Verfahren gegen Bonner Anwalt eingestellt

Von STEPHAN BROCKMEIER

BONN / BOCHUM. Nicht alles, was in weiten Kreisen der Bevölkerung als anrüchig gelten mag, ist auch strafrechtlich von Bedeutung: Das ist die politisch-moralische Botschaft einer Entscheidung, mit der die Bochumer Staatsanwaltschaft ihr Ermittlungsverfahren in einem Müllskandal eingestellt hat, der erstaunliche Parallelen zu Bonn hat.

In dem Bochumer Verfahren ging es um eine Müllofen-Privatisierung, um Einladungen, Parteispenden, um die Nähe von Gutachtern zu Müll-Multi Hellmut Trienekens und um einen Schmiergeld-Verdacht - dieselben Ingredienzien wie beim Bonner Müllofen-Skandal. Unklar ist, inwieweit die Bochumer Entscheidung sich auf das Bonner Verfahren etwa gegen Ex-CDU-Parteichef Helmut Hergarten auswirken könnte. Von der Bonner Anklagebehörde war an Weiberfastnacht keine Stellungnahme zu erhalten.

Von der Bochumer Einstellungsverfügung betroffen sind unter anderem ein Bonner Rechtsanwalt, außerdem der Chef der von Trienekens gegründeten Beratungsfirma IKW, Klaus-Jürgen H., und ein Landrat, der sich nicht nur eine Lustreise, sondern auch seinen Wahlkampf von dem IKW-Mann hatte finanzieren lassen. Das bestätigte gestern Oberstaatsanwalt Bernd Bienioßek der Rundschau. IKW-Chef H. hat auch den in Bonn vor Gericht stehenden Siegburger Müllmanager Karl Heinz Meys beraten; für ihn interessieren sich auch die Bonner Ermittler.

Der Tatort, der nach Ansicht der Bochumer Ermittler gar keiner war, befand sich in der Kreisverwaltung des Märkischen Kreises in Lüdenscheid. Dort betrieb der 1999 zum Landrat gewählte CDU-Politiker Aloys Steppuhn erfolgreich den Teilverkauf des kreiseigenen Müllofens in Iserlohn. Über eine Bietergemeinschaft schien Müllofen-Sammler Trienekens den Zugriff auch auf diese Anlage zu bekommen, musste sich schließlich aber aufgrund eines Kartellverfahrens doch wieder verabschieden.

Als dann 2003 die Bochumer Staatsanwälte nach deutlichen Fingerzeigen der Müll-Task-Force der nordrhein-westfälischen Landesregierung zu ermitteln begannen, förderten sie Erstaunliches zutage: IKW-Chef Klaus-Jürgen H., der einst auf FDP-Ticket seine Karriere im Sauerland begonnen hatte und dem CDU-Politiker Steppuhn freundschaftlich verbunden war, förderte dessen Wahlkampf mit 19.000 Euro und hielt den Politiker samt Gattin vier Monate vor der Wahl in einem Berliner Luxus-Hotel aus. Zum Vergleich: Firmen aus dem Dunstkreis Hellmut Trienekens ließen der Bonner CDU über den unter Korruptionsverdacht stehenden Politiker Reiner Schreiber 1999 insgesamt 38.000 Euro Spenden zukommen.

Der Bonner Jurist war vom Märkischen Kreis als juristischer Berater angeheuert worden. Er geriet in den Verdacht, gleichzeitig in Lüdenscheid und bei Trienekens kassiert zu haben, ebenso übrigens wie ein Wissenschaftler der TU Aachen. Entlohnt wurde der Bonner Jurist, der im Köln / Bonner Raum für Trienekens-Firmen Prozesse führt, vom Märkischen Kreis mit rund 330.000 Euro, so die Zeit.

Doch verhärteten sich am Ende die Verdachtsmomente für die Bochumer Staatsanwaltschaft nicht. Ankläger Bienioßek: „Es konnte nicht festgestellt werden, dass einer der Berater gleichzeitig in der gleichen Sache für einen der Bewerber tätig gewesen ist.“ Hinsichtlich der beschuldigten Politiker verwies die Behörde darauf, dass eine Unrechtsvereinbarung nicht erkennbar sei. Der zeitliche Ablauf spreche vielmehr dagegen.

Der Ablauf war übrigens in Lüdenscheid und Bonn - rein zeitlich gesehen - gleich: Vor der Wahl die Großspenden, nach der Wahl das Privatisierungsverfahren.

Kölnische Rundschau, 19.02.2004