"Wir wollen hier kulturvoll leben"
BUND gründet Regionalgruppe in Delitzsch / Verhinderung der Müllverbrennungsanlage wichtigstes Ziel
Delitzsch.
20 umweltinteressierte Männer und Frauen trafen sich am Freitagabend in Spröda zur Gründung der Regionalgruppe Delitzsch des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND). Der Zusammenschluss fungiert unter dem Dach der BUND-Kreisgruppe und will sich im Raum Delitzsch/Schkeuditz im Sinne des Umweltschutzes engagieren. Hauptthema der ersten Zusammenkunft war die für Delitzsch geplante Müllverbrennungsanlage (MVA), die von den Umweltschützern klar abgelehnt wird.
"Man kann ja nicht immer nur gegen etwas sein - ob Verbrennungsanlagen, Motodrom oder Schweinemastanlage. Man muss auch mal für etwas sein. Und ich möchte für Erhalt und Pflege unserer Umwelt eintreten", begründete Thomas Barth sein Engagement im BUND. Der Delitzscher wurde gemeinsam mit Jürgen M. Pietsch aus Spröda, Dietmar Mieth aus Zschepen und dem Brodauer Georg Bosold in den Vorstand der neuen BUND-Regionalgruppe Delitzsch gewählt. Die Männer kennen sich bereits aus der Bürgerinitiative "Müllverbrennung Delitzsch? Nein!" und so war es wenig verwunderlich, dass die im Gewerbegebiet Delitzsch Südwest geplante MVA den wichtigsten Tagesordnungspunkt des Meetings ausmachte. Während der fast dreistündigen Diskussion wurde das bisherige Prozedere zur Prüfung des Anlagenbaus heftig kritisiert. Georg Bosold zitierte dazu zwei Studien, die unter anderem von der weltweit operierenden Organisation Greenpeace erstellt worden sind und Umweltbelastungen durch MVA betrachtet. "Greenpeace geht hier vom tatsächlichen Leben rund um seit Jahren arbeitende Müllverbrennungsanlagen aus und stellt dies den theoretischen Berechnungen der Industrie gegenüber", erklärte Bosold, der in den Studien unter anderem von erhöhtem Krebsrisiko und Atemwegserkrankungen als Gefahren für in MVA-Nähe wohnende Menschen gelesen hat. Die Umweltschützer um Bosold lehnen die thermische Abfallbehandlung ab, stehen aber auch einer mechanisch-biologischen Müllbehandlung skeptisch gegenüber: "Verrottung ist wenig kontrollierbar und beim mechanischen Vorbehandlungsverfahren bleibt ein Rest, der wiederum verbrannt werden muss", fasste Bosold zusammen. Als gangbare Alternative sehen die MVA-Gegner neben Müllvermeidung, den Hausmüll vorzusortieren und dann den nicht weiter verwertbarer Rest nach "Schwarze Pumpe" zur Methanolherstellung zu bringen. "Es ist doch besser, wenig Müll woanders hin zu fahren, als viel Müll zu uns zu bringen", fasste Jürgen M. Pietsch zusammen.
Hart ging die BUND-Regionalgruppe mit dem Landratsamt - und dort namentlich mit Dezernent Ulrich Fiedler - ins Gericht. Die Kreisverwaltung hatte der LVZ Mitte März zwölf Fragen zur Müllverbrennung beantwortet. "Hier sind Lügen verbreitet worden", wetterte Hans-Udo Weiland vom BUND und bezog sich vor allem auf die Aussagen zur Gebührenentwicklung, "bei der die Bürger angeblich nicht belastet werden", sowie auf die "nicht vorhandenen Arbeitsplatzgefahren für die Kreiswerke." Kritik erntete auch der Delitzscher Stadtrat mit "seinem Kaspertheater" rund um den Grundstücksverkauf für die MVA. Nachdem Sachsens Umweltminister Steffen Flath (CDU) letzte Woche in einem LVZ-Bericht appellierte, weniger MVA zu bauen, vor einer Gebührenexplosion warnte und gerade die Delitzscher Situation als problematisch einstufte, sehen sich die MVA-Gegner gestärkt: "Wir wollen nun erneut auf die Stadt- und Kreisräte zugehen, um mit ihnen über die Müllbehandlung ab 2005 zu reden", so die BUND-Gruppe. "Außerdem sollte die Arbeitsgruppe Abfall ihre Arbeit wieder aufnehmen", wurde angeregt. "Die MVA ist auch ein ökonomischer Flop und würde unserer Region einen großen Imageschaden zufügen. Wir aber wollen hier kulturvoll leben", sagte Jürgen M. Pietsch.
Umweltinteressierte Mitstreiter sind eingeladen, bei der Delitzscher BUND-Regionalgruppe mitzumachen. "Dazu muss man nicht Mitglied werden", warb Georg Bosold. Infos unter Tel. (034202) 95 000.
efa
LVZ-Online, 09.04.2002