Landkauf für die Müllverbrennungsanlage ist "notarreif"
Während Landrat vor Kreisräten einen "Vorvertrag" einräumte, scharen Müllverbrennungsgegner neue Anhänger um sich
Delitzsch.
Die Müllverbreniumgsgegner machten sich gerade auf den Weg zur Schenkenberger Pfarrscheune, als Michael Friedrich in der Sitzung des Kreisausschusses am Mittwochabend wie der eine der von seinen politischen Gegnern oft als nervend empfundenen Anfragen an die Verwaltung richtete. Am Rande der Haushaltsdebatte fragte der PDS-Abgeordnete nahezu beiläufig, um welchen Grundstückskauf es sich denn bei der einen Million Euro im Wirtschaftsplan der Kreiswerke Delitzsch GmbH für das Jahr 2002 handele. "Für die Verwertungsanlage", raunte ihm Landrat Michael Czupalla (CDU) zu und meinte damit die 80.000-Tonnen-Müllverbrennungsanlage, gegen die Aktivisten des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) und der Bürgerinitiative (BI) just an diesem Abend in Schenkenberg neue Anhänger zu mobilisieren suchten. Dass die Kreiswerke allerdings, wie Czupalla noch preisgab, für den Landkauf schon einen "Vorvertrag" mit dem Grundstücksanbieter, dem Zweckverband Delitzsch-Südwest, geschlossen hatten, das wusste zu der Zeit niemand in der Pfarrscheune. Und so setzten Hans-Udo Weiland (BUND) und Georg Bosold (Bl) ungeachtet dessen ihre gemeinsame Aufklärungskampagne gegen die Müllverbrennung in Delitzsch fort. Die Gründe dafür sind nach ihrer Ansicht erdrückend. Nach gegenwärtigem Stand seien immerhin drei thermische Betriebe - eine reine Müllverbrennung und zwei Biomassekraftwerke ("Das sind nichts anderes als Müllverbrennungsanlagen") - mit einer Jahreskapazität von 430.000 Tonnen Abfall und Altholz in Delitzsch geplant. 40.000 Lkw-Transporte müssten in die Kreisstadt rollen, um die Verbrennungsöfen zu füllen, und es bestünden enorme Störfallrisiken mit unkalkulierbaren Auswirkungen auf Mensch und Natur.
Wie Peter Kroke meldeten sich viele zu Wort, die die Angst vor den Müllmengen vor ihrer Haustür umtreibt: "Was ist mein Grundstück noch wert, wenn der Schornstein qualmt?" Mancher sprach schon von 50 Prozent Wertverlust. "Muss ich dann auch nur noch die Hälfte der Steuern zahlen?", fragte Kroke. Andere warnten vor einem Imageverlust für die Region, vor einer nachhaltigen Störung der touristischen Entwicklung und dass Lebensmittelfirmen einen Bogen um die wirtschaftlich schwache Stadt machen würden. "Wir sind für den Müll verantwortlich, den wir hier erzeugen",sagte Weiland, "aber auch nur für den!" Das seien 30.000 Tonnen pro Jahr. Für deren Beseitigung eine sozial- und ökologisch vertretbare Lösung zu finden, dazu sei der BUND bereit. Dass aus betriebswirtschaftlichen Gründen jedoch der Bau einer thermischen Anlage für diese geringe Menge Unsinn wäre, das wissen Weiland und Bosold genau. Und wohl deshalb favorisieren sie den Transport zu bestehenden Verbrennungsanlagen, freilich mit mechanisch-biologischer Vorbehandlung des hier anfallenden Abfalls. Das sei zwar kostenintensiv, gestand Weiland, "die Volksgesundheit darf uns aber nicht egal sein."
"Greenpeace hat schon vor 15 Jahren gesagt, dass Müllverbrennung die sauberste Lösung ist", hielt Josef Weber dagegen. Er war an diesem Abend der einzige der knapp 200 Besucher in der Pfarrscheune, der sich als Verbrennungsbefürworter outete. Fragt sich nur, ob dieses Verhältnis ein Spiegelbild des öffentlichen Stimmungsbarometers ist.
Für Kreiswerke-Chef Manfred Buder ist es jedenfalls schon 5 nach 12. Am 31. Mai 2005 soll die Verbrennungsanlage laut Vertrag zwischen Kreis und Regierungspräsidium laufen. "Die Zeitschiene ist schon fast nicht mehr zu halten", sagte er gestern gegenüber LVZ. Zumindest seien aber die Entwürfe für den Grundstückskauf schon mal "notarreif"
K. Staeubert
Bild fehlt
Nahezu 200 Menschen kamen am Mittwochabend auf Einladung von BUND und Bürgerinitiative in die Pfarrscheune nach Schenkenberg. BUND-Kreisvorsitzender Hans-Udo Weiland (links) klärte sie unter anderem über die Risiken von Müllverbrennungsanlagen auf.
Fotos: Manfred Lüttich
LVZ, 08.02.2002