D e l i t z s c h. Der Zweckverband Industrie- und Gewerbegebiet Delitzsch-Südwest muss erneut über den beabsichtigten Verkauf des Grundstücks zum Bau einer Müllverbrennungsanlage (MVA) abstimmen. Das Landratsamt als zuständige Rechtsaufsichtsbehörde wird den Beschluss vom 17. Dezember 2001, wonach sich die Kreiswerke Delitzsch GmbH eine Kaufoption auf den Grund und Boden neben ihrer Abfallsortieranlage erworben haben, aufgrund von Formfehlern für null und nichtig erklären.
Wie Kommunalamtsleiter Horst Winkler auf der Sondersitzung des Stadtrates am Montagnachmittag erläuterte, wäre nicht der Beschluss an sich problematisch, wohl aber seien im Nachhinein Fehler bei der Einberufung der Versammlung festgestellt worden. "Wir wollen hier ein absolut rechtssicheres Verfahren zugrunde le gen", sagte Winkler und empfahl dem Zweckverband daher, erneut über den Grundstücksverkauf zu beraten.
Die Versammlung im Dezember soll nicht fristgerecht einberufen worden sein. Nach einer Überprüfung habe das Leipziger Regierungspräsidium schließlich am Montagvormittag "die Ladungsfristen und die öffentliche Be kanntmachung" zu Bedenken gegeben, sagte Delitzschs Oberbürgermeister Heinz Bieniek (CDU). Sollte es zu einem juristischen Streit kommen, stehe zu befürchten, dass der Beschluss über die Verkaufsoption "vor Gericht keinen Bestand haben wird".
"Wir haben einen Punktsieg errungen", triumphierte Wolf-Dietrich Koch (Freie Wählergemeinschaft). Seine Fraktion hatte zusammen mit der SPD und der PDS die Überprüfung des strittigen Beschlusses verlangt. Durch die jetzige Rechtslage werde nach Wolfs Auffassung auch der Notarvertrag über die Grundstücksoptionierung, den der Zweckverband und die Kreiswerke bereits am 14. Februar geschlossen haben, hinfällig. "Da der Beschluss nie genehmigt wurde, können die Kreiswerke auch keine Schadensersatzforderungen an den Zweckverband stellen", meinte Koch.
Antworten auf die wichtigsten Fra gen, die die jüngste Entscheidung auf- wirft, hat LVZ zusammengestellt.
Die Vorsitzende des Zweckverbandes Industrie- und Gewerbegebiet Delitzsch-Südwest, Neukyhnas Bürgemeisterin Christine Lösch, wird vermutlich schon in Kürze eine Verbandsversammlung einberufen, da die Kreiswerke für die MVA-Planung ein sicheres Grundstück brauchen.
Nein, die Abstimmung im Zweckverband war allein mit den Stimmen der vier Vertreter der Gemeinde Neukyhna zugunsten der MVA ausgegangen. Von den sechs Vertretern aus Delitzsch waren am 17. Dezember 2001 nur zwei anwesend. Da sie sich auf keine einheitliche Meinung einigen konnten, wurden beide Delitzscher Stimmen automatisch ungültig. (Kurz danach verlief im Bundesrat die Abstimmung zum Einwanderungsgesetz übrigens aufgrund der unterschiedlichen Haltung der beiden Vertreter Brandenburgs genauso. Die beiden Stimmen wurden ungültig, das Gesetz durch Bundesratsmehrheit damit an genommen. Eine höchstrichterliche Wertung der Rechtsfolgen durchs Bundesverfassungsgericht steht noch aus.) Man darf davon ausgehen, dass der Delitzscher Stadtrat diesmal seinen Vertretern eine so genannte Weisung erteilen wird, wie sie sich bei der neuen Abstimmung im Zweckverband zu verhalten haben. Das soll bereits auf der nächsten Sitzung des Stadtrates am 27. Juni passieren. Die Vertreter sind dann an diese Abstimmungsvorgabe gebunden, da sie im Zweckverband nicht ihrem persönlichen Gewissen verpflichtet sind, sondern das Parlament vertreten.
Das ist völlig ungewiss. Der Versuch, während einer nicht öffentlichen Stadtratssitzung im Januar die Verbandsräte aus Delitzsch schon einmal zu verpflichten, für den Grundstücksverkauf zum Bau der MVA zu stimmen, scheiterte an einer Mehrheit aus SPD, FWG und PDS.
Wenn die Kräfteverhältnisse im Stadtrat bei der Abstimmung über einen Weisungsbeschluss es zulassen, ist dies theoretisch durchaus denkbar. Sollte sich dann in der Verbandsversammlung dennoch schon ein einziger Delitzscher Vertreter nicht an den Weisungsbeschluss halten, werden vermutlich — wie schon im Dezember — wieder alle Stimmen im Delitzscher Abstimmungsblock für ungültig erklärt. Dann käme es erneut auf die Stimmen der Gemeinde Neukyhna an.
Klaus Staeubert
LVZ vom 17.05.2002