Delitzsch. In einer Sondersitzung hat das Delitzscher Stadtparlament am Donnerstagnachmittag einmütig einen Veränderungsstopp für das Gelände der ehemaligen Zuckerfabrik beschlossen. Dieser Standort gilt bisher als unbeplanter Innenbereich.
Mit der Ansiedlung der BKD Biokraftwerk Delitzsch GmbH, die dort auch mit Zustimmung der Stadt Delitzsch unbelastete Althölzer verstromt und nach eigenen Angaben diese Woche den Probebetrieb aufgenommen hat, beschloss das Parlament den Standort in die städtebauliche Leitplanung einzubeziehen.
Mit diesen Planungen (Bebauungsplan) legt die Stadt fest, welchen Charakter das Gebiet künftig haben soll, ob Wohn,- Misch-, Gewerbe- oder Industriegebiet. Daraus resultiert, welche Anlagen dort betrieben werden können. Durch die Stadtlage mit angrenzender Wohnbebauung bewertet die Stadt das ehemalige Zuckerfabrikgelände anders als das Gewerbe- und Industriegebiet Delitzsch Südwest. "Wir müssen in unserer Leitplanung möglichst versuchen. Nutzungskonflikte zwischen Gewerbe und Wohnbebauung auszuschließen oder zu minimieren", so der städtische Bau-planungschef Karl-Heinz Koch im Stadtrat.
Handlungsbedarf für eine Veränderungssperre in der laufenden Planungsphase ergab sich für die Stadt durch die Absicht der BKD, an der Fabrikstraße auch schadstoffbelastetes Holz verbrennen zu wollen (wir berichteten). Weil zurzeit nicht absehbar sei, inwieweit dieses Vorhaben mit den städtischen Planungszielen harmoniert oder ob es kollidiert, wurde dem Stadtrat eine zweijährige Veränderungssperre vorgeschlagen. Diese beeinflusst die bisher genehmigten Investitionen nicht, stoppt aberbis zur Fertigstellung des B-Planes die Erweiterung des Biokraftwerkes.
Briefe der BKD, in denen sie unter Androhung von Schadensersatzklagen die Stadträte versuchten unter Druck zu setzen, sorgten im Parlament für Empörung. Stadtrat Dietmar Schmidt (PDS) beantragte deshalb eine geheime Abstimmung. Diesen Antrag trug das Parlament ebenso einstimmig mit wie den Beschluss zur Veränderungssperre. Die beiden BKD-Geschäftsführer Gerhard van Meegen und Dirk Umbach, die an der Ratssitzung teilnahmen, lehnten anschließend gegenüber der Kreiszeitung eine Stellungsnahme ab.
LVZ-Kreiszeitung Delitzsch-Eilenburg vom 23./24.08.2003
Wolf-Dietrich Koch (Freie Wählergemeinschaft): "Wir haben uns im Rahmen der Gesetzlichkeit zu bewegen. Das Bundesbaugesetz lässt eine solche Änderungssperre zu, solange noch kein B-Plan existiert. Somit ist die Entscheidung ein legitimes Planungsinstrument. Den Brief von Gerhard van Meegen habe ich als Nötigung und als Drohung betrachtet. Will er uns als frei gewähltes Parlament vorschreiben, wie wir zu entscheiden haben? Deshalb war die geheime Abstimmung richtig, weil ja tatsächlich jeder Stadtrat persönlich betroffen gewesen ist."
Dietmar Schmidt (PDS): "Es ging hier nicht um die persönliche Bedrohung, sondern um eine freie Entscheidung. Sie ist mit dem Brief, in dem schon vor der Abstimmung mit Schadenersatz gedroht wird, beeinträchtigt. So etwas sollte in einer Demokratie nicht üblich sein. Das Ergebnis der Abstimmung hat gezeigt, dass im Stadtrat eine einheitliche Meinung existiert. Für das ursprünglich beantragte und genehmigte Biokraftwerk ergeben sich keinerlei Einschränkungen. Wichtig ist, dass wir keine Konflikte zwischen Wohn- und Gewerbeflächen heraufbeschwören."
LVZ-Kreiszeitung Delitzsch-Eilenburg vom 23./24.08.2003