September 2008: Ein Traktor mit Pflanzenschutzmittel ist in Selben verunglückt. Mit einem Großaufgebot sind Einheiten mehrerer Feuerwehren im Einsatz.

Foto: Manfred Lüttich

Offene Fragen nach Umweltunfall

Fachgerechte Entsorgung kann nicht nachgewiesen werden / Landwirt Dietmar Mieth weist Vorwürfe von sich

Von Frank Pfütze

Kreisgebiet. Ein Unfall im Vorjahr mit einem Traktor ging offensichtlich nicht so glimpflich ab, wie es der Polizeibericht vermuten ließ. Wie jetzt bekannt wurde, drangen dabei wenigstens 1000 Liter Pflanzenschutzmittel unkontrolliert in den Boden ein. Für die fachgerechte Entsorgung fehlt der Nachweis. Neben dem Pflanzenschutzmittel wurden bei Analysen des kontaminierten Bodens auch gefährliche Lösungsmittel und andere Verbindungen entdeckt.

Am 27. September berichtete die Kreiszeitung unter der Überschrift „In Selben läuft Spritzmittel aus“ von dem Vorfall. 3500 Liter auslaufendes Pflanzenschutzmittel aus dem Behälter eines in der Landwirtschaft eingesetzten Spritzgerätes des Zschepener Landwirtes Dietmar Mieth waren der Grund, dass einige Kameraden sogar mit Schutzanzügen arbeiten mussten. Aus ungeklärter Ursache hatte sich die Zugstange zwischen Traktor und Anhänger gelöst und der Tank war in Schieflage geraten.

Mieth, der Vorsitzender des Vereins Sauberes Delitzscher Land ist, gab an, dass es sich um ein Pflanzenschutzmittel handelt. „Die Durchführung der Schadensbeseitigung lag ausschließlich in der Verantwortung des Landratsamtes“, so der Landwirt. Die behördliche Aufsicht hatte damals der Umweltamtsleiter des Landratsamtes Nordsachsen, Bernhard Voll. Ein von ihm beauftragter Havarie-Kommissar leitete den Einsatz. „Herr Mieth hatte ein Typenblatt, dem ich entnehmen konnte, um welche Flüssigkeit es sich handelt. Danach habe wir das weitere Vorgehen festgelegt“, erinnerte sich Voll.

Auch Mieth beteuerte auf Anfrage der Kreiszeitung eine „richtige Vorgehensweise“. Die Verantwortungsträger vor Ort ließen die Erde auskoffern. Eine Tauchaer Firma sollte den Boden behandeln und entsorgen, sah sich dazu auf Grund der Inhaltsstoffe aber nicht in der Lage. Die 16 Tonnen Erde landeten schließlich zur Behandlung und Entsorgung bei der Firma SDR Biotec in Pohritzsch. Bei jener Firma, der Mieth mit Hilfe der Deutschen Umwelthilfe und des umweltpolitischen Sprechers der sächsischen Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Johannes Lichdi, seit Monaten erfolglos versucht, Umweltskandale und -katastrophen nachzuweisen (wir berichteten mehrfach).

Geschäftsführer Jörg Schmidt: „Wir haben die Erde untersucht und festgestellt, dass die Flüssigkeit, die unkontrolliert ins Erdreich versickerte, gar nicht so harmlos war wie angegeben. Als ich gesehen habe, was da alles drin ist und in welchen Konzentrationen, läuteten bei mir sofort die Alarmglocken. Denn wir haben neben dem Pflanzenschutzmittel auch wesentlich gefährlichere Lösungsmittel und andere Verbindungen festgestellt“, so der Doktor der Chemie. Ein Protokoll des Biotechnikums in Halle, das im Auftrag der Kreiswerke Delitzsch den ausgekofferten Boden zuvor beprobte, bestätigt diese Aussage.


Jörg Schmidt: Herr Mieth hätte wissen müssen, dass mit dem Wirkstoff weitere toxische Verbindungen in den Boden gelangt sind.


Die gefährlichen Mittel machen das Schutzmittel effektiver, lassen es unter anderem schneller und intensiver in die Pflanzen eindringen. Mieth äußerte sich auf mehrfache Anfrage der Kreiszeitung dazu nicht. Voll räumte ein: „Weil es sich um giftige Herbizide handelte, haben wir den Boden auskoffern lassen.“ Der Biotec-Chef ist „entsetzt von dieser Vorgehensweise“. Seiner Meinung nach hätte zwingend eine Kontrolle des Bodens erfolgen müssen. „Die Beprobung der Sole ist vorgeschrieben, weil die Giftstoffe sehr schnell in Boden und Trinkwasser eintreten können. Ein Gutachter hätte feststellen müssen, dass der Bodenaustausch erfolgreich abgeschlossen ist. Das kann kein Havarie-Kommissar festlegen. Herr Mieth hätte wissen müssen, dass mit dem Wirkstoff weitere toxische Verbindungen in den Boden gelangt sind“, so Schmidt. Für den Geschäftsführer hat Mieth als Verursacher des Unfalls Pflichten und Verantwortungen, die sich aus dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz ergeben, „sträflich und fahrlässig vernachlässigt“.

Es bleiben einige Fragen offen: Warum wurde die Sole nicht beprobt? Warum sind im Protokoll nur der Pflanzenwirkstoff, nicht aber die viel gefährlicheren Lösungsmittel und anderen Verbindungen aufgeführt? Gibt es einen Nachweis von einem dafür qualifizierten Labor, dass der Bodenaustausch und die Beseitigung des Umweltschadens fachgerecht und erfolgreich erfolgt sind? Wurden Bohrkernsondierungen vorgenommen, um zu recherchieren, bis in welche Tiefe die Schadstoffe vorgedrungen sind und welches flächenmäßige Ausmaß der Unfall verursacht hat? „Wir müssen umfangreich recherchieren. Es ist in der Kürze der Zeit nicht möglich, eine fundierte und fachliche Auskunft zu erteilen. Aber wir werden den Fall aufarbeiten“, versprach Kreis-Umweltdezernent Ulrich Fiedler(SPD).

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch-Eilenburg - LOKALES, Seite 17, 08.05.2009


Schmidt: „Die Anschuldigungen von Herrn Lichdi sind unerträglich und haltlos

Jörd Schmidt

Johannes Lichdi

Pohritzsch/Dresden (pfü). Der umweltpolitische Sprecher der sächsischen Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Johannes Lichdi, erhebt erneut Vorwürfe gegen die Firma SDR Biotec in Pohritzsch. Biotec-Geschäftsführer Jörg Schmidt sprach am Freitag von einer „Frechheit, weil immer wieder die gleichen haltlosen Anschuldigungen vorgekramt werden“.

Staubniederschlagsmessungen und Bodenproben hätten eine Überschreitung der Schwermetall-Grenzwerte ergeben. Zudem soll die Häufigkeit der Straßenreinigung erhöht werden. Der Firma SDR Biotec seien als Betreiber der Anlage Auflagen erteilt wor- den, die eine Reduzierung der Schadstoffbelastung bewirken sollen. Schmidt sagte gegenüber der Kreiszeitung, „dass nicht ein Vorwurf der Realität entspricht“. Der Geschäftsführer teilt ferner in einem Schreiben mit, dass regelmäßig Staubniederschlagsmessungen vollzogen würden. Wobei eine Auswertung laut Gesetz immer erst nach zwölf Monaten erfolgen darf. Vergangene Auswertungen zeigten keine Auffälligkeiten.

Auch das Biomonitoring der Biotec-Mitarbeiter, die regelmäßig untersucht werden (Blut/Urin), zeigte in den vergangenen Jahren noch nie Auffälligkeiten. Seit neun Jahren werden diese Untersuchungen durchgeführt. Die gutachterlichen Bodenproben – insgesamt wurden in diesem Jahr zirka 50 in unterschiedlichen Tiefen genommen – blieben stets unter den Grenzwerten. Auch die von Lichdi geforderten Dioxin- und Furanuntersuchungen wurden dabei durchgeführt. Ebenfalls ohne jegliche Auffälligkeiten. „Die Vorwürfe von Herrn Lichdi sind unerträglich und haltlos. Natürlich sind wir ständig bemüht, Belastungen zu reduzieren und zu vermeiden. Natürlich muss auch der Dreck von der Straße, den die Lkw verursachen. Der Anlagenbetrieb wird seit der Eröffnung permanent überwacht, überprüft und kontrolliert. Sonst hätten die Fachbehörden Biotec schon lange dicht gemacht“, so Schmidt.


Ein Lichdi-Mitarbeiter: Wir äußern uns ja auch zum Klimawandel, ohne deshalb vorher zum Südpol gereist zu sein.


Lichdi, der seit Wochen mit Presseerklärungen zum Thema Biotec auffällt, ist nach Auskunft seines Dresdner Büros bislang noch nie in Pohritzsch gewesen. Ein Vor-Ort-Termin scheint auch nicht vorgesehen zu sein. Ein Mitarbeiter: „Wir als Bündnisgrüne äußern uns ja auch zum Klimawandel, ohne deshalb vorher zum Südpol gereist zu sein.

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch-Eilenburg - LOKALES, Seite 17, 08.05.2009



STANDPUNKT


Von Frank Pfütze

Aufklärung ist dringend nötigt

Wasser wurde schon vor 2000 Jahren gepredigt und Wein getrunken. Wenn ein Landwirt wie Dietmar Mieth, der praktisch mit dem Umweltschutz ins Bett geht und am nächsten Morgen wieder mit ihm aufsteht, seine angeblich weiße Weste befleckt, passt das ins Bild. Zumindest was den selbsternannten Robin Hood der Wälder und Wiesen im Sauberen Delitzscher Land anbelangt, dessen Vorsitzender er ist. Der Traktorunfall ist nebensächlich und bedauerlich. Kann passieren. Dass dabei Pflanzenschutzmittel auslief, hatte ebenfalls keinen absichtlichen Hintergrund. Wie der Umweltschützer jedoch mit der Beseitigung und Aufarbeitung umgeht, erscheint äußerst bedenklich. Mieth hebt beide Hände, wie es Fußballer nach einem Foul zu tun pflegen. Er habe sich nichts vorzuwerfen. Das Landratsamt sei in der Pflicht. Stimmt. Aber vor allem er als Landwirt, der mit solchen Schutzmitteln arbeitet, muss an einer erfolgreichen Schadensbeseitigung mitwirken. Wären ein Lastkraftwagen der Firma Biotec oder ein Abfallauto der Kreiswerke betroffen gewesen, hätte Mieth vermutlich selbst zur Schaufel gegriffen und sich bis zum Magma vorgearbeitet. Um mit Hilfe der Deutschen Umwelthilfe festzustellen, dass die Brühe im Erdinneren verseucht ist. Bei seinem eigenen Unfall geht er da wesentlich zurückhaltender vor. Er zeigt einen Zettel, auf dem steht, dass da eine eigentlich ungefährliche Flüssigkeit ausgelaufen ist. Es erfolgt ein Erdaustausch und das war’s. Es wäre gut für die Umwelt, wenn es wirklich so ist. Die Zahlen und Fakten, die der Kreiszeitung vorliegen, sagen jedoch etwas anderes aus. Das Landratsamt ist jetzt gefordert, den Fall aufzuklären. Mieth hat zumindest die moralische Verpflichtung, lückenlos dazu beizutragen. Für ein sauberes Delitzscher Land.

@f.pfuetze@lvz.de

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch-Eilenburg - LOKALES, Seite 17, 08.05.2009


 »»» weitere Zeitungsartikel

 »»» zur Startseite