskoplader 26.11.2004 - Abgeladene Plasteabfallbündel in Delitzsch Südwest
Die LKW werden mittels Radlader entladen. Es ist zu erkennen, dass der Hauptanteil fast aller Lkw-Ladungen aus Plasteabfällen besteht.
30.09.2004 - Abgeladene Alttextilien in Ballenform Auch in Ballenform gepresste Alttextilien (saubere Ware, exakt gelegt, ca. 300 – 400 kg je Ballen) werden in der „Verwertungsanlage“ Delitzsch Südwest umgeladen und danach auf den Deponien beseitigt.

11.05.2004 - Umladeplatz für Kunststoffabfall 11.05.2004 - Zwischengelagerte Kunststoffbündel in Delitzsch Südwest
Gebündelte Abfälle werden nach fast allen Seiten offen abgelegt und dort zumeist nur für kurze Zeit zwischengelagert. Loses Material wird von ankommenden Lkw in Delitzsch Südwest in der Annahmehalle und in Radefeld in von Betonsegmenten umgebender Freifläche abgelagert. Somit wird das Verwehen der Abfälle durch Wind verringert.
Die Inhalte der im Hintergrund sichtbaren zugeplanten Container werden auf die besagten Deponien zur Beseitigung verbracht. In der Anlage Delitzsch Südwest stehen jeden Abend bis 20:00 Uhr etwa 30 Container mit einem durchschnittlichen Fassungsvermögen von 32 Kubikmeter je Container fertig zugeplant für den morgendlichen Abtransport zu den Deponien bereit. Damit ist der „Materialfluss“ bis etwa 10:00 Uhr des nächstfolgenden Tages gesichert.
Wohlgemerkt: Diese deutschland- und europaweit herangekarrten Abfälle werden hauptsächlich im Außenbereich der Anlagen umgeladen. Die für die Deponien bestimmten Abfälle erreichen keinesfalls die Eingangshalle, den grundsätzlichen Beginn einer jeglichen, den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Herstellung von Ersatzbrennstoffen und der damit möglichen Verwertung.

In der Eingangshalle der Anlage Delitzsch Südwest wird ebenfalls das lose Material, welches nicht auf Freiflächen gelagert werden kann, in die Container umgeladen und für den nachfolgenden Abtransport auf die Deponien zugeplant.

Beispielsweise konnten im Jahre 2002 nach einer Information an das Sächsische Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft nur 14% qualitätsgesicherte Ersatzbrennstoffe produziert und abgegeben werden. Allein aus der Anlage Delitzsch Südwest kommend, mussten also 123.122 Tonnen deponiert werden.

Lt. Aussage des Geschäftsführers der Kreiswerke, Herrn Dr. Buder, im Rahmen einer Informationsveranstaltung mit unserer Bürgerinitiative im August 2003, beträgt der Annahmepreis für Eingangsmaterial der „Verwertungsanlagen“ 34,50 € je Tonne. Mit dieser Verlockung lohnt sich sogar noch der Transport über mehrere Tausend Kilometer hinweg. Der Abfall wird zum Zwecke der höheren Tonnage in Ballen mit einem Gewicht von 200 – 400 Kilogramm gepresst angeliefert.

Mit dem Annahmepreis ist man gegenüber Müllverbrennungsanlagen und möglichen ordnungsgemäß geführten Deponien in der jeweiligen Herkunftsregion des Mülls konkurrenzlos günstig. Fraglich ist, ob mit diesem geringen Umsatzerlös die nötigen Rückstellungen für Deponiefolgekosten gebildet werden können. Zumindest im Jahresabschluss der Kreiswerke sind per 31.12.2003 Rückstellungen für die Deponien Spröda und Lissa in Höhe von 9,272 Mio. € aufgeführt.


30.09.2004 - Radlader lädt Kunststoffabfälle um 26.11.2004 - Bagger greift Kunststoffe vom zwischengelagerten Haufen
Mit Radlader und Bagger werden die zwischengelagerten Abfälle in Container befördert. Anfangs werden die Container mit intakten - kompakten Ballen befüllt. Im oberen Bereich der Container werden die Spanndrähte, welche dem Zusammenhalt der Ballen dienen, durch gekonnte Greiferbewegungen aufgebrochen. Dies soll bei eventueller Inaugenscheinnahme vermutlich den Schein vortäuschen, es handele sich hierbei um Sortierreste. 26.11.2004 - Bagger lädt Kunststoffe in Container

29.04.2003 - Bagger lädt lose Kunststoffabfälle in Container um Bei sehr starker Belieferung der Verwertungsanlage und günstigen Windverhältnissen wird auch loses Material ausnahmsweise im Außenbereich entladen. Unverzüglich erfolgt danach die Umladung mittels Bagger in die bereitgestellten Container, in denen das Material auf die entsprechenden Deponien verbracht wird.

25.11.2004 - Radlader lädt Kunststoffabfälle um 30.09.2004 - Bagger greift Kunststoffe vom zwischengelagerten Haufen
Die mittels Sattelauflieger angelieferten Kunststoffballen sind vom optischen Eindruck her vermutlich dem DSD zuzuordnen. Die Kunststoffballen werden mit Radlader abgeladen (bei Sattelaufliegern mit Beplanung) bzw. bei Sattelaufliegern mit Schiebeboden von diesen direkt heraus gedrückt und danach mit einem Radlader mittels Ballenzange auf dem Hofgelände zwischengelagert.
In Radefeld besteht die Möglichkeit, geringe Mengen ausgewählten Materials als Rohstoff oder Halbfabrikat für die Anlage in Delitzsch Südwest in Ballenform zu pressen. Der auf dem Hofgelände gelagerte Müll wird mit Radlader und Bagger in die kreiswerkeigenen Container geladen. Der Bagger übernimmt das Verdichten von losem Material und das Beladen der Container mittels Ballen.
30.09.2004 - Bagger füllt Kunststoffe in Container

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