Gegensätzliche Aussagen zum Pestizid-Unfall

Landwirt Mieth: „Keinerlei Versäumnisse“ / Entsorgungsfirma-Chef Schmidt: „Schlampig und oberflächlich gehandelt

Von Frank Pfütze

Selben. Ende Mai berichtete die Kreiszeitung von einem Pestizid-Unfall mit einem Traktor der sich im September 2008 in Selben ereignete. Dabei drangen über 1000 Liter Pflanzenschutzmittel unkontrolliert in den Boden ein. Für die fachgerechte, gesetzeskonforme Aufnahme des kontaminierten Bodens fehlt nach wie vor der Sanierungsnachweis. Bei Analysen des Bodens wurden unter anderem gefährliche Lösungsmittel ermittelt.

Dietmar Mieth

Dietmar Mieth

Jörg Schmidt

Jörd Schmidt

Die Kreiszeitung wandte sich deshalb mit einem Fragenpaket an den Unfallverursacher, den Zschepener Landwirt Dietmar Mieth, und den Umweltamtsleiter des Landratsamtes Nordsachsen, Bernhard Voll, der die behördliche Aufsicht hatte. Mieth, der zudem Vorsitzender des Vereins Sauberes Delitzscher Land ist, lobt die gute Zusammenarbeit mit der Feuerwehr, dem Landratsamt und den Kreiswerken, die alles getan hätten, die Folgen des Unfalls zu beseitigen. „Die dokumentierten Verfahrens- und Kontrollabläufe zeigen zweifelsfrei und vollumfänglich, dass mir keinerlei Versäumnisse angelastet werden können“, weist Mieth alle Schuld von sich.

Den Nachweis dafür bleibt er genauso schuldig wie der Umweltamtsleiter. Beim Unfall gelangte das Pflanzenschutzmittel Agil-S in den Boden. Umweltschäden, die einer nachhaltigen Sonderbehandlung oder Nachkontrolle unterlagen, hätten laut Mieth nicht zur Disposition gestanden. Zudem sei das verdünnte Mittel mehrfach mit Löschwasser der Feuerwehr weiter verdünnt worden, teilte Mieth mit. Über 17 Tonnen kontaminierte Erde landeten zur Entsorgung bei der Firma SDR Biotec in Pohritzsch (wir berichteten). Geschäftsführer Jörg Schmidt: „Die Vorgehensweise bei der Beseitigung des Schadens ist unverantwortlich. Herr Mieth spricht von einem Hauptkontaminanten, dem Pflanzenwirkstoff, er verschweigt jedoch, dass diese Zubereitung vor allem akute toxische Bestandteile enthält Nur zehn Prozent macht dieser Wirkstoff aus. Die Zubereitung enthält bis zu 80 Prozent an weiteren giftigen Schadstoffe. Mich verwundert es sehr, dass er als Umweltaktivist überhaupt damit arbeitet, denn die Wirkung ist akut toxisch und umweltgefährlich. Leute, die sich um die Umwelt sorgen, sollten solche Mittel nicht einsetzen“, sagte der diplomierte Chemiker.

Agil-S ist unter anderem mit den relevanten Gefahrensymbolen 50-53 und 51-53 gekennzeichnet. Dazu heißt es in der Gefahrstoffverordnung: Umweltgefährlich! Stoffe, die selbst oder ihre Umwandlungsprodukte geeignet sind, die Beschaffenheit des Naturhaushaltes, derart zu verändern, dass dadurch sofort oder später Gefahren für die Umwelt herbeigeführt werden können.

Für den Biotec-Geschäftsführer war der Einsatz von Löschwasser ein gravierender Fehler. Schmidt: „Mit dem Löschwasser wurde Vorschub geleistet, dass diese toxischen Verbindungen in tiefere Bodenschichten gespült werden, was eine akute Gefahr für das Grundwasser bedeutet. Hier wird die ganze Inkompetenz bei der Schadensbeseitigung deutlich. Es hätte ausschließlich mit Bindemittel gearbeitet und nach Bodenaustausch die Sole beprobt werden müssen. Wenn Herr Voll vor Ort war, hätte er im Sicherheitsblatt erkennen müssen, was da ausläuft. Heißt: Hier wurde schlampig und oberflächlich gehandelt. Die erfolgreiche Beseitigung des Umweltschadens vor Ort ist nicht nachgewiesen. Darum kann keine Aussage zur derzeitigen Gefahrensituation in diesem Bereich vorgenommen werden. Dass sich der Landwirt als Alleinverursacher aus der Verantwortung stehlen will, ist eine Frechheit.

Auf Grund der sehr gegensätzlichen Aussagen und zur Klärung hat die Kreiszeitung die Beteiligten zu einem Rundtisch-Gespräch eingeladen.

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch-Eilenburg – LOKALES, Seite 17, 05.06.2009


Amtsleiter: „Beprobung der Sole nicht nötig

Nach dem Unfall gab es eine Reihe von Fragen, die die Kreiszeitung Umweltamtsleiter Bernhard Voll stellte.

Bernhard Voll

Bernhard Voll

Frage: Warum wurde die Sole nicht beprobt und bereits einen Tag nach dem Unfall der Boden wieder aufgefüllt?

Bernhard Voll: Auf Grund der Örtlichkeit, die Unfallstelle liegt unmittelbar an der Verbindungsstraße Selben – Döbernitz, war die Entscheidung richtig, die Grube sofort wieder zu verfüllen. Eine Beprobung der Sole war nicht nötig, da der Boden bis in den trockenen Bereich ausgekoffert wurde. Eine gesonderte Beprobung vor Ort war nicht nötig, da diese Beprobung im Rahmen der Entsorgung zu erfolgen hat.

Haben Sie Kenntnis davon, dass auch Lösungsmittel in den Boden gelangt sind?

Dem Landratsamt Nordsachsen liegen keine Kenntnisse darüber vor, dass Lösungsmittel in relevanter Menge im Rahmen des Unfalls in den Boden gelangt sind. Das mit der endgültigen Entsorgung des Bodens beauftragte Unternehmen SDR Biotec hat auch im Nachgang keine Hinweise zu vorliegenden Lösungsmittelkontaminationen gegenüber dem Landratsamt angezeigt. Da definitiv keine Erkenntnisse über Lösungsmittelkontaminationen vorlagen, gab es keinen Handlungsbedarf.

Warum wurden im Protokoll nur der Pflanzenwirkstoff, nicht aber die viel gefährlicheren Lösungsmittel und andere Verbindungen aufgeführt?

Durch das beauftragte Analysenlabor wurden alle relevanten Inhaltsstoffe der eingereichten Bodenproben analysiert. Aus dem Ergebnis kann nicht hergeleitet werden, dass festgestellte Konzentrationen darauf hindeuten, dass Lösungsmittel in gefährlicher Konzentration enthalten waren.

Gibt es einen Nachweis von einem dafür zuständigen Labor, dass der Bodenaustausch und die Beseitigung des Umweltschadens fachgerecht erfolgt sind?

Der notwendige Bodenaustausch ist in diesem Fall von den Kreiswerken Delitzsch durchgeführt worden. Aufgrund der Zertifizierung der Kreiswerke war eine gesonderte ingenieurtechnische Überwachung für den Einbau des Austauschbodens nicht nötig.

Haben Sie eine Bohrkernsondierung vorgenommen, um zu recherchieren bis in welche Tiefe die Schadstoffe vorgedrungen sind und welches flächenmäßige Ausmaß der Unfall verursacht hat?

Da die beteiligten Firmen und Personen zur Behebung der Bodenkontamination die notwendige Sachkunde nachweislich besitzen, wurde der eingetretene Schaden sachgerecht beseitigt. Aus diesem Grund und der Geringfügigkeit der Kontamination – Wirkstoff nicht nachweisbar, andere festgestellte Konzentrationen irrelevant – bestand und besteht keinerlei Veranlassung, eine Bohrkernsondierung durchzuführen.

Interview: Frank Pfütze

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch-Eilenburg – LOKALES, Seite 17, 05.06.2009


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