Ingenieure entnehmen Bodenproben in Pohritzsch

Die Mitarbeiter des Ingenieurbüros Wessling aus Oppin, Mario Dammann und Dietmar Kapser (rechts), entnehmen auf dem Grundstück von Sigrid Berger im Pohritzscher Neubaugebiet Am Galgenberg acht Bodenproben. Diese hat die in die Schlagzeilen geratene Firma S.D.R. Biotec Verfahrenstechnik veranlasst.

Foto: Manfred Lüttich

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung - Titelseite, 26.02.2009


Gläserner Probenmarathon für schnelle Klarheit

Ingenieurbüro und Landesamt untersuchen umfangreich den Boden in Pohritzsch / Erstes Ergebnis: Keine Schadstoffe im Obst

Von Frank Pfütze

Pohritzsch. Die Biotec-Gemeinde Pohritzsch stand auch gestern im Fokus der Öffentlichkeit. Gleich zwei Ingenieur-Trupps waren im Ort unterwegs, um umfangreiche Bodenproben zu entnehmen. Zum einen das unabhängige Büro Wessling, zum anderen das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie. Aufatmen bereits am Mittwochabend im Obsthof Pohritzsch: In den Produkten des Betriebes wurden keine Schadstoffe nachgewiesen.

Start am Messpunkt 1, nordöstlich des Firmengeländes auf der Kirschplantage. Umweltschutztechniker Dietmar Kapser füllt zum ersten Mal seinen Eimer.

Foto: Manfred Lüttich

Dietmar Kapser kratze am Morgen mit einer kleinen Schaufel an der Erdoberfläche. Neben sich hatte er Gläser, Eimer und eine Plastikplane platziert. In zwei bis zehn Zentimetern Tiefe entnahm der Umweltschutztechniker Erdproben an zahlreichen Stellen des ersten Messpunktes. Diese mischte er anschließend auf der Plane gut durch und füllte die Erde in die Gläser. Diesen Vorgang wiederholte er gestern vorerst an fünf Messpunkten. Diese Proben mussten schnell ins Labor, weil das Landratsamt bis Freitag erste Ergebnisse erwartet. Kapser gehört zum Team von Albert Steinert vom Büro Wessling Beratende Ingenieure.

Diese fünf Proben musste , Chef der SDR Biotec Verfahrenstechnik, auf Anweisung des Landratsamtes durchführen lassen. Der 64-Jährige erweiterte die Maßnahme von sich aus auf insgesamt 14 Messpunkte. Den Ingenieuren ist vorgeschrieben, die Proben auf Arsen, Blei, Cadmium, Cyanide, Chrom, Nickel, Quecksilber und Thallium zu untersuchen. Schmidt wies zudem an, auch Kupfer und Zink einzubeziehen. Zu den vorgeschriebenen zwei bis zehn Zentimetern ließ der Geschäftsführer an allen Messpunkten den Boden bis 60 Zentimeter Tiefe entnehmen. „Ich will Klarheit und Transparenz“, so Schmidt. Er ist verpflichtet, die Kosten zu tragen, die zwischen 10000 und 15000 Euro liegen sollen.

Für zusätzliche Transparenz dürfte das vom Landratsamt am gestrigen Mittwoch nach Pohritzsch beorderte Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie sorgen, das ebenfalls Proben entnahm. Die gläserne Veranstaltung verfolgten neben den Beteiligten und Firmenvertretern auch Mitarbeiter des Landratsamtes und Neukyhnas Bürgermeisterin Christine Lösch (CDU).

Alle Mischproben sind inzwischen im Labor. Das Ingenieurbüro Wessling ist anerkannt und unabhängig Diplom-Chemiker Albert Steinert ein von der Industrie und Handelskammer Halle-Dessau öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger. „Da sind keine Manipulationen möglich. Das Büro Wessling ist uns als zuverlässig bekannt. Anders könnte es auch gar nicht überleben“, sagte der Leiter des Umweltamtes des Landratsamtes, Bernhard Voll.

Der Auftritt des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie basiert auf einem Gespräch in der Landesdirektion Leipzig mit Vertretern der Staatsregierung, der Landesdirektion sowie des Landratsamtes Nordsachsen in dieser Woche. Im Ergebnis wurde festgelegt, dass zunächst die vorliegenden Staubmessergebnisse auf deren Aussagekraft vom Landesamt bewertet werden. Mit einem Ergebnis ist Anfang März zu rechnen. Parallel dazu wurden Mitarbeiter dieses Amtes nach Pohritzsch entsandt. Voll: „Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass im unmittelbaren Umkreis der Firma Biotec direkte Bodenkontakte möglichst vermieden werden sollten. Bis zur Vorlage der Ergebnisse der oben angeordneten Bodenuntersuchungen wird zusätzlich empfohlen, den Verzehr von Wintergemüse vorübergehend einzuschränken. Das ist eine reine Vorsichtsmaßnahme, weil wir den wirklichen Zustand des Bodens nicht kennen.“ Der soll bereits am Freitag im Ergebnis und in spätestens drei Wochen auch als Gutachten vorliegen.

Für die Gesundheit der Biotec-Mitarbeiter verbirgt sich Jana Czernik vom Arbeitsmedizinischen Dienst. Sie untersucht seit Jahren deren Blut und Urin. „Alle Werte lagen bisher unterhalb der Grenzwerte“, so die Diplom-Medizinerin. Kurz vor Redaktionsschluss erreichte die Kreiszeitung zudem die Mitteilung, dass auch die Produkte des Obsthofes Pohritzsch keine Schadstoffe enthalten. Die Ergebnisse der Proben (Blei, Kadmium) liegen seit gestern Abend vor. „Wir hoffen, dass nun auch alle anderen offenen Fragen schnell geklärt werden. Für uns ist das existenziell wichtig“, sagte Juniorchef Jan Wehling.

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch-Eilenburg - LOKALES, Seite 17, 26.02.2009



STANDPUNKT


Von Frank Pfütze

Offensiver Umgang ist der richtige Schritt

Die Firma Biotec in Pohritzsch steht mit dem Rücken an der Wand, gleich neben dem Obsthof. Die Vorwürfe klingen zumindest schwerwiegend. Geschäftsführer Jörg Schmidt lässt sich jedoch nicht einfach so abknallen. Er sagt, er hat sich nichts vorzuwerfen und er handelt vor allem auch so. Schmidt verdreifachte die vorgeschriebene Probenanzahl und erweiterte die vorgeschriebene Beprobung. Mehr geht nicht. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat bisher lediglich eine Pressemitteilung in die Welt gesetzt, deren Inhalt noch nicht bewiesen ist. Die Auswirkungen sind jedoch gewaltig. Denn das Landratsamt weist inzwischen darauf hin, dass im unmittelbaren Umkreis des Abfallentsorgungsunternehmens direkte Bodenkontakte möglichst vermieden werden sollten und empfiehlt, den Verzehr von Wintergemüse vorübergehend einzuschränken. Logisch, wenn das Amt nicht warnt und es passiert etwas, rollen dort die Köpfe. Auf der anderen Seite steht der bisherige Hauptleidtragende, der Obsthof Pohritzsch. Als Lebensmittelhersteller hat das Unternehmen bei seinen Kunden erst einmal abgegessen. Völlig zu unrecht, wie die aktuellen Überprüfungen zeigen. Und nicht nur die. Noch nie gab es auffällige Werte nach einer der regelmäßigen Kontrollen. Hier muss schnell Klarheit her, im Sinne aller Beteiligten. Biotec hat dafür transparent und glaubwürdig alles Mögliche veranlasst.

@f.pfuetze@lvz.de

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch-Eilenburg - LOKALES, Seite 17, 26.02.2009


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