05.03.2004
In der VerwaltungsstreitsacheBarbara Mohsen Zaher
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GWMS | Messpunkthöhe | Einhängetiefe der Punpe m u MP/ m HN |
P 1 | 102,90 | 38,00 / 64,90 |
P 2 | 102,82 | 32 / 70,82 |
P 3 | 117,40 | 67,00 / 50,40 |
P 4 | 112,59 | 50,00 / 62,59 |
Die Messungen werden also 50 bis 70 m ü NN, damit in einem tieferen Grundwasserleiter, gezogen. Sie wurden damit in einer Tiefe von 30 bis 50 m unterhalb der Deponiesohle entnommen.
Auch ohne großartige Kenntnisse in Geologie läßt sich erkennen, dass das möglicherweise gefährliche Eluat durch die zuvor durchströmten oberen Grundwasserleiter größtenteils weggeschwemmt bzw. in weiteren Bodenschichten (zwischen 98 und 70 m) gefiltert worden ist und in einer Tiefe von 30 bis 50 m unterhalb der Geländeroberkante keine großartigen Konzentrationen an Schadstoffen mehr auftreten werden.
Maßgeblich und für die Beurteilung der Gefährlichkeit von Deponiesickerwasser gesetzlich vorgeschrieben ist daher alleine eine Messung in Höhe der Basis der Deponie und in Höhe des bereits erreichten bzw. noch zu erwartenden Grundwasserspiegels bzw. leicht darüber, d.h. hier zwischen 96 und 100 m üNN.
Die Stellungnahme des AGeg. wie auch das Schreiben des StUFA an das SMUL vom 16.2.2004 unterschlagen die Existenz von zwei maßgeblichen Anordnungen des RP Leipzig aus dem Jahr 1998 in Bezug auf die Sicherung der Deponie Lissa.
Mit Verfügung vom 02.10.1998 ordnete der AGeg. gegenüber den Kreiswerken Delitzsch die Schliessung der Deponie ab dem 1.1.1999 an. Gleichzeitig wurde die Erstellung einer Gefährdungsabschätzung angeordnet.
Glaubhaftmachung: Verfügung vom 02.10.1998 (Anlage A 16)
Diese Gefährdungsabschätzung nach § 9 BBodenSchG wird angeordnet, wenn auf Grund konkreter Anhaltspunkte der hinreichende Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder einer Altlast besteht. Der Betreiber hat dabei Boden-, Bodenluft- und Sickerwasseruntersuchungen vorzunehmen und auf der Basis der dadurch gewonnenen Erkenntnisse folgende Angaben zu machen
Vgl. § 3 und 4 BBodSchVO.
Eine solche Gefährdungsabschätzung existiert bis heute nicht.
Am 15.12.1998 erließ der AGeg. eine weitere Verfügung, mit der dem LK Delitzsch aufgegeben wurde, u.a. als Inhaber der ihm gehörenden Deponiegrundstücke diese auf seine Kosten zu sichern/sanieren und zu rekultivieren.
Glaubhaftmachung: Verfügung vom 15.12.1998 (Anlage A 17)
Auch diese Verfügung wurde bis heute nicht ansatzweise umgesesetzt.
Der AGeg formuliert in der Stellungnahme vom 17.2.2004 (Anlage A 4):
„Da die Deponie Lissa im Rahmen der Sanierung eine Abdeckung erhält, die den Eintrag von NW ausschließt, ist auch weiterhin kein PCB Eintrag in das Grundwasser möglich.“
Tatsache ist jedoch:
Rein vorsorglich sei ausgeführt:
Dass die Fichtnerstudie aus dem Jahr 1997 nicht die Umsetzung einer Verfügung darstellen kann, die im Oktober 1998 ergeht, bedarf wohl keiner näheren Begründung. Vielmehr waren die in den diversen Gutachten zu den durch die SLF verursachten Schadstoffkonzentrationen erst der Anlaß für die Verfügung.
Das StUFA und der AGeg. müssen sich fragen lassen, weshalb sie die Existenz dieser Verfügungen in ihren Schreiben vom 16./17.02.2004 unerwähnt lassen und damit eine sachgerechte Beurteilung des relevanten Risikos dem Gericht unmöglich machen.
Als Vergleichswerte können die Maßnahme-, Prüf- und Vorsorgewerte des Anhang 2 der Bundesbodenschutzverordnung (BBodSchV) i.V.m. § 9 und § 8 BBodSchV und die Grenzwerte DepV herangezogen werden.
Auf der Deponie Lissa wurden bei der Probeentnahme insgesamt 48 Gruben mit einer Tiefe von durchschnittlich 4 m und 6 Schürfe mit einer Tiefe von durchschnittlich 1m angelegt. Somit wurden insgesamt 64 Profilgruben ausgehoben, wobei 15 dieser Profilgruben durch Probeentnahme von Sachverständigen ausgewählt wurden. Die Durchführung der Geländearbeiten erfolgte am 07.08. und 11.09.1995.
Besonders hohe Werte gab es für die Parameter GKW mit 12.180 mg/kg, Glühverlust 31,53 Gew%, extrahierbare lipophile Stoffe mit 2,57 Gew%. Dabei handelt es sich um analysierte Proben aus Schichten und Verfüllungen der Deponie, die von dem Sachverständigen eindeutig als Shredderrückstände identifiziert werden konnten.
Für den Parameter PCB wurde ein Durchschnittswert von 221,60 mg/kg LAGA gerechnet, die 15 Einzelwerte lagen zwischen 16 und 920 mg/kg LAGA.
Glaubhaftmachung: Auszug aus dem Ermittlungsbericht (EB) der Kriminaldirektion Nürnberg, S. 76 (in Auszügen Anlage A 18)
Der zulässige Grenzwert für PCB liegt bei 2 mg/kg. Der Grenzwert von 10 mg/kg, den sich die KWD selbst auferlegt haben, wurde teilweise um das 90-fache überschritten.
Der Sachverständige Dr. Lippert der Fa. L & S GmbH wertete die Untersuchungsergebnisse wie folgt:
„Die teilweise extrem erhöhten Schadstoffgehalte im Gegensatz zu den anderen, zulässigen Abfallarten (Hausmüll, Sperrmüll, Erdaushub etc.) und der relativ hohe Anteil an Gesamtmüllvolumen bedingen eine verstärke Kontamination des Deponiesickerwassers und damit eine Schädigung der Deponie.“ (EB, S. 77)
Der Gutachter kommt ferner zu dem Ergebnis, dass sich die Deponie Lissa aufgrund ihrer ungünstigen hydrologischen und hydrogeologischen Eigenschaften nicht für die Ablagerung derartiger Materialien eignet und eine Gefährdung auch für die Trinkwassergewinnung zu besorgen ist:
„Aufgrund der ungünstigen hydrogeologischen Verhältnisse und fehlenden Basisabdichtung ist auch eine Kontamination von tieferen Grundwasserstockwerken, die zur Trinkwassergewinnung genutzt werden, zu besorgen.“...Es ist daher dringend notwendig eine wirksame Oberflächenabdichtung anzubringen, um eine weitere Migration von Schadstoffen in das Grundwasser zu verhindern.“ (EB S 78).
Der AGeg. behauptet , dass das Gutachten des Labors L und S, das von der Nürnberger Kriminalpolizei in Auftag gegeben worden ist, wegen einer angeblich subjektiv beeinflussten Materialentnahme und nicht fachgerecht entnommenen Probenahme „für die weitere Vollzugsarbeit nicht verwertbar “ sei (Stellungnahme Ref. 63 vom 17.2., S . 2.). Größeres Vertrauen wird den von den KWD in Auftrag gegebenen Gutachten entgegengebracht. Vor allem den Ergebnissen der abschließenden Fichtnerstudie wird besondere Objektivität beigemessen.
All diese Einschätzungen müssen – vorsichtig ausgedrückt – verwundern:
Der AGeg. bestätigt in seiner Stellungnahme vom 17.02.2004, dass das StUFA selbst kein einziges Gutachten zur Beprobung und zur Analyse der Schadstoffmenge auf der Deponie Lissa in Auftrag gegeben hat.
Der Mitunterzeichner der Stellungnahme, Dr. Tauchnitz, hat gegenüber der Kriminalpolizei Nürnberg während seiner Vernehmung in dem erwähnten Strafverfahren u.a. zugestehen müssen, dass dem StUFA ein schwerer Bewertungsfehler unterlaufen war, weil es bei dem Vergleich der Gutachten die Werte nach LAGA und DIN verglichen hatte. In diese Vernehmung wurde Herrn Dr. Tauchnitz auch mitgeteilt, dass die auf der Deponie abgelagerte Menge an SLF aufgrund von Beweisermittlungen (Zeugenaussagen der Fahrer und Wiegescheine) mindestens 18.000 m³ betragen müsse, der Geschäftsführer der KWD jedoch immer noch von lediglich 6000 t. sprechen würden.
Die Stellungnahme des StUFA vom 16.11.1996 ist offensichtlich mit erheblichen Fehlern behaftet gewesen. So wurden u.a. bei der Berechnung der Schadstoffhöchstwerte die durch das Labor Betz sowie Jungbauer und Partner erhobenen Höchstwerte für den PCB-Gehalt in der Originalsubstanz nicht berücksichtigt (EB S. 81)
Der Ermittlungsbericht der KD Nürnberg hat auf weitere Mängel in der Stellungnahme der StUFA hingewiesen, vgl. EB S 79 ff.
Insgesamt kommt er zu dem Ergebnis:
„Es entstand unter Berücksichtigung dieser Ausführung für die KD Nürnberg der Eindruck, dass die Feststellungen des polizeilichen Gutachters negativ bewertet und die durch die Ablagerung der Shredderabfälle auf Lissa beurteilte Gefährdungssituation herunter gespielt wurde (EB S. 83 u.)“
Nach den Ermittlungen der AG Shredder kam
„unter kollusivem Zusammenwirken der Beschuldigten J und K sowie der Verantwortlichen der KWD bis hin zu deren Bestechung “ die Entsorgung der Shredderabfälle zustande (EB S. 110).
Auch Mitarbeiter des RP Leipzig wurden offenbar vor ihrer polizeilichen Vernehmung durch die Mitarbeiter der KWD und des LRA Delitzsch auf ihre polizeiliche Vernehmung eingestimmt (EB S. 84).
Der Geschäftsführer der KWD, Dr. B., machte damals während des Verfahrens keine Angaben.
Ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen die Verantwortlichen der KWD wurde nicht eingeleitet.
Personelle Konsequenzen für diejenigen, die die illegalen Ablagerungen verursacht hatten, sind nicht erfolgt.
Diejenigen verantwortlichen Behördenmitarbeiter, die Aussagen gegenüber der Kriminalpolizei Nürnberg und dem LKA Stuttgart Aussagen gemacht und dabei die Tatsache sowohl der Illegalität der Ablagerung als auch der Gefährdung für das Grundwasser und die Trinkwassergewinnung bestätigt haben, hatten im Nachhinein erhebliche dienstliche Nachteile zu erfahren:
So wurde der damalige Umweltdezernent des LK Delitzsch, Herr V., zum Abteilungsleiter „befördert“. Der damals zuständige Referatsleiter für Abfall im RP Leipzig, Dr. T., wurde vom Referatsleiter zum Referenten „befördert“.
Das beigelegte Sachverständigengutachten Mansel bestätigt, dass in dem Gebiet südlich der Eisenbahnlinie Eilenburg–Halle im Falle eines Endpegels bei 92 m gegenüber der geplanten Endhöhe von 98 m eine Absenkung des GW-Pegels um 1m zu erwarten ist (S. 4 unten). Denn der Ort Zschepen und damit das Grundstück der ASt liegen in diesem Bereich.
Die ASt kann sich auch im Rahmen des § 80 SächsWG auf einen Anspruch auf Abwehr von Gefahren von Ihrem Grundstück durch Grundwasseranstieg berufen. Gefahren bestehen nicht nur für Gebäudesubstanz, sondern auch für die Gesundheit durch kontaminiertes Grundwasser.
Die Flutung kann ohne finanziellen Aufwand gestoppt werden. Es muss lediglich die aktive Überleitung von Fremdwasser gestoppt werden. Hierzu bedarf es lediglich der Betätigung der entsprechenden Absperrvorrichtungen an dem Überleitungsrohr.
Dem Beigeladenen und dem AGeg. ist eine Einstellung der Flutung auch deswegen zuzumuten, weil aufgrund eines Staatsvertrages zwischen der BRD und den vier neuen Bundesländern, in denen Braunkohletagebaureviere liegen, eine Verpflichtung zur Sanierung der Altlasten besteht und hierfür auch ausreichende Geldmittel zur Verfügung gestellt worden sind. In dem 2. Ergänzenden Verwaltungsabkommen über die Regelung der Finanzierung der ökologischen Altlasten für den Zeitraum 2003 bis 2007 (VA III Braunkohlesanierung) vom 26.06.2002 heißt es in § 3 Abs. 1:
„Bund und Länder stellen unter Zurückstellung unterschiedlicher Rechtsstandpunkte und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht für weitere Maßnahmen zur Abwehr von Gefährdungen im Zusammenhang mit dem Wiederanstieg des Grundwassers einen Betrag von 200 Mio. EUR, davon der Bund 100 Mio. EUR und die Länder 100 Mio. EUR, bereit.“
Dieses Geld steht also tatsächlich zur Verfügung. Für das Bundesland Sachsen steht etwa ein Betrag von 50 Mio. EUR zur Verfügung. Das Geld ist nach Kenntnis des Unterzeichners noch nicht abgerufen bzw. verbraucht, so dass es u.a. vorliegend für die Kosten für einen vorläufigen Stopp der Flutung sowie die Erkundung der wichtigsten Altlastenverdachtsflächen eingesetzt werden kann.
Die Maßnahme ist auch noch angemessen und erforderlich.
Zum Einen wird die maximale Grundwasserhöhe infolge der geplanten Flutung erst im Jahr 2010 erreicht, sie liegt also derzeit noch weit darunter (vgl. PFV Ordner 7-2, Anlage 4-5).
Durch ein Stoppen der Flutung zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann also ein weiterer Grundwasseranstieg nach den vorliegenden Unterlagen erreicht und damit die Gefahr von Schadstoffeintragungen aus Altlasten im Bereich des Grundwassersenkungstrichters unterbunden werden. In der Regel wird davon auszugehen sein, dass an den verschiedenen Altlastenstandorten die Kontamination bis einige Meter weit in das Erdreich reicht.
Die Maßnahme ist auch geeignet, Schaden von dem Wohnhaus der Klägerin abzuwenden bzw. das Risiko des Eintritts eines Schadens zu vermindern.
Das Bergamt Borna hat in seiner Verfügung vom 07.11.2002 ausgeführt, dass bei allen Altlastenstandorten mit einer Erhöhung des Gefährdungspotenzials nach dem Grundwasseranstieg zu rechnen ist, bei denen die Altlasten entweder vom Grundwasser durchströmt werden, oder aber der Grundwasseranstieg bis 5 m unter die Altlastenbasis oder höher steigen wird. Keine Erhöhung des Gefährdungspotenzials liegt also nur dann vor, wenn der Abstand zwischen Basis der Altlast und der regulären Grundwasserganglinie größer als 5 m ist. Nach dieser Lesart ist nahezu bei allen Altlastenstandorten, die in der Anlage 4-5 (Ganglinien virtueller Pegel an ausgewählten ALVF) aufgeführt werden, mit einer Erhöhung des Gefährdungspotenzials zu rechnen. Der Abstand zwischen Geländeoberkante und dem Grundwasserspiegel liegt manchmal bei weniger als 50 cm, in vielen Fällen bei weniger als 5 m.
Aus all diesen Gründen muss jedenfalls im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens von Folgendem ausgegangen werden:
Es existiert ein nicht abschätzbar hohes Risiko für eine Kontamination des Grundwassers durch Austragungen und Ausschwemmungen aus dem besonders überwachungsbedürftigen Abfall auf der Deponie Lissa sowie weiteren Altlastenverdachtsflächen. Dieses Risiko ist um so höher zu bewerten, als aufgrund der festgestellten und wohl unbestreitbaren hydrogeologischen Verhältnisse ein Austausch der Deponiesickerwässer in tiefere Grundwasserschichten erfolgen kann.
Aufgrund des oben beschriebenen Verhaltens der zuständigen Behörden, der LMBV und der KWD kann nicht darauf geschlossen werden, dass diese mit dem Problem der illegalen Ablagerung in verantwortungsvoller und in rechtlich korrekter Weise umgegangen sind. Es ist durchaus denkbar, dass weitere Abfälle illegal auf die Deponie verbracht wurden. So ist in dem Zeitraum 1996 bis 1998 lediglich eine Hausmüllmenge von 24.724 t auf die Deponie Lissa verbracht worden, insgesamt jedoch eine Menge von 216.222 t Abfall abgelagert worden. Wie sich der Rest in Höhe von 191.498 t zusammensetzt, ist derzeit nicht bekannt.
Die Argumentation der LMBV in ihrer Presseerklärung vom 17.02.2004, wonach die Zusammenstellung der notwendigen Unterlagen für die Durchführung des PVF eben üblicherweise einen Zeitraum von 5 bis 6 Jahren in Anspruch nehme, ist abwegig. Vor allem vermag die LMBV nicht zu erklären, weshalb ein Antrag nach § 9 a WHG auf vorzeitigen Beginn der Maßnahme nicht gestellt wurde. Dass dies möglich und durchaus üblich ist, beweist die Flutung des Störmthaler Sees im Braunkohlerevier Espenhain südlich von Leipzig. Das RP Leipzig hat in seiner Pressemitteilung vom 10.09.2003 nicht ohne Stolz verkündet, dass nunmehr nach ca. „4-monatiger Bearbeitung“ das RP Leipzig die Unbedenklichkeit des Wasseranstiegs bis 17 m unter den Endwasserstand bestätigen konnte und somit eine Genehmigung zum vorzeitigen Beginn nach § 9 a WHG an die LMBV erteilen konnte.
Lothar Hermes
Rechtsanwalt
Anordnung des Flutungsstopps für den Tagebau Delitzsch-Südwest