Dreier-Allianz will Müllverbrennung stoppen
Doch Jurist hält Beschluss zum Landverkauf für rechtmäßig
Delitzsch.
Egal, wie die Stadtratssitzung morgen ausgeht, das Grundstück für die künftige Müllverbrennungsanlage (MVA) im Industriegebiet Südwest ist der Kreiswerke Delitzsch GmbH offenbar nicht mehr zu nehmen. Einen entsprechenden, unter den Stadträten aber inzwischen heftig umstrittenen Beschluss des Zweckverbandes Delitzsch-Südwest vom 17. Dezember hält ein Leipziger Jurist für "gültig zustande gekommen". Danach hätten die Kreiswerke zunächst bis 31. Dezember 2002 die Möglichkeit, das Grundstück mit einer Größe von rund 30.000 Quadratmetern zum Preis von 31,64 Euro (61,88 Mark) je Quadratmeter zu erwerben. Im Wirtschaftsplan 2002 haben die Kreiswerke für den Kauf bereits eine Million Euro eingestellt (LVZ berichtete). Sollte das Vorhaben öffentlich gefördert werden, würde sich der Kaufpreis auf 17 Euro (33,26 Mark) je Quadratmeter reduzieren.
Ursprünglich sollte die von der Dreier-Allianz gegen die Müllverbrennung - SPD, PDS und Freien Wählern - für
morgen beantragte Sitzung des Stadtrates unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgehalten werden. Aufgrund der Brisanz des Themas, teilte gestern Wolf-Dietrich Koch von der Freien Wählergemeinschaft mit, hätten sich am Montag die Vorsitzenden der drei Fraktionen aber darauf verständigt, zu Beginn der Tagung deren öffentlichen Verlauf zu beantragen. Selbst wenn die CDU dies ablehnen sollte, ist dann nicht mehr mit einer geheimen Parlamentssitzung zu rechnen. "Infolge der Mehrheitsverhältnisse wird dieser Antrag durchkommen", gab sich Koch sicher.
Gegenstand der Sitzung ist die strittige Abstimmung im Zweckverband Südwest zum Verkauf des Grundstückes für die 80.000-Tonnen-Müllverbrennungsanlage an die Kreiswerke. Nach LVZ-Recherchen hatten daran sieben von zehn Verbandsräten teilgenommen, alle vier Vertreter aus Neukyhna waren anwesend sowie drei aus Delitzsch. Verbandsvorsitzende und Neukyhnas Bürgermeisterin Christine Lösch leitete die Sitzung. In einem Telefonat am vorigen Donnerstag dementierte Frau Lösch gegenüber LVZ, dass der Zweckverband dem Verkauf des Grundstückes an die Kreiswerke zugestimmt hätte. Auf den Hinweis, dass am Abend zuvor Landrat Michael Czupalla (CDU) vor Kreisräten die Existenz eines "Vorvertrages" mit den Kreiswerken einräumte, bat sie schließlich den LVZ-Redakteur um ein Treffen. Eigenartigerweise ist Lösch seitdem trotz mehrfacher Nachfragen zu keinem Gespräch mehr bereit.
Allerdings liegt LVZ nun das Protokoll der Sitzung vom 17. Dezember vor. Daraus geht eindeutig hervor, dass die Versammlung einen Beschluss gefasst hatte: "Da es keine weiteren Anfragen zu der Beschlussvorlage gab, wurde die Beschlussvorlage zur Abstimmung gebracht. Die Beschlussvorlage 13/2001 wurde nicht einstimmig beschlossen." Der Delitzscher SPD-Verbandsrat Reinhard Zänker, der schon im Kreistag gegen den Bau einer MVA stimmte, votierte auch hier dagegen. Die Vertreter der Stadt Delitzsch zogen sich daraufhin zu einer Beratung zurück. Doch Zänker änderte seine Haltung nicht, weshalb vorgeschlagen wurde, die Kaufoption zum Thema einer Stadtratssitzung zu machen und darüber in der nächsten Verbandsversammlung erneut abzustimmen.
Wie berichtet, scheiterte jedoch im nichtöffentlichen Teil der Stadtratssitzung am 24. Januar der Versuch der Verwaltung, den Delitzscher Verbandsräten eine Weisung zu erteilen, wonach sie in der nächsten Verbandsversammlung für den Grundstücksverkauf an die Kreiswerke stimmen sollten. Mit ihrer Mehrheit setzten sich SPD, PDS und Freie Wähler gegen den von der CDU unterstützten Weisungsbeschluss durch. Daraufhin wurde die morgige Sondersitzung einberufen. "Wir bestreiten, dass in der Verbandsversammlung ein Beschluss zustande gekommen ist", sagte Koch. Und wenn Oberbürgermeister Heinz Bieniek (CDU), der selbst an der Verbandsversammlung nicht teilgenommen hatte, keinen Rechtsstreit darüber vor dem Verwaltungsgericht riskieren wolle, dann müsse er einer Wiederholung der Abstimmung zum Grundstücksgeschäft im Zweckverband zustimmen. Freilich würde die dann gegen die Müllverbrennung ausgehen.
Vorsorglich hat Bieniek deshalb den Leipziger Rechtsanwalt Dr. Frank Rottmann damit beauftragt, die problematische Abstimmung juristisch zu bewerten. Die Rechtslage, stellt auch Rottmann fest, ist nicht eindeutig. Orientiere man sich allerdings an den Interpretationen verschiedener Juristen und der Praxis im Bundesrat, dann, so der Anwalt in einem Schreiben an den OBM, das LVZ vorliegt, sei "der Be-
schluss über den Grundstücksverkauf gültig zustande gekommen". SPD, PDS und Freie Wähler hätten demnach nur eine Chance: Sie müssten Einspruch gegen den Beschluss einlegen. Doch dies hätte spätestens drei Wochen nach der Verbandsversammlung geschehen müssen.
Klaus Staeubert
Bild fehlt
Von einem Turm im Delitzscher Asphaltmischwerk aus ist das Areal für die geplante 80.000-Tonnen-Müllverbrennungsänlage (MVA) zu sehen. Die Kreiswerke wollen sie genau gegenüber ihrer Sortieranlage errichten.
Foto: Manfred Lüttich
LVZ, 13.02.2002