Justizminister können ihren Staatsanwälten das Leben verdammt schwer machen. Vor allem wenn sie politisch brisante Verfahren bearbeiten, fühlen sich Staatsanwälte häufig regelrecht gegängelt.
Die Neue Richtervereinigung in Sachsen will an diesem Wochenende auf einer Fachtagung in Dresden über die Forderung nach einer unabhängigen Staatsanwaltschaft diskutieren. Eingeladen sind Fachleute aus Italien, Bulgarien und Polen.
Weisungsberechtigt soll nach den Vorstellungen des Verbandes nur noch der Generalstaatsanwalt sein, der wie der Datenschutzbeauftragte vom Landtag gewählt werden könnte. Oberstaatsanwalt Jürgen Schär, einer der Organisatoren, sagte gestern, unter der Einflussnahme litten Staatsanwälte bundesweit, das sei keine Frage des Parteibuches des Ministers.
Allerdings wären die Versuche der Politik, sich einzumischen, dort besonders spürbar, wo eine Partei mit absoluter Mehrheit regiert. Staatsanwalt Christian Avenarius, Leiter der Jugendabteilung der Dresdner Staatsanwaltschaft und Mitglied im Landesvorstand der Neuen Richtervereinigung, sagte, eine Gefahr gehe speziell von Politikern aus, die Druck aus den eigenen Reihen nicht Stand halten können. Ex-Justizminister Manfred Kolbe, laut Avenarius sonst aufgeschlossen für die Belange der Justiz, habe in seiner Amtszeit in brisanten Situationen diesen Druck direkt nach unten weiter gegeben und dabei für „juristische Argumente" kein Ohr mehr gehabt.
Die Staatsanwälte der Richtervereinigung würden sich zudem lieber auf Straftaten konzentrieren, von denen "Gefahren für das Gemeinwesen" ausgehen. Für Wirtschaftskriminalität beispielsweise fehle es in Dresden an genügend Kapazitäten, kritisierte Avenarius. Stattdessen werde die Arbeitskraft der Juristen durch Massendelikte verschlissen, mit denen sich hohe Erledigungsquoten erzielen ließen. Das verkaufe die Politik als erfolgreiche Verbrechensbekämpfung.
Sächsische Zeitung (Politik/Recht), 19.09.2003