An geplanten Müllverbrennungsanlage im Delitzscher Südwesten scheiden sich die Geister-LVZ-Leser diskutieren Für und Wider


Auf eine Million Euro verzichten?

Wieso ist es eigentlich ein Eklat, wenn eine nicht öffentliche Sitzung nicht einfach in eine öffentliche umgewandelt wird? Das Gegenteil ist doch richtig! Schließlich kann ich als Bürger an Sitzungen des Stadtrates nur dann als Zuschauer teilnehmen, wenn ich über den Termin rechtzeitig vorher informiert worden bin. Im konkreten Fall hätten nur die Bürger teilnehmen können, die sich mehr oder weniger zufällig vor dem Rathaus aufgehalten haben. Alle anderen aber nicht. Viele Bürger müssen nämlich ihre Termine planen und können nicht einfach auf Verdacht vor dem Rathaus warten. Es war in der LVZ schließlich eine nicht öffentliche Sitzung angekündigt worden.
Das Thema interessiert mich übrigens sehr, ich hätte schon gern gewusst, welche Stadträte zu Lasten der Bürger auf mehr als eine Million Euro verzichten wollen. Ich wette, es sind die selben Stadträte, die sich dann, wenn dieses Geld fehlt, lauthals in der Öffentlichkeit darüber beklagen werden, wenn deswegen Gebühren erhöht werden müssen oder bestimmte Maßnahmen nicht durch geführt werden können. Denn das ist doch klar: Wenn das Grundstück nicht verkauft wird, zahlen wir Bürger diese mehr als eine Million Euro in Form von Steuern und Gebühren oder wir erhalten von der Stadt weniger Leistungen. Ein anderer Käufer ist nämlich nicht in Sicht!


Horst Band, Delitzsch

LVZ, 21.12.2001


Kommentar:
Es gibt also tatsächlich Bürger, die sich für das Thema Müllverbrennung interesieren und dabei die Entscheidungen der Stadt hinter verschlossenen Türen befürworten. Das passt ja wirklich nicht zusammen. Da sollten dann doch manche Bürger erst ein mal Nachhilfeunterricht in Sachen Demokratie nehmen, bevor sie sich in der Zeitung anbieterisch äußern.
Übrigens wird die Last für die Bürger erst recht mit der MVA kommen. So eine Anlage ist eben teuer.

B.


Mini-Anlage, hohe Abfallgebühren

Der günstigste Preis je Tonne Abfall wird in Müllverbrennungsanlagen ab 200.000 Tonnen pro Jahr und größer erreicht. Bei einer Mini-Anlage von 80.000 Tonnen pro Jahr, wie in Delitzsch geplant, liegen die Kosten erheblich höher. Während für die 150.000 Tonnen pro Jahr mit Torgau etwa 180 Mark/Tonne Kosten ermittelt wurden, werden die 80.000 Tonnen pro Jahr auf etwa 205 Mark pro Tonne steigen. Wenn sich die Preise je Müllbehälter ab 2006 verdoppelt bis verdreifacht haben gegenüber dem heutigen Preis, werden sich die Hausmüllmengen von derzeit 28.000 t/a drastisch verringern (Aussortierung DSD). Auch wird sich der Preis bei Gewerbeabfall gegenüber der jetzigen Deponie Spröda erheblich erhöhen. Im Vergleich mit großen preiswerten Anlagen hat Delitzsch dann Wettbewerbsnachteile. Zwangsläufig werden sich auch die gewerblichen Abfallmengen für Delitzsch verringern.
Die Folgen der Auslastungsschwierigkeiten werden die Abfallgebühren zusätzlich steigen lassen.
1998 kostete der 120 Liter-Behälter noch 5,90 Mark. Im Jahr 2002 kostete er 9,75 Mark (4,99 Euro). Ab 2006 werden wir sicher 20 Mark und höher erreichen.
Eine fachlich fundamentierte bessere Lösung für unseren Kreis mit seinen tatsächlichen eigenen Abfallmengen ist die Kooperation mit anderen Partnern. Auch die Verbringung vertraglich abgesichert, ist vorteilhaft. Nur so lassen sich für den Bürger und das örtliche Gewerke niedrigste Abfallpreise erzielen.

Jörg Bornack, SPD-Kreis-/Stadtrat



Arbeitsplätze müssen hier bleiben

Wer jetzt nicht erkennt, dass wir heute die Weichen für eine effektive Entsorgung in unserem Landkreis stellen müssen, den wird das Leben spätestens im Jahr 2005 bestrafen. Und wir werden bestraft, wenn es uns und den Kommunalpolitikern nicht gelingt, an einem Strang zu ziehen.
Zwölf Jahre ist es uns gelungen - durch Initiative der Landkreisverwaltung - die Abfallentsorgung in unserer Hand zu halten und nun sollen wir diese, wenn es nach den Stadträten geht, anderen übergeben. Und die in diesem Sektor geschaffenen Arbeitsplätze anderen überlassen? Wenn heute die mit Kreistagsbeschluss vorgesehene thermische Behandlungsanlage nicht in Delitzsch-Südwest, sondern außerhalb des Landkreises gebaut wird, fallen nicht nur Arbeitsplätze im Deponiebetrieb, sondern auch Arbeitsplätze auf nachgeschalteten Verwertungsanlagen der Kreiswerke Delitzsch GmbH weg. Das trifft auch im Ergebnis Unternehmen, welche in nicht geringem Umfang Kooperationsleistungen erbracht haben.
Wollen wir also zuschauen, wie in unserer gebeutelten Region wiederum 150 bis 200 Arbeitsplätze abgebaut werden?


H.-J. Winkler, Delitzsch

LVZ, 21.12.2001


Kommentar:
Es ist traurig, daß man einen Müllofen zur Argumentation von Arbeitsplätzen verwendet. Arbeitsplätze bei den Kreiswerken Delitzsch braucht man auch ohne MVA. Denn weiterhin muß unser Müll entsorgt werden (aber eben nur unseren Müll). Mit MVA braucht man dann vielleicht 20 Leute mehr. Das wären bei einer Investitionssumme von 100 Millionen DM, 5 Millionen DM pro Arbeitsplatz. Die müssen erst einmal aufgebracht werden.
Außerdem werden weitere Investoren sich eine bessere Lage als Delitzsch suchen.

B.


Raus aus den Hinterzimmern!

Die Tricksereien zur Müllverbrennungsanlage von Landrat und OBM werfen ein bezeichnendes Licht auf deren Demokratieverständnis. Dass der Trend zur Abwanderung aus Delitzsch und der damit verbundene Niedergang von Handel und Gewerbe durch die MVA noch verstärkt wird, ist offensichtlich. Das bestreiten nur noch jene, die in sechs Jahren ihre dicken Pensionen gewiss nicht im Schatten der MVA ausgeben.
Wie ist das also nun mit der bürgerfreundlichen Lösung des Abfallproblems, meine Damen und Herren von der CDU-Stadtratsfraktion? Kommen Sie aus dem Schutz der Hinterzimmer und der nicht öffentlichen Sitzungen heraus und beziehen Sie Stellung! Laden Sie zu einem öffentlichen Forum ein. Begründen Sie dort, was an der MVA-Entscheidung des OBM bürgerfreundlich ist!

Joachim AckermannVorsitzender SPD-OV Delitzsch

LVZ, 21.12.2001



Für Kritik an der MVA ist es jetzt zu spät

Der Kreistag hat den Bau der Müllverbrennungsanlage mehrheitlich beschlossen. An diese demokratische Entscheidung sind alle gebunden, auch wenn sie sie persönlich ablehnen. Insbesondere kann der Stadtrat Delitzsch keinen Beschluss des Kreistages "korrigieren". Genauso wenig übrigens, wie der Stadtrat in Gesetze des Bundes eingreifen kann, etwa in dem er die unsoziale Ökosteuer für Delitzsch abschafft. Wer grundsätzliche Vorbehalte gegen die MVA hat, hätte diese in den Sitzungen des Kreistages geltend machen müssen. Jetzt ist es zu spät.
Anders verhält es sich mit dem Verkauf des Grundstückes. Hier sind die Gemeinden Delitzsch und Neukyhna betroffen, die einzigen Mitglieder des Zweckverbandes Delitzsch-Südwest. In der Verbandsversammlung vom 17. Dezember 2001 wurde mit fünf zu eins Stimmen beschlossen, das Grundstück zu verkaufen. Auf Delitzscher Seite waren die CDU und der Oberbürgermeister übrigens gar nicht an der Abstimmung beteiligt.
Für Delitzsch haben nur Stadtrat Koch (Freie Wähler) und Stadtrat Zänker (SPD) an der Abstimmung teilgenommen. Da diese beiden sich nicht einigen konnten und unterschiedlich abgestimmt haben, sind nach herrschender Rechtsauffassung die Delitzscher Stimmen ungültig. Folglich hat die Verbandsversammlung mit vier zu null gültigen Stimmen den Verkauf beschlossen. Und gegen diese demokratische Entscheidung beginnt jetzt die juristische Trickserei der Gegner der MVA. Wegen einer einzigen Gegenstimme soll die Entscheidung plötzlich ungültig sein. Die Stimmen der Vertreter Neukyhnas sollen nicht zählen, nur weil die Delitzscher sich nicht einigen können? So ein "Demokratieverständnis" ist mir noch nicht untergekommen! Es gehört nun mal zu den demokratischen Gepflogenheiten, demokratisch zustande gekommene Mehrheitsentscheidungen zu akzeptieren, auch wenn man selbst anderer Meinung ist. Aber dies wollen die Gegner der MVA nicht begreifen.


Manfred Böttcher, CDU-Stadtrat

LVZ, 21.12.2001


Kommentar:
Demokratie heißt in Delitzsch, dass man zu erst nicht reversible Voraussetzungen schafft. Danach wird darüber "demokratisch" abgestimmt.
Lesen Sie dazu auch den folgenden Beitrag.

B.


Lebensqualität wird "verzockt"

Es ist an Arroganz und Ignoranz kaum zu übertreffen, wie zurzeit in Delitzsch die Politik der eisernen Hand durchgezogen wird. Da fühlt sich der mündige Bürger in die Zeit vor dem Jahre '89 zurückversetzt. Hatten wir früher als "Demokratie" eine Diktatur des Proletariats, so haben wir heute offensichtlich eine Diktatur des Kapitals. Anders lässt es sich wohl kaum erklären, dass die politisch Verantwortlichen in Delitzsch auf Biegen und Brechen Abfallverbrennungsanlagen für mehrere 100.000 Tonnen Müll im Jahr errichten lassen wollen oder müssen. Da kämpft unsere Stadt seit Jahren um den Titel "Rosenstadt", Verbände und Vereine mühen sich unermüdlich trotz aller Probleme in unserer Region die Stadt und den Landkreis Delitzsch lebenswert zu erhalten. Da stehen an einem Donnerstag um 15.30 Uhr etwa 200 Menschen auf dem Markt, um den absoluten Verbrennungs-Supergau abzuwenden. Und was fällt einigen Volksvertretern dazu ein?
Sie tricksen sich am Bürger vorbei und verzocken deren Gesundheit und Lebensqualität lieber unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Die Abwanderungszahlen überwiegend junger Menschen kratzen die Verantwortlichen scheinbar wenig. Der Steuern und Gebühren zahlende Grundstücks- oder Hausbesitzer muss ja sowieso hier bleiben.

Ralf Dammhahn, Delitzsch

LVZ, 21.12.2001



Wirtschaftlich zweifelhaft

Gegen eine Müllverbrennungsanlage ist aus technischer Sicht nichts einzuwenden, wenn bestimmte Randbedingungen beachtet werden. Das schien hier aber nicht der Fall zu sein, wie zum Beispiel der Standort in Hauptwindrichtung auf die Stadt Delitzsch zeigt.
Aus wirtschaftlicher Sicht scheint mir das Vorhaben jedoch mehr als zweifelhaft. Eine Anlage mit der geplanten Kapazität ist mit den geplanten Großanlagen in keinster Weise konkurrenzfähig. Bestimmte Bauteile müssen bei kleineren Anlagen wie bei größeren gleichermaßen vorhanden sein, so dass die spezifischen Baukosten, bezogen auf die Jahreskapazität, erheblich höher liegen, es sei denn, es werden Abstriche an der Sicherheit gemacht. Mit den höheren Baukosten steigen auch die Entsorgungskosten für den Müll, denn etwa 80 Prozent der Entsorgungskosten haben ihren Ursprung in den Anlagekosten. Bei fehlendem Müll werdenzwangsläufig die Kosten steigen müssen, um die Wirtschaftlichkeit der Anlage zu erhalten.
Die Bürger werden wieder zur Kasse gebeten, wie es zurzeit bereits bei der Wärmeversorgung der Delitzscher Wohngebiete Nord und West bei den Heizkosten der Fall ist. Durch die Unterbelegung in den Wohngebieten wird weniger Wärme abgenommen. Von den TWD (Aufsichtsratsvorsitzender OBM Herr Bieniek) werden jedoch die Anschlusskosten voll weiter berechnet, so dass die Heizkosten für die Bürger entsprechend ansteigen. Gleiches wird später beim Müll geschehen. Die Folge ist weiterer Kaufkraftverlust bei der Bevölkerung mit den bekannten Folgen.

Manfred Stieler, Delitzsch

LVZ, 21.02.2002