BUND und Bürgerintiative laden ein
"Überregionales Müllzentrum" soll verhindert werden
D e l i t z s c h. Mit Rundschreiben und Flugblättern laden derzeit die Bürgerinitiative "Müllverbrennung Delitzsch? Nein!"
und der Bund für
Umwelt und Naturschutz (BUND) zu einer öffentlichen Informationsveranstaltung am 6. Februar um 19.30 Uhr in die Schenkenberger Pfarrscheune ein, auf der Mitglieder der Bürgerinitiative und Hans-Udo Weiland vom BUND-Landesverband Sachsen erneut zur geplanten Müllverbrennungsanlage im Gewerbegebiet Delitzsch Südwest Stellung beziehen und gleichzeitig über die Problematik Biomassekraftwerke, Biomasse, Altholz usw. informieren wollen.
Neben dem Thema Müllverbrennung haben weitere geplante Biomasse- bzw. Altholzverbrennungsanlagen
in Delitzsch Südwest (100.000 Tonnen/Jahr) und auf dem Gelände der ehemaligen Zuckerfabrik (rund 100.000 Tonnen/Jahr in der ersten Stufe nach Aussagen des Investors) weitere Schärfe in die Diskussion gebracht. "Mit dem Bau der bisher erwogenen drei Verbrennungsanlagen würden mindestens 430.000 Tonnen Abfall jedes Jahr in der Hauptwindrichtung von Delitzsch verbrannt werden", operiert die Bürgerinitiative mit ihr vorliegenden Zahlen. "Wir wollen verhindern, dass unsere Heimatregion zu einem überregionalen Müll- und Abfallbehandlungszentrum verkommt." Wirtschaftliche Vorteile einiger würden "ohne Rücksicht auf die Bevölkerung" durchgesetzt. Man wolle gemeinsam nach Möglichkeiten suchen, um "Vorteile für die einen nicht zum Schaden für die anderen werden zu lassen".
Zwei Jahre waren Vertreter des BUND und Mitglieder der Bürgerinitiative in einer überparlamentarischen Arbeitsgruppe integriert, die im Vorfeld eines Kreistagsbeschlusses das Für und Wider einer Müllverbrennungsinvestition im Kreis Delitzsch debattierte und Kompromisse suchte (wir berichteten). Mit deutlicher Mehrheit beschloss der Kreistag Ende November den Auftrag an den örtlichen Müllentsorger Kreiswerke, den Bau einer Müllverbrennungsanlage mit 70.000 bis 80.000 Tonnen Jahreskapazität in Delitzsch-Südwest vorzubereiten. Mit dem vorangegangenen Ergebnis einer Umweltverträglichkeitsstudie des übrigens vom BUND selbst vorgeschlagenen Ökoinstitutes Darmstadt können die Müllverbrennungsgegner offenbar leben.
Sie favorisieren jedoch unter den geprüften (fast gleichwertigen) Varianten den Transport der im Kreis anfallenden rund 30.000 t Hausmüll/Jahr in vorhandene bzw. geplante Entsogungseinrichtungen bzw. die Behandlung des Abfalls mechanisch-biologisch mit einer Nachbehandlung im Werk "Schwarze Pumpe".
Die Befürworter kreiseigener Müllverbrennungskapazitäten verweisen auf ihren Entsorgungsauftrag und bauen auf vorhandene wirtschaftliche Strukturen, die sich im Wettbewerb mit anderen Anbietern auch bezüglich der Müllgebührengestaltung bisher bewährt hätten. "Wir sind zu fairen Gesprächen bereit", betonte Landrat Michael Czupalla erneut.
"Inakzeptabel ist jedoch, wenn die Bürger mit Horrorszenarien verunsichert werden."
Über Ergebnisse einer Landtagsdebatte vom 17. Januar auf PDS-Antrag "Vermeidung von Überkapazitäten bei neuen Abfallbeseitungsanlagen" informierte dieser Tage Dr. Michael Friedrich, Kreisrat und Landtagsmitglied: In Sachsen fielen im Jahr 2000 710.000 t Restabfälle an, das sächsische Umweltministerium prognostiziert für das Jahr 2005, wenn die neuen Umweltauflagen greifen, 580.000 t. Öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger hätten in Sachsen bisher reichlich eine Million Tonnen verplant, im Verwertungszentrum Schwarze Pumpe gäbe es eine ungenutzte Kapazität von ca. 400.000 Tonnen. Auch in Sachsen-Anhalt und Brandenburg deuteten aktuelle Planungen Überkapazitäten an. "Der Landkreis wird sich gegen diesen enormen Druck auf Dauer nicht abschotten können", beharrt er.
K. R.
LVZ, 30.01.2002
Erläuterung zur Umweltverträglichkeitsstudie:
Die Umweltstudie des Öko-Institutes Darmstadt macht einen Systemvergleich der Abfallentsorgung für den Landkreis Delitzsch. Verglichen werden folgende drei Varianten der Müllentsorgung:
Thermische Abfallbehandlungsanlage (Müllverbrennung) am Standort Delitzsch
Mechanisch-Biologische Stabilisierungsanlage am Standort Delitzsch
Mitbehandlung der Restabfälle in Anlagen außerhalb des Landkreises
Es wird gezeigt, daß alle drei Varianten der Müllentsorgung Vor- und Nachteile haben. Die Müllverbrennung hat dabei die meisten Nachteile und die Mitbehandlung der Restabfälle außerhalb des Landkreises die meisten Vorteile. Es wird aber keine klare Präferenz für Handlungsoptionen für die verantwortlichen Politiker gegeben.
Somit wären diese verpflichtet gewesen, diese Studie richtig zu lesen, zu deuten und vor allem zu wichten. Damit wäre die Müllverbrennung von 80.000 Tonnen in Delitzsch-Südwest vom Tisch gewesen.
Von unseren Kreisräten, die darüber abstimmten, ist mir nur einer bekannt, der diese Studie auch wirklich gelesen hat. Alle Anderen haben für Müllverbrennung gestimmt.
B.