Biotec-Geschäftsführer veranlasst umfangreiche Proben

Ingenieur-Team seit gestern in Pohritzsch vor Ort / Heute wird Boden in und um die Abfallaufbereitungsanlage in verschiedenen Tiefen entnommen

Pohritzsch. Jörg Schmidt geht in die Offensive. Gestern empfing der Geschäftsführer der in die Schlagzeilen geratenen SDR Biotec Verfahrenstechnik GmbH einen Prüftrupp in Pohritzsch. Hochgiftiges Cadmium und Blei sind bei einer Bodenanalyse in einem Wohn- und Gewerbegebiet in der Nähe der Abfallbehandlungsanlage gefunden worden, meldete die Deutsche Umwelthilfe, in deren Auftrag die Proben entnommen worden waren (wir berichteten). Schmidt wehrte sich auch gestern dagegen: „Die Proben sind unseriös. Wir haben uns nichts vorzuwerfen. Mir liegen Gutachten vor, die aussagen, dass es weder in der Luft noch im Boden grenzüberschreitende Werte gibt.

Biotec-Geschäftsführer Jörg Schmidt, Diplom-Chemiker Albert Steinert und Umwelttechniker Dietmar Kapser (vorn von rechts) gestern auf der Obstplantage in Pohritzsch, wo auch Probenpunkte sind. Im Hintergrund verfolgen Bürgermeisterin Christine Lösch (CDU), Obsthof-Geschäftsführer Marin Weber und Biotec-Mitarbeiter Andreas Zirkel die Absprachen.

Foto: Frank Pfütze

Diplom-Ingenieur Albert Steinert kam gestern mit einem Diplom-Geologen und einem Umwelttechniker in die Gemeinde und startete den Beprobungs-Vorgang. Die unabhängigen Ingenieure legten insgesamt 13 Prüfpunkte auf dem Firmengelände, der Obstplantage, in der Nachbarschaft und im angrenzenden Wohngebiet fest, die ab heute zur Probenentnahme dienen. Fünf Punkte schreibt der Gesetzgeber vor. Der Biotec-Geschäftsführer veranlasste, die Anzahl der Proben wesentlich zu erhöhen. Der Boden wird dazu an mehreren Stellen in verschiedenen Tiefen entnommen. Das Landratsamt Nordsachsen ist seit August die zuständige Genehmigungs- und Überwachungsbehörde der Firma Biotec. Bereits im vergangenen Jahr klagten Anwohner über Luftverunreinigungen. Darauf hin gab das Landratsamt Staubniederschlagsmessungen im Nahbereich der Anlage in Auftrag. Diese Messungen wurden von September bis Dezember vorgenommen. Die vorliegenden Werte weisen im Einzelnen Auffälligkeiten im Bezug zu Immissionen bleikontaminiertem Staub auf, teilt das Landratsamt in einer Pressemitteilung mit. Schmidt zweifelt die Ergebnisse an, weil ihm „andere Ergebnisse vorliegen. Wir haben völlig andere, einwandfreie Messergebnisse“, sagte er gestern dazu.

Das Landratsamt ordnete Mitte Januar die Bodenproben an. „Die in den Medien veröffentlichten Untersuchungsergebnisse der Deutschen Umwelthilfe sind dabei Anhaltspunkte, die für sich allein jedoch für konkrete Maßnahmen nicht hinreichend belastbar sind“, so Umweltamtsleiter Bernhard Voll. Aufgrund der aktuellen ungewissen Situation will das Prüfunternehmen, die Wessling Beratende Ingenieure GmbH, innerhalb von drei Wochen verlässliche Werte liefern.

Frank Pfütze

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch-Eilenburg - LOKALES, Seite 17, 25.02.2009


Vorwürfe gegen Biotec

Pohritzsch im Griff eines Ratsbeschlusses

Pohritzsch. Es ist ein Beschluss mit schwerwiegenden Konsequenzen: Anfang der 90er-Jahre entschieden die Abgeordneten der damals noch selbstständigen Gemeinde Pohritzsch, ein Wohngebiet und nicht weit davon entfernt einen Industrie- und Gewerbestandort auszuweisen. Die SDR Biotec Verfahrenstechnik war einer der ersten Betriebe, die sich dort ansiedelten. Jetzt ist das Dorf mit Biotec in die Negativ-Schlagzeilen gerutscht. Rein rechtlich sei auch aus heutiger Sicht nichts gegen diese Entscheidung zu sagen. Alles, was vorgeschrieben ist, wie etwa die Abstandsflächen zwischen den beiden Gebieten, sei eingehalten worden, sagt Neukyhnas Bürgermeisterin Christine Lösch (CDU). Dementsprechend genehmigte das Regierungspräsidium (RP) Leipzig am 3.September 1993 das Gewerbe- und am 20.Dezember 1993 das Wohngebiet.

Somit stand der Ansiedlung der Firma Biotec, deren Inhaber selber in Pohritzsch leben, nichts im Wege. 1993 erhielt das Familienunternehmen für seine Abfallbehandlungsanlage auch das grüne Licht von der Leipziger Genehmigungsbehörde. Allerdings mit einer weitaus geringeren Produktionskapazität als heute. Dass die von Biotec geforderte separate Zufahrtsstraße zum Betrieb nicht genehmigt wurde, könne man ihm nicht anlasten, sagte Geschäftsführer Jörg Schmidt 2007 bei einem Tag der offenen Tür, zudem auch der Neukyhnaer Gemeinderat eingeladen war (wir berichteten). Damals hatte die Anlage bereits eine Produktionsleistung von jährlich 160000 Tonnen erreicht.

Zu dieser Zeit war der Konflikt mit einigen Anwohnern aus dem Wohngebiet Am Galgenberg schon voll entbrannt. Diese waren zumeist in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre aus Städten in der Umgebung nach Pohritzsch aufs Land gezogen. Grund für die Spannungen lieferte zunächst der zunehmende Lkw-Verkehr, der am Wohngebiet vorbei muss, um ins Biotec-Werk zu gelangen. Als das Unternehmen mit der Glasfaserproduktion eine weitere Linie installieren wollte, drang der Bürgerprotest bis in den Gemeinderat. Doch auch das Glasfaser-Vorhaben nahm die Genehmigungshürde.

Seither sind die Fronten zwischen der Firma und den Häuslebauern verhärtet. Letztere sehen sich zunehmend in ihrer Wohnqualität beeinträchtigt und befürchten auch Gefahren für ihre Gesundheit. Mit dem Bürgerverein Sauberes Delitzscher Land haben sie sich einen Interessensvertreter gesucht, der kein Hehl daraus macht, Biotec aus Pohritzsch vertreiben zu wollen. Derzeit setzt das Bündnis alles daran, die beantragte Produktionserweiterung auf 200000 Tonnen zu boykottieren.

Allerdings stößt dieses Vorgehen in Pohritzsch nicht überall auf Gegenliebe. Obstbauer Wolfgang Wehling: „Wer Biotec plattmachen will, der sollte lieber wieder dort hingehen, wo er hergekommen ist.“ Schließlich seien die Neu-Pohritzscher hergezogen, als Biotec schon produzierte. Die Anwohner wiederum halten dagegen und sagen, dass es vor Jahren nicht absehbar gewesen sei, wie sich der Betrieb in ihrer Nähe entwickeln würde. „Schleichend“, so ihr Argument, sei die Produktion erhöht worden und mit ihr die Belastungen durch Laster-Verkehr, Lärm und so weiter.

Thomas Steingen

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch-Eilenburg - LOKALES, Seite 19, 25.02.2009


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