Minister warnt: Bürger zahlt Müllzeche
Flath appelliert an Kommunen: Verbrennungsanlagen nicht zu groß bauen / überhöhte Gebühren drohen
Dresden.
Gifte, Gestank, graue Wolken: Wer an Müllverbrennungsanlagen denkt, geht auf Abwehr. Selbst wenn die ängste unbegründet sind, will vor seiner Haustür niemand einen Müllofen haben. In Sachsen ist das nicht anders. Doch es hilft nichts: In elf Regionen planen Zweckverbände derzeit die Errichtung von MVAs oder mechanisch-biologischen Anlagen. Doch die Verantwortlichen in den Rathäusern und Landratsämtern drohen übers gut gemeinte Ziel hinaus zu schießen und planen zumeist überdimensioniert. Am Ende könnten nach Berechnungen des Umweltministeriums doppelt so viel Kapazitäten entstehen wie tatsächlich benötigt werden.
Umweltminister Steffen Flath (CDU) warnt jetzt vor einem Anlagen-überfluss, der am Ende vor allem einen trifft: Den Gebührenzahler. "Alles was schief geht, zahlt der Bürger", warnt Flath im Gespräch mit unserer Zeitung. Die Kommunen sollten daher kein zu hohes Risiko eingehen. Der Elan der Müllofenplaner ist allerdings nicht ganz unbegründet. Ab 2005 dürfen alle Abfälle aus Haushalten und Gewerbe nicht mehr einfach auf die nächste Deponie gekippt werden. Sie müssen zuvor behandelt, zumeist also verbrannt, werden.
Mittlerweile sind die einst verpönten Schlote soweit ausgerüstet, dass dieses Verfahren ökologisch befürwortet wird. Das Ministerium prognostiziert für 2005 ein Müllaufkommen von rund 630.000 Tonnen aus privaten Haushalten, Tendenz weiter sinkend. Hinzu kommen könnten 380.000 Tonnen vom Gewerbe. Diese Abfälle gelten jedoch als sehr unsicher, weil die Betriebe nicht verpflichtet sind, die verwertbaren Anteile an die kommunalen Anlagen zu liefern, so Flath. Die Firmen können den billigsten Anbieter wählen oder die Entsorgung selbst organisieren. "Die Prognosen lassen einen harten Wettbewerb um Abfälle erwarten", sagt Flath. Geplant sind bisher Kapazitäten mit fast 1,4 Millionen Tonnen jährlich. Sechs der elf Zweckverbände wollen die Dienstleistung von privaten Firmen erledigen lassen, fünf haben ihre Partner schon gewählt, heißt es im Ministerium. Bestehende MVAs gibt es im Freistaat noch keine. Nur im ostsächsischen Lauta hat der Zweckverband Ravon zusammen mit dem Unternehmen STEAG/VEAG Anfang März den Grundstein für eine Anlage gelegt. Doch auch hier könnten größere überkapazitäten ungenutzt bleiben.
Besonders drastisch ist die Lage im Raum Delitzsch. Hier werden lediglich 15.000 Tonnen Haushaltsabfälle pro Jahr erwartet, die Kreiswerke wollen aber einen Ofen für bis zu 80.000 Tonnen bauen. Kreiswerke-Chef Manfred Buder fürchtet indes, die Anlage könnte noch zu klein geraten, da 2001 auf der nahen Deponie Spröda 150.000 Tonnen eingelagert wurden. In der Nachbarschaft ist die Lage kaum anders. Der westsächsische Zweckverband ZAW, der schon die unausgelastete Deponie Cröbern betreibt, will eine mechanisch-biologische Anlage für 300.000 Tonnen bauen, am Kraftwerk Lippendorf ist aber zudem eine MVA für 330.000 Tonnen geplant. Tatsächliches Aufkommen der Haushaltsabfälle in der Region: 150.000 Tonnen.
Flath weist Forderungen der Opposition nach staatlicher Einmischung zurück. Die Staatsregierung fördere den Bau solcher Anlagen nicht und könne sich auch rechtlich nicht in die kommunale Pflichtaufgabe einmischen. Flath mahnt zur Zurückhaltung und appelliert ans Innenministerium, mit den Mitteln der Rechtsaufsicht gegen drohenden Wildwuchs restriktiv vorzugehen. Eines stellt Flath in Erinnerung ans Dilemma beim Abwasser klar: "Ein Programm für Not leidende Abfallzweckverbände wird es nicht geben."
Sven Heitkamp
LVZ-Online, 04.04.2002