Die Veröffentlichung beschäftigt sich mit der Problematik prinzipieller Erkenntnisdefizite bei der Ermittlung und Auswertung von genehmigungsrelevanten Daten bzw. von praktisch gewonnenen Messdaten zur Analyse und Überwachung von Prozessabläufen. Das Problembewusstsein, dass der Erkenntnis Grenzen gesetzt sind und dass es „Grauzonen“ zwischen hinreichend genauen (seriösen) und unzulässig interpretierten (unseriösen) Messergebnissen gibt, ist als Hintergrundwissen unerlässlich, wenn man z.B. in Genehmigungsverfahren und/oder bei der Beurteilung problembehafteter Vorgänge abgewogene Entscheidungen treffen bzw. Einwendungen oder gar Widersprüche formulieren muss. Als Entscheidungsgrundlagen und Argumentationshilfen werden hierfür üblicherweise von Sachverständigen erstellte Gutachten, Expertisen, Untersuchungsprotokolle usw. herangezogen mit dem Ziel, möglichst objektiv urteilen bzw. fundiert argumentieren zu können. In Genehmigungsverfahren und im Bereich der Beweissicherung insbesondere bei Bränden und kritischen Prozessabläufen wird von den Entscheidungsgremien und von Antragstellern, die einen positiven Bescheid oder Entlastung erwarten, mitunter suggeriert, dass die gewonnenen Erkenntnisse und Beweise allein deshalb richtig sein müssten, weil die eingeschalteten Gutachter und Sachverständige unabhängig seien. Dies ist aber nur in Ausnahmefällen möglich, und verantwortungsvoll agierende Sachverständige mit Format wissen ganz genau, dass sie trotz größtmöglicher Sorgfalt die nachfolgend dargestellten objektiven Grenzen ihrer Bemühungen bestenfalls erweitern, niemals aber ignorieren können. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf Sachverhalte, die in den vergangenen sieben Jahren von verschiedenen Bürgerinitiativen, Bürgervereinen und Interessengemeinschaften in Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Bayern und Hessen mit Engagement begleitet wurden und z.T. auch weiterhin konstruktiv verfolgt werden. Als Beispiele hierfür sollen Genehmigungsverfahren zu Investitionen in den Bereichen Altlastensanierung und Abfallwirtschaft sowie zu Flutungsprojekten ehemaliger Tagebaugebiete genannt werden. Bei allen diesen Beispielen dominieren physikalisch-chemische, biochemische, geologische und hydrologische Sachverhalte, die anspruchsvolle Untersuchungen erfordern und seriöse Bewertungen verlangen. Die damit verbundenen Konfliktpotentiale sollen nachfolgend kurz skizziert werden und zum Nachdenken anspornen. Abhängigkeiten
durch objektive Grenzen bei der Erkenntnisgewinnung: Da es sich bei allen vorgenannten genehmigungsrelevanten Sachverhalten und bei fast allen problematischen Prozessabläufen um komplexe Systeme handelt, sind die Methoden der klassischen Physik nur in Ausnahmefällen hinreichend genau anwendbar. Denn bei komplexen Systemen, die gesetzeskonform vorrangig mit Hilfe definierter physikalisch-chemischer Analysenmethoden untersucht werden, muss die der Quantenmechanik entstammende Heisenbergsche Unschärferelation als grundlegendes Prinzip beachtet werden. Die Heisenbergsche Unschärferelation, die hier nicht näher abgeleitet und interpretiert werden soll, besagt, dass es nicht möglich ist, zwei Messgrößen eines Quantenobjektes, deren Produkt die Dimension einer Wirkung (z.B. Energie x Zeit) hat, gleichzeitig und exakt zu bestimmen. Will man z.B. die Zustände von offenen, instationären Systemen (z.B. Konzentrationen von Quantenobjekten und deren komplexe Reaktionsverläufe) analysieren, müssen die betreffenden Systeme in einem exakt definierten Bilanzraum einem Messprozess unterworfen werden. Im Unterschied zur klassischen Physik verändern aber die in der Realität praktizierten Messungen im allgemeinen und im Besonderen in den Fällen, wo komplexe Sachverhalte wie bei Projekten der Abfallwirtschaft und der Hydrogeologie zwangsläufig vorliegen, den Zustand der jeweils untersuchten Quantenobjekte. Bei den diesbezüglichen Sachverhalten sind die vorgenannten (quanten)physikalischen Eigenschaften der zu untersuchenden Systeme von prinzipieller Art und im Wesen der Materie begründet. Daraus folgt, dass die vielfach vertretene Ansicht, wonach Fachkunde und Expertenwissen generell unabhängiges Arbeiten garantieren sollte, praktisch nicht zutreffen kann. Trotz alledem ist es natürlich möglich zu klar definierten Erkenntnissen zu gelangen, wenn die relevanten Grenzen bzw. Unschärfen klar benannt werden. Hierfür eignen sich beispielsweise Angaben zu Nachweisgrenzen, zu Hintergrundbelastungen, zu Überlagerungsphänomenen, zu zeitlich und räumlich schwankenden Parametern und zur Reproduzierbarkeit der verwendeten Messmethoden. In der realen Praxis werden zumeist die zu hohen Kosten und das oft nicht ausreichende Zeitbudget oder das nicht genügend qualifizierte Personal (insbesondere bei Probennahmen) als Gründe dafür vorgebracht, dass bei der Ergebnispräsentation leider nicht alle Rand- und Rahmenbedingungen berücksichtigt werden konnten. Folglich muss dann aber konstatiert werden, dass objektive Zwänge oder missliche Umstände das behauptete unabhängige Arbeiten ad absurdum geführt haben. Die Folgen sind beträchtlich, weil aus zu stark fehlerbehafteten Messergebnissen und/oder aus unvollständigen bzw. fehlenden Daten fehlerhafte Schlussfolgerungen und damit falsche Entscheidungsgrundlagen resultieren, die als Kardinalfehler zumeist erst viel später erkannt werden können. Verantwortungsvolle Gutachter sind aber in der Lage, bei Anerkennung objektiver Grenzen sich optimal auf das Mögliche zu konzentrieren, gewonnene Ergebnisse und Abstrahierungen bzw. Modellierungen in ihrer Beschränktheit zu benennen und nicht unzulässig zu verallgemeinern bzw. nicht unbeschränkt auf das zur Genehmigung anstehende Projekt zu übertragen. Kritische Distanz ist ein Markenzeichen von kompetenten Sachverständigen, die sich der Grenzen ihrer Erkenntnis bewusst sind und damit ihre Abhängigkeit von prinzipiell existierenden Defiziten akzeptiert haben. Neben der Tatsache, dass mitunter wegen der nicht ausreichenden Selektivität die angewandte Messmethode im konkreten Fall nicht hinreichend geeignet sein kann für die Bestimmung des jeweils interessierenden Einzelstoffes, sind vor allem die Probennahmen in Verbindung mit Probentransporten und ggf. erforderlichen Probenvorbereitungen besonders problematisch. Die Genauigkeiten, die die modernen instrumentellen Analysenmethoden im Blick auf die zu gewährleistenden Nachweisgrenzen bieten, sind fast immer ausreichend und gewährleisten zuverlässige Messergebnisse. Die hierbei erzielten Ergebnisse müssen aber deshalb kritisch hinterfragt werden, weil alle Bearbeitungsstufen, die der instrumentellen Analytik vorangegangen waren, zwangsläufig fehlerbehaftet sind (zum Teil sogar stark fehlerbehaftet). Insbesondere bei den Probennahmen existieren viele objektive und noch mehr subjektive Fehlerquellen, die sich gravierend auswirken müssen. In der folgenden Abbildung sind am Beispiel der Umweltanalytik die wichtigsten Fehlerquellen dargestellt, die jeweils hinsichtlich ihrer Fehlerwahrscheinlichkeit grob bewertet wurden. Abhängigkeiten durch subjektiv begründete Zwänge bei der Auftragsabwicklung:Es liegt auf der Hand, dass Interessenkonflikte bestehen zwischen Antragstellern, die wirtschaftliche Vorteile erwarten von einem positiven Genehmigungsbescheid mit möglichst wenigen Auflagen, und Gutachtern, die unbefangen und unparteiisch die notwendigen wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse inhaltlich nachvollziehbar zu Tage fördern müssen. Interessenkonflikte zwischen Antragstellern, Behörden und Sachverständigen sind also völlig normal und können akzeptiert werden, wenn glasklar zu erkennen ist, dass die jeweiligen Sachverständigengutachten nach bestem Wissen und Gewissen erstellt worden sind und dadurch überzeugen. Sachverständigengutachten werden nicht dadurch gut, dass deren Ergebnisse stimmen, sondern dadurch, dass sie sich inhaltlich nachvollziehen lassen und ggf. auch offene und/oder weitere klärungsbedürftige Sachverhalte benennen. Problematisch werden aber Interessenkonflikte, wenn die jeweiligen Antragsteller die vertraglich verpflichteten Gutachter als Erfüllungsgehilfen zu missbrauchen versuchen. Natürlich werden derartige Vermutungen von allen Seiten als Unterstellung empört zurückgewiesen, wobei mit Hinweis auf die Unschuldsvermutung selbst im Zweifelsfall die beweisfähigen Dokumente nicht offenbart zu werden brauchen. Damit ist die Herstellung von Transparenz im Grunde nicht möglich. In der realen Praxis zeigt sich spätestens beim Auftreten sogenannter „nicht für möglich gehaltenen Probleme“, dass insbesondere in den Phasen der jeweiligen Genehmigungsverfahren mitunter „faule“ Kompromisse gesucht und gefunden worden waren, die vermuten lassen, dass auch gegenseitige Gefälligkeiten auf vertraulicher Basis nicht ausgeschlossen werden können. Mitunter erwecken auch die insbesondere bei öffentlichen Erörterungen zu beobachtenden juristischen bzw. verfahrensleitenden Praktiken, gezielte Befragungen der Gutachter zu verhindern, den Eindruck, dass verschleiert werden soll. Dabei können pauschale Verweise auf die Unabhängigkeit der Gutachter als alleiniges Argument natürlich nicht überzeugen. Trotzdem gibt es Beispiele dafür, dass sogenannte „Gefälligkeitsgutachten“ von der realen Praxis widerlegt worden sind, denn nach wie vor trifft zu, dass die Praxis das Kriterium der Wahrheit ist. Zusammenfassend ist festzustellen, dass Zweifel an der vermeintlichen Unabhängigkeit von Sachverständigen und Gutachtern immer angebracht sind. Mit Sicherheit gibt es zahlreiche objektive Gründe, die die Reproduzierbarkeit der gutachterlichen Erkenntnisse beschränken. Subjektive Faktoren, die den Anschein der Befangenheit begründen könnten, müssen jedoch durch deutlich mehr Transparenz bei der Formulierung von Aufgabenstellungen und bei den Abläufen von Entscheidungsprozessen weiter minimiert werden. Sieghard Weck, 12.06.2007 freiberuflicher Umwelt- und Abfallberater |
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